Nachdem wir euch bereits die leckersten polnischen Gerichte vorgestellt haben, wollen wir euch heute mal zeigen, was es im Süden des Landes so gibt und welche Gerichte die schlesische Küche bereithält. Über Jahrhunderte hat sie ihren ganz eigenen Charakter entwickelt, wobei sich deutsche und polnische, aber auch tschechische und österreichische kulinarische Traditionen miteinander vermischt haben und für einige landesweit einzigartige Gerichte gesorgt haben, die insgesamt bodenständig und meist auch recht deftig daherkommen, wobei es viele Überschneidungen mit der polnischen Küche gibt und man auch hier häufig auf Wurst, Suppen und Kohl setzt.
Dabei kann man streng genommen nicht von einer einzelnen schlesischen Küche sprechen. Die Region untergliedert sich nämlich in Teile wie das historische Ober- und Niederschlesien mit teilweise eigenen kulinarischen Traditionen. Außerdem haben die Goralen an der Grenze von Polen zur Slowakei eine eigene Kultur, die sich insbesondere auch in ihrer Küche niederschlägt. Auch gibt es viele Gerichte, die in den einzelnen Regionen Schlesiens unter einem anderen Namen fungieren oder auch eine ganz andere Herstellungsweise beinhalten.
Schlesische Küche – Das sind die leckersten Gerichte
Schlesien war jahrhundertelang Zankapfel und Spielball verschiedener Mächte und Länder. Böhmen, Preußen, Österreich, Polen – alle gaben hier eine Zeitlang den Ton an. Das hatte nicht nur politische, sondern auch kulinarische Folgen. Und obwohl seit der Flucht vieler Schlesier nach Deutschland zahlreiche Rezepte „mitgenommen“ wurden, finden sich auch heute noch unzählige Gerichte der schlesischen Küche in Polen, die sich teilweise verändert und teils mit polnischen kulinarischen Traditionen vermischt haben. Heute dominiert vor allem die oberschlesische Küche in der Region, während in Niederschlesien vielfach genau so gekocht wird wie im Rest des Landes. Im Folgenden wollen wir euch unsere Lieblingsgerichte vorstellen und euch zeigen, wie vielfältig die schlesische Küche ist, denn ihr seid sicher schon hungrig!
Żurek
Es gibt vielleicht keine andere Suppe die (abgesehen vom Barszcz) so sehr für die polnische Küche steht wie der Żur(ek). Auch in Schlesien findet sich dieses Gericht, dessen Namen sich vom deutschen Wort „sauer“ ableitet. Żurek ist eine Mehlsuppe, die auf der Grundlage von Sauerteig hergestellt wird. Hinzu kommen dann noch Wurst oder eine Fleischeinlage und ein gekochtes Ei. Der Geschmack von Żurek ist säuerlich und für unsere Gaumen relativ ungewöhnlich. Im Unterschied zu anderen polnischen Region wird ein traditioneller schlesischer Żurek auf der Grundlage von Roggenvollkornmehl hergestellt, ist aber genau wie im Rest des Landes ein traditionelles Osteressen.
Rouladen
Es gibt – abgesehen vom Schlesischen Himmelreich, das wir euch weiter unten noch vorstellen – kaum ein Gericht, das so sehr für die schlesische Küche steht wie Rinderrouladen. Traditionell wurden vor allem zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten, später auch zu Kommunionen Rouladen serviert. Mittlerweile kommen sie aber auch ganz einfach am Sonntag auf den Tisch. Die Herstellung einer Roulade ist etwas anspruchsvoll, denn man muss ein großes Stück Fleisch zunächst würzen (und mit Senf bestreichen), und dann mit Speck, Zwiebeln und sauren Gurken belegen (wobei es hier auch andere Varianten gibt).
Das an sich ist noch nicht kompliziert, aber anschließend werden die Rouladen traditionell verschnürt oder mit Zahnstochern befestigt und es erfordert schon etwas Übung, dass danach beim Schmoren nicht alles auseinanderfällt. Serviert werden die Rouladen dann traditionell mit Rotkohl und Schlesischen Klößen, womit wir auch schon beim nächsten Gericht der schlesischen Küche angekommen wären. Die Roulade, die auf unserem Titelbild zu sehen ist, habe ich übrigens in einem tollen Restaurant in Kattowitz (Katowice) gegessen.
Schlesische Klöße
Ein gutes Beispiel dafür, wie viel Einfluss die böhmisch-tschechische Küche auf die schlesische Küche hatte, sind die Schlesischen Klöße (Kluski śląskie), schließlich sind Klöße so etwas wie das tschechische Nationalgericht. Der Teig wird aus gestampften Kartoffeln, Kartoffelmehl und Salz hergestellt, manchmal kommt auch ein Ei zum Einsatz. Viele rollen den Teig dann in eine Rolle und schneiden kleine Scheiben ab, andere rollen die kleinen Klöße von Hand. Anschließend wird mit dem Daumen ein kleines Loch in den Teig gedrückt, was den Klößen ihre klassische Form verleiht. In Salzwasser gekocht, kommen die Kluski śląskie, wie sie auf polnisch heißen, anschließend meist als Beilage zu Fleischgerichten wie den Rouladen auf den Tisch.
