Der Weg im Slovensky Raj, das Slowakische Paradies, geht im wahrsten Sinne über Stock und Stein. Genau genommen über Felsen und Baumstämme. Im Nationalpark Slowakisches Paradies wird versucht, möglichst wenig in die Natur einzugreifen. „Wir fällen nicht präventiv Bäume und auch die, die von allein umfallen, werden nicht beiseite geräumt“, erzählt mir Nationalpark-Mitarbeiter Marek Leskovjanský. „Die Natur soll sich möglichst ohne Eingriffe entwickeln.“ Jedoch tut man den Wanderern den Gefallen und hält zumindest die Wanderwege begehbar. Die Baumstämme der umgefallenen Bäume werden einfach durchgesägt. So liegt kurioserweise rechts neben dem Weg ein Stumpf, genau wie auch links daneben. An anderen Stellen hauen die Mitarbeiter der Nationalparkverwaltung Steigeisen in die Stämme, um es für Wanderer leichter zu machen, darüber zu klettern.
Schluchten im Slovensky Raj
Der Nationalpark Slowakisches Paradies, auf Slowakisch Slovensky Raj genannt, ist eine der ursprünglichsten Naturparks in Europa. „Hier hat sich das Wasser seinen Weg durch den Kalkstein geformt“, erklärt Marek. Gleich mehrere Schluchten schmiegen sich an den Bergrücken. „Die populärste ist vermutlich die relativ flache Prielom Hornadu“, sagt er. Der Hernad-Durchbruch wird vom größten der Flüsse an dieser Seite des Slowakischen Paradieses durchzogen. Sie kann vergleichsweise einfach von Familien bewandert werden. Aber auch die anderen Routen sind gut frequentiert. Im Sommer kommt es mitunter zu richtigen Staus an den Leitern. Neben der Prie Hornadu, steigen die meisten Wanderer in die folgenden Schluchten:
- Sokolia dolina – hat den höchsten Wasserfall (70m). Länge: 2,5 Kilometer, Wanderzeit: 2 Stunden
- Kláštorská roklina – kurze Schlucht mit vielen Sehenswürdigkeiten. Länge: 1,5 Kilometer, Wanderzeit: 1 Stunde.
- Zejmarská roklina – ist die kürzeste Schlucht und bisher einzige im Südteil des Slovensky Raj. Länge: 1 Kilometer, Wanderzeit: 50 Minuten
Wir wandern an diesem Morgen durch die Suchá Belá. Sie ist eine Einbahnstraße – denn an den meisten Stellen könnte man kaum gefahrlos absteigen. Einbahnstraßen sind auch viele andere Schluchten. Meistens geht nur der Aufstieg. Von oben kommt man aber über einen der Wanderwege wieder hinunter zum Parkplatz.
Über das Wasser wandern in der Schlucht Suchá Belá
Bei unserer Wanderung durch die Suchá Belá, ist die Schlucht manchmal so eng, dass der Fluss sie über die ganze Breite ausfüllt. Ohne Gummistiefel würde hier niemand trocken durchkommen. Doch die Parkverwaltung des Slovensky Raj hat auch hier ausgeholfen und Gitter in die Felswände gebohrt, so dass man mal mehr, mal weniger bequem oberhalb des Wassers auf den Gittern durch die Schlucht läuft. „Wie bessern es immer wieder aus, damit es begehbar bleibt“, sagt Marek Leskovjanský. Auch die Gitter müssen immer mal wieder gewechselt werden.
Slowakisches Paradies – Mekka für Schwindelfreiheit und Abenteuerlust
Schwindelfrei sollte man dafür in einigen Fällen jedoch trotzdem sein. Durch die Gitter schaut man in den reißenden Mini-Strom. Mitunter geht es auch ein paar Meter nach unten. Schlimmer noch sind die Holztreppen, deren Stufen mal morsch sind und für die man kaum einen Tritt-Rhythmus finden kann aber eine gute Balance braucht. Nach zwei Stunden ist man dieser Holztreppen ziemlich müde und freut sich, wenn man mit seinen Wanderschuhen durch das Flussbett und nur über die Kalksteine laufen muss.
Doch für Menschen mit Höhenangst kommt es noch schlimmer. Immer wieder müssen Metallleitern hinaufgestiegen werden. Bis zum 15 Meter geht es auf rutschigen Stiegen nach oben. Die Kanten der Leitern sind mitunter schon ausgetreten, ansonsten bohren sie sich gern auch mal wie bei einem Tanz auf einem Schwert in die Schuhsohlen. Sneaker-Träger haben hier klar den Nachteil. Aber sie würden auf den glitschigen Felsen sowieso ausrutschen. Auch ich falle einmal auf den Arm. Ich kann mich gerade noch festhalten. Hinter mit geht es rund zehn Meter an einem Wasserfall nach unten.
Kláštorisko – Prost auf das Mittelalter in den Ruinen des Karthäuserklosters
Nachdem wir uns in mehr als drei Stunden die Schlucht hinauf gekämpft haben, können wir oben endlich mit unserem Kocher ein Mittagessen warm machen. Es gibt Pasta. Danach wandern wir auf der Bergkuppe weiter zum früheren Kloster. Hier verbringt Michal Slivka den ganzen Sommer. „Ich unterrichte hier Seminar-Gruppen und mache Ausgrabungen“, so der Professor für Philosophie und Archäologie an der Universität von Bratislava. Er schläft jede Nacht in den Unterständen und begrüßt zudem auch Wanderer und beantwortet Fragen. Zwischendurch stößt er mit den sympathischen Menschen auch mal mit einem selbstgebrannten Schnaps an. Auch wir müssen prosten. Das frühere mittelalterliche Kloster zeigt, wie die Menschen hier einst am Berg gelebt haben.
Erinnerung an die, die der Berg genommen hat
In der Nähe erinnert ein Mahnmal jedoch auch an die Menschen, die der Berg genommen hat. „Wir haben hier einen symbolischen Friedhof zum Gedenken an die Opfer des Berges geschaffen“, sagt Nationalpark-Mitarbeiter Marek Leskovjanský. Dort wird an die Bergsteiger, Wanderer und auch an Bergretter erinnert, die hier ihr Leben ließen. Zu ihnen gehört auch der Bruder von Marek, Dušan Leskovjanský. „Er war auf einem Rettungseinsatz mit dem Hubschrauber. Der Pilot war durch die tiefstehende Sonne geblendet und hat ein Stromkabel getroffen. Alle Insassen starben sofort bei dem Absturz“, sagt er mit schwerer Stimme.
Abstieg zurück nach Podlesok durch die Schlucht Prielom Hornadu
Auf dem Weg zurück ins Tal werden meine Beine langsam schwach. Der Abstieg geht besonders hart auf die Waden. Nicht jeder der Wege ist für den Abstieg begehbar. Ich will irgendwann nur noch runter, habe Hunger und Durst. Vorbei an einer Hängebrücke kommen wir endlich in der großen Schlucht Prielom Hornadu an. Ab hier sind es nur noch knapp 1,5 Stunden bis zurück zum Parkplatz. Knapp zehