Schon allein des früheren Namens wegen war Chemnitz zu DDR-Zeiten eine besondere Stadt. 1953 hatte die SED ein Karl-Marx-Jahr ausgerufen. Und um die Verbundenheit der Arbeiter der Industriestadt Chemnitz mit dem Sozialismus herauszustellen, entschied die SED-Führung, gleich die ganze Stadt und damit auch den Bezirk nach dem Philosophen und Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus zu benennen. Karl-Marx-Stadt lautete von da an bis 1990 der Name einer der wichtigsten Industriestädte der DDR. Um dem Namen gerecht zu werden, startete die SED ein gewaltiges Aufbauprogramm für Karl-Marx-Stadt. Davon sind bis heute noch viele Spuren aus allen gesellschaftlichen Bereichen zu sehen. Heute geht es also zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten des DDR-Chemnitz.
Nischl – Karl-Marx-Monument
Das heute wohl in Deutschland bekannteste Wahrzeichen von Chemnitz ist der große Kopf von Karl Marx an der Brückenstraße. Das Karl-Marx-Monument wurde 1971 eingeweiht und vom sowjetischen Künstler Lew Korbelew geschaffen. Es ist die zweitgrößte Büste der Welt, nach dem Lenin-Kopf von Ulan-Ude. Das Relief dahinter stellt den zentralen Satz aus dem Kommunistischen Manifest von Karl Marx in vier Sprachen dar: „Proletarier aller Länder vereinigt euch“. Das Monument hat viele Abrissbestrebungen überlebt. Anders als beim Namen der Stadt, wollten die Chemnitzer Karl Marx hier nicht loswerden.
Rat des Bezirkes
Die DDR war nicht in Bundesländer, sondern in Bezirke aufgeteilt. Trotz ihrer zentralistischen Verwaltung verfügte jeder Bezirk über einen Rat des Bezirkes. In Karl-Marx-Stadt war dieser in der Brückenstraße ansässig, im Gebäude direkt hinter dem Karl-Marx-Monument. Von hier auf wurde der Bezirk verwaltet. Am Gebäudekomplex gibt es einige architektonisch interessante Details wie Reliefs. Das Gebäude, auch wenn es Teil der DDR-Architektur ist, passt mit der die Aluminium-Verschalung wunderbar in die Stadt der Moderne.
Interhotel Kongreß
Das höchste Gebäude im DDR-Chemnitz war das damalige Interhotel Kongreß Karl-Marx-Stadt. Das Gebäude ist ein Paradebeispiel für den Brutalismus und wesentlich weniger filigran als viele andere DDR-Bauten in Chemnitz. Vor allem durch die eher kleinen Fenster wirkt das Gebäude, das von 1969 bis 1974 gebaut wurde, sehr massiv. Auch heute noch ist hier ein Hotel ansässig, jedoch besetzt das Dorint* nur die obersten Etagen des Gebäudes. Die tolle Aussicht habt ihr von dort aber dennoch. Wer jedoch lieber anderswo übernachten möchte, kann zumindest in das Panorama-Restaurant im 26. Stockwerk fahren. Da gibt es die Aussicht zu Essen und Getränken gratis dazu.
Stadthalle
Zur gleichen Zeit wurde zusammen mit dem Hotel auch die Stadthalle als zentrale Veranstaltungshalle von Karl-Marx-Stadt gebaut. Architekt Rudolf Weißer gestaltete sie aber sehr speziell. Besonders die Anordnung der Säulen schafft einen Wandelhallen-Charakter für die Innenräume. Auch die Außenfassade ist einzigartig in ihrer Gestalt und macht zusammen mit dem nebenliegenden Brunnen oder der Skulptur „Schönheit und Stolz des Menschen im Sozialismus“ von Gerd Jaeger ein tolles Fotomotiv her. Falls ihr zu einer Veranstaltung im Gebäude geht, könnt ihr auch die beeindruckende Kunst am/im Bau wie die Skulptur „Und sie bewegt sich doch! – Galilei“ oder eines der Reliefs bewundern.
Rawema-Gebäude
Direkt gegenüber vom Karl-Marx-Monument hatte die Rawema seit 1969 ihren Sitz. Rawema stand für „Rationalisierung des Werkzeugmaschinenbaus“. Der Betrieb war in der DDR ein Maschinenbauer und fertigte komplette Industriebetriebe – und das weltweit. In der Straße der Nationen 12 hatte der VEB seinen Sitz. Heute finden sich hier ein Hotel und viele kleine Läden.
Rosenhof
Im DDR-Chemnitz bestand die Hauptpromenade zwischen der Straße der Nationen und dem Rosenhof. Der Rosenhof war dabei ein Vorzeigeprogramm des Städtebaus der DDR. Denn die im Krieg stark zerstörte Stadt sollte nach sozialistischen Maßstäben wiederauferstehen. Im Rosenhof richtete die Stadt das Kinderkaufhaus „Pionier“ und die Tanzbar „Kosmos“ ein. Es sollten noch mehrere Bauten folgen, bis die Stadt die Pläne zugunsten des Heckert-Gebietes aufgab. Die Innenstadt wurde zu einer Dauerbrache, die erst nach der Wiedervereinigung behoben wurde.