Karminadle
Unter dem in Polen ansonsten ungewöhnlichen Begriff Karminadle, der auch in zahlreiche anderen Schreibweisen auftritt, versteht man nichts anderes als kleine Hackfleischbällchen. Traditionell werden sie aus Schweinefleisch hergestellt und etwas schärfer gewürzt als bei uns. Außerdem sind sie besonders saftig, da sie in Schlesien häufig in Schmalz gebraten werden. Mittlerweile haben sie in Schlesien eine so große Bedeutung, dass das polnische Landwirtschaftsministerium sie bereits als regionales kulinarisches Kulturgut schützen ließ. Wurden sie früher vor allem bei festlichen Anlässen serviert, sind sie heute ein ganz normales Abendessen – und dabei sehr universell einsetzbar, denn sie werden mit verschiedensten Beilagen wie Klößen, Rotkohl, aber auch Buchweizengrieß oder Reise serviert.
Eine weitere, heute nicht mehr häufig verwendete Variante stammt ebenfalls dezidiert aus Oberschlesien. Neben Schweinefleisch wurde hier auch Hering verwendet. Außerdem gibt es lokale Variationen, bei denen Kaninchenfleisch zum Einsatz kommt, allerdings heute auch nicht mehr so häufig wie vor rund 100 Jahren.
Lebkuchensauce
Bisher waren die ins unserer Liste beschriebenen Gerichte alle relativ bodenständig, aber jetzt wird es wirklich verrückt, oder habt ihr schonmal daran gedacht, eine Soße aus Lebkuchen herzustellen? Die schlesische Küche kennt eine solche Soße und an den Geschmack muss man sich sicherlich erstmal gewöhnen. Wie man bei dieser doch sehr speziellen schlesischen Spezialität vermuten könnte, wird sie ausschließlich zu Weihnachten gekocht, weshalb man sie auch als Christtunke oder Weihnachtstunke kennt. Lebkuchen kommen bei der Soße nur in Teilen zum Einsatz, dazu werden Pastinaken, Karotten und Sellerie verwendet, für die nötige süße Note sorgen Mandeln, Rosinen und Malzbier, eventuell auch Trockenobst und Nüsse.
Und wozu isst man die Soße? Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Entweder klassisch zur Weißwurst, die man auch in Schlesien kennt (und die ja auch in Bayern mit süßem Senf gegessen wird), oder zum Schnitzel, aber auch als Beilage zu Desserts. Fun Fact am Rande: Die Lebkuchensauce ist eines der ältesten überlieferten Rezepte aus dem früheren deutschsprachigen Raum. Schon im 15. Jahrhundert tauchte sie in einem Königsberger Kochbuch auf, das sich auf alte Rezepte des Deutschen Ordens bezieht.
Schlesisches Himmelreich
Schlesisches Himmelreich oder „Schläsches Himmelreich“ wie man es früher im schlesischen Dialekt nannte, ist vielleicht neben Schlesischen Klößen und Rouladen das bekannteste Gerichte der schlesischen Küche und auch heute noch im östlichsten Teil Sachsens ein fester Bestandteil vieler Speisekarten. Ehrlicherweise hat das Himmelreich oft erstmal optisch nichts Himmlisches an sich, alles wirkt auf dem Teller etwas chaotisch und unaufgeräumt. Geschmacklich ist das Schlesische Himmelreich aber wirklich ein Highlight. Zum Einsatz kommt geräucherter Schweinebauch, der zusammen mit Backobst, Zitronenschalen und einer Prise Zimt, oft auch mit Marmelade gekocht wird. Dazu passen am besten Schlesische Klöße, aber auch zu ganz normalen Kartoffelknödeln (wie auf dem Foto zu sehen ist) passt das Himmelreich perfekt.
Schlesische Grützwurst (Krupniok)
Wie oben erwähnt ist auch Wurst ein wichtiger Teil der schlesischen Küche. Neben Weißwurst gibt es hier auch eine besondere Variante, die Schlesische Grützwurst. Die Wurst zeichnet sich neben Fleisch auch durch die Verwendung von Graupen aus, die in der schlesischen Küche allgemein eine bedeutende Rolle einnehmen, auch Blut und Innereien können zumindest in der traditionellen Variante zum Einsatz kommen. Mittlerweile achtet man in Schlesien besonders streng darauf, die engen Vorgaben zur Erstellung eines echten Krupniok einzuhalten, schließlich ist es nicht nur eines der ältesten schlesischen Gerichte, sondern seit 2016 auch ein von der EU geschütztes Regionalgericht, das so nur hier hergestellt werden darf.