Omnibusbahnhof
Der Busbahnhof wurde 1969 eröffnet und war damals einer der modernsten Busbahnhöfe in Europa. Täglich fuhren hier Hunderte Busse Werktätige in die Betriebe oder aus dem Umland nach Chemnitz. Vor allem wegen des 1200 Quadratmeter großen Daches steht der Busbahnhof heute unter Denkmalschutz. Ich persönlich finde ihn formschön. Leider fahren aber die früher so häufigen Ikarus-Busse nicht mehr hier ab.
Wohnbebauung Straße der Nationen 24 bis 52
Das Gebäudeensemble an der Straße der Nationen ist so etwas wie die Karl-Marx-Allee von Chemnitz. Die Gebäude entstanden alle in den 1960er-Jahren. Und genau wie am Berliner Original gibt es auch hier ein Café Moskau. Entlang der Straße stehen auch hier einige Kunstwerke und Brunnen wie der Hochzeitsbrunnen oder der Brunnen „Völkerfreundschaft“.
Esse des Wärmekraftwerks Nord
Wenn über die höchsten Bauwerke der DDR geredet wird, denken die meisten an die Fernsehtürme. Doch kaum einer hat dabei die vielen Schornsteine im Sinn, die das Bild der industrialisierten DDR prägten. In Bezug auf Chemnitz kann man sogar einen Rekord vermelden, denn die Esse des Wärmekraftwerks Nord ist mit 302 Meter nicht nur die höchste in Chemnitz. Sie ist sogar das höchste Bauwerk in Sachsen und nach dem Berliner Fernsehturm und dem Sender Burg das dritthöchste Bauwerk der ehemaligen DDR. Seit 2013 ist der Schornstein auch das höchste Kunstwerk der Welt, denn er wurde nach Vorschlägen des französischen Künstlers Daniel Buren in sieben Farben angestrichen und wird nachts zudem beleuchtet.
Kunstwerke des sozialistischen Realismus
Wandbilder an Wohngebäuden der Brückenstraße
In den Jahren 1964 und 1965 entstanden mehrere Bleiintarsien, die als Wandbilder Plattenbau-Wohnhäuser entlang der Brückenstraße in Chemnitz zieren. Sie wurden von Künstlern Rudolf Kraus, Robert Diedrichs, Rudolf Fleischer und Johannes Belz erstellt und zeigen unter anderem Motive eines Tanzes von einem Sowjetvolk sowie Sportler, eine Straßenszene und eine Bildungsanstalt. Die Bilder befinden sich an den Querseiten unterhalb der Balkone der Gebäude.
Marx-Engels-Plastik im Park der Opfer des Faschismus
Als ob der Nischel nicht schon genug ist, hat Chemnitz noch ein weiteres Marx-Denkmal zu bieten. Für dieses ist er aber nicht allein, sondern wird zusammen mit Friedrich Engels im Park der Opfer des Faschismus dargestellt. Die Plastik wurde schon 1957 von Walter Howard geschaffen und stellt als erste Marx und Engels gemeinsam dar. Damit ist dieses Bildnis ein Vorläufer des Denkmals vom Marx-Engels-Forum in Berlin.
Ernst-Thälmann-Denkmal am Schlossteich
Auch dem Kommunistenführer Ernst Thälmann, der von den Nazis ermordet wurde, haben die Karl-Marx-Städter ein Denkmal gesetzt. An dem Mahnmal neben den Schlossteich zeigt die Büste des Künstlers Hanns Diettrich den KPD-Chef Ernst Thälmann. Das Denkmal ist heute wenig gepflegt und wird bestenfalls ignoriert.
Denkmal für die Augustkämpfer
Ebenfalls von Hanns Dietrich stammt das Denkmal für die Augustkämpfer. 1919 kam es am 9. August in Chemnitz zu schweren Straßenschlachten zwischen Arbeitern und Demonstranten mit Reichswehrverbänden aus anderen Städten. Dabei kamen insgesamt 36 Personen ums Leben. Dieser Kampf wurde von der DDR-Führung als Opfer im Kampf gegen den Faschismus geehrt. Daher entstand auch das Denkmal, das am Hauptschauplatz der Straßenschlachten errichtet wurde.
Wohngebiet Fritz Heckert
Zeitweilig war das „Heckert“ die zweitgrößte, später immerhin noch die drittgrößte Plattenbausiedlung der DDR. 90.000 Menschen lebten hier 1989 in acht Wohnkomplexen. Das Heckert war aus der Not geboren, denn die DDR-Regierung brauchte Wohnraum für die unzufriedenen Bürger und beschloss daher auf dem VIII. Parteitag, das Wohnungsbauprogramm massiv auszuweiten. So entstanden in fast allen DDR-Städten neue Siedlungen. Manche fassten über 100.000 Bewohner. Das Wohngebiet Fritz Heckert wuchs um ein paar Dörfer herum und wurde mit Straßenbahnen und Bussen an Karl-Marx-Stadt angebunden. Die Wohnungen waren begehrt, sie boten Fernwärmeheizungen und Innenklo – in der DDR keine Selbstverständlichkeit. Nach der Wende schrumpfte das Gebiet arg zusammen. Heute leben hier nur noch rund 35.000 Menschen. Tendenz: stabil.
DDR-Sehenswürdigkeiten im Küchwald
Der Küchwald ist der Garten von Chemnitz und für viele Chemnitzer mit schönen Kindheitserinnerungen verbunden. Und auch zu DDR-Zeiten entstanden hier einige Sehenswürdigkeiten.
Pioniereisenbahn
In vielen Städten der DDR gab es sogenannte Pioniereisenbahnen. Diese kleinen Parkeisenbahnen wurden von Mitgliedern der kommunistischen Jugendorganisationen betrieben. Kinder verkauften hier Fahrscheine, waren Schaffner und kontrollierten die Fahrscheine – ganz so wie in einer echten Eisenbahn. Einzig das Führen der Loks wurde Erwachsenen überlassen. In den meisten Pioniereisenbahnen haben mittlerweile Erwachsene in allen Positionen das Sagen. Nicht so in Chemnitz. In der Parkeisenbahn sind bis heute vor allem Kinder organisiert und kümmern sich um den Betrieb. Fahren dürfen sie bis heute aber immer noch keine Loks.
Kosmonautenzentrum „Sigmund Jähn“
Eine der wichtigsten Propagandaschlachten des Kalten Krieges war diejenige um die Eroberung des Weltalls. Deshalb investierte die Sowjetunion massiv Ressourcen in den Wettstreit um den Kosmos. Um das der Bevölkerung zu verkaufen, wurden die Kosmonauten überall gefeiert. Auch in Karl-Marx-Stadt errichtet man ein Kosmonautenzentrum, das Kinder über die Kosmonauten, die Raketentechnik und das All informieren sollte. Zunächst wurde es bei Eröffnung nach dem sowjetischen Raumfahrtpionier Juri Gagarin benannt. Nachdem jedoch Sigmund Jähn als erster Deutscher ins All flog, wurde das Gelände im Küchwald allerdings in Kosmonautenzentrum „Sigmund Jähn“ umbenannt. Bis heute kann man sich hier einige Teile der sowjetischen Raumfahrt und Modelle anschauen, erfährt viel über den Beruf des Kosmonauten und einiges mehr.
Eissportzentrum
Das Eissportzentrum Karl-Marx-Stadt war nicht nur eine der besten Eisporthallen der DDR. 1954 begonnen und 1964 überdacht, war sie eine der zentralen Wettkampfstätten für Eissport in der DDR. Im Eissportzentrum wurden auch hervorragende Olympia-Teilnehmer der DDR-Olympiamannschaften für die Winterspiele trainiert, bei denen die DDR regelmäßig Medaillen gewann. Heute spielt in der Eissporthalle vor allem der Eishockey-Club Chemnitz Crashers, der in der Regionalliga Ost aufläuft.
Clubkino Siegmar
Auch wenn das Filmtheater eigentlich aus dem Jugendstil stammt, baute es die Bezirksfilmdirektion Karl-Marx-Stadt 1981/1982 in ein sogenanntes Clubkino um. Clubkinos waren großzügig bestuhlt und die Gäste saßen auf Sesseln an Tischen und schauten dabei auf die Leinwand. Es durfte sogar geraucht werden. Das Kino besteht bis heute und sieht immer noch sehr nach den 1980er Jahren aus.
Weitere DDR Chemnitz Bauten und Kunstwerke gesucht
Wie ihr sehen könnt, haben wir schon eine ganze Menge an DDR-Bauten und Kunstwerken des alten Karl-Marx-Stadt zusammengetragen. Wir wollen aber gern bei unserem nächsten Besuch noch mehr solcher Orte mit DDR-Bezug finden. Kennt ihr weitere interessante DDR-Gebäude? Fallen euch in Chemnitz auch heute noch DDR-Skulpturen auf? Wir freuen uns, wenn ihr uns einen Kommentar hinterlasst und es uns wissen lasst. Am liebsten mit einer genauen Adresse/Ortsangabe, wenn möglich! Danke!
Buch- und Filmtipps
Schöner Bildband, der Chemnitz in all seinen Facetten einfängt.
Ein interessantes Buch, vor allem für jene, die selbst in Karl-Marx-Stadt aufgewachsen sind. Der Autor zeichnet auf liebevoll-humorige Weise ein Porträt jener Jahre.
- Zielgruppen-Bewertung: Infoprogramm
ZDF-Doku mit vielen historischen Aufnahmen, die auf kurze und prägnante Weise das Leben zur damaligen Zeit beleuchtet.
- Clauss, Martin (Autor)
Das Taschenbuch beleuchtet die Stadtgeschichte von Chemnitz, wobei auch die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und die Vorwendezeit nicht zu kurz kommen.
Sehr schön zusammengetragen.