Oscypek
Es gibt gewöhnlichen Käse und es gibt den Oscypek, für mich jedes Mal ein kulinarisches Highlight, wenn ich in Polen bin. Der Oscypek ist traditioneller Bestandteil der Küche der Goralen und wird im Tatragebirge von jenem Volksstamm hergestellt, sowohl auf der polnischen als auch auf der slowakischen Seite, wo man ihn als Oštiepok kennt. Hierbei wird Schafsmilch gepresst und anschließend abgehängt und – ganz wichtig – geräuchert, was dem Käse sein unverwechselbares Aroma verleiht.
Besonders lecker schmeckt der Oscypek, wenn man ihn anbrät und dann mit einer fruchtigen Marmelade genießt – eine ideale Kombination von rauchig und süß und so auch in anderen Regionen Polens oft auf Märkten an Verkaufsständen zu finden! Der Käse ist mittlerweile so beliebt, dass es ihn auch (allerdings unter anderem Namen, da auch er eine geschützte Herkunftsbezeichnung trägt) im Rest Polens an Tankstellen und in Supermärkten als Snack gibt.
Liegnitzer Bombe
Keine Angst, hinter dem Namen Liegnitzer Bombe (poln. Legnicka Bomba) verbirgt sich ein Gericht, das lediglich für eure Figur gefährlich werden könnte. Bei der Spezialität aus der Stadt Liegnitz (Legnica) in Niederschlesien handelt es sich um einen Mitte des 19. Jahrhunderts erfundenen Pfefferkuchen, der wahlweise mit Nüssen, Marzipan und Trockenfrüchten gefüllt wird. Oft wird dann noch Rosenwasser hinzugegeben, um den Geschmack zu verfeinern. Anschließend wird die „Bombe“, die es in verschiedenen Größen und Formen gibt, dann noch mit Schokolade überzogen. Heute erfreut sich die Kalorien“bombe“ in Schlesien wieder einer gewissen Popularität, vor allem aber kennt und schätzt man sie in der Lausitz und in Brandenburg.
Streuselkuchen
Streuselkuchen kennt man natürlich auch in Deutschland und dem Rest Polens. Aber wusstet ihr, dass es sich dabei um ein traditionell schlesische (andere Quellen gehen davon aus, dass das Gericht aus Sachsen stammt) Nachspeise handelt? Genau wie bei uns wird auch hier meist ein Blech verwendet, auf das dann ein Hefeteig kommt. In Schlesien besonders beliebt sind neben der Variante als Butterstreuselkuchen auch Apfelstreuselkuchen und ein Mohn-Streuselkuchen, ohnehin kommt Mohn bei vielen schlesischen Desserts zum Einsatz. Hermann Bauch hat Anfang des 20. Jahrhunderts sogar eine ganz besondere Liebeserklärung an „seinen“ schlesischen Streuselkuchen verfasst, bei der einem auch heute noch das Wasser im Munde zusammenläuft:
Schlässcher Kucha, Sträselkucha,
(Hermann Bauch: Sträselkucha, das komplette Gedicht findet ihr hier)
Doas ihs Kucha sapperlot,
Wie’s uff Herrgotts gruußer Arde
nernt nich su woas Gudes hoot!
Buchtipps Schlesische Küche
Ihr habt Hunger bekommen und Lust, einmal ein schlesisches Gericht nachzukochen? Dann sind vielleicht unsere Buchtipps Schlesische Küche interessant für euch! Außerdem empfehlen wir euch, mal auf der Seite Śląskie Smaki vorbeizuschauen, wo ihr auch auf Deutsch alles über die schlesische Küche erfahren könnt – inkl. unzähligen Rezepten! Dank der praktischen Karte könnt ihr auch sehen, wo welche Produkte hergestellt werden und so im Urlaub gezielt spannende, nachhaltig arbeitende Betriebe besuchen und dort essen bzw. einkaufen. Seit 2006 findet in Polen auch das beliebte gleichnamige Festival statt, bei dem ihr euch jedes Jahr an einem anderen Ort in Oberschlesien durch die leckere schlesische Küche probieren könnt.
Dieses Buch ist mehr als nur ein Kochbuch mit Gerichten der niederschlesischen Küche, sondern hält auch zahlreiche teils sehr berührende Geschichten aus einer längst vergessenen Zeit bereit.
Mehr Original schlesische Küche geht nicht: Dieses Buch ist ein Nachdruck eines Werkes aus dem Jahr 1894 und enthält zahlreiche Rezepte der schlesischen Küche, wie sie von den Vorfahren gekocht wurden.
Die Autorin dieses Kochbuchs hat sich die alte Rezeptesammlung ihrer oberschlesischen Großmutter vorgenommen und ein kleines, schnörkellos geschriebenes „E-Kochbuch“ daraus gebastelt, das sich ganz der schlesischen Küche widmet.
Wie hat euch der Artikel über die schlesische Küche gefallen? Welche Gerichte würdet ihr gerne mal probieren? Lasst es uns wissen und schreibt uns einen Kommentar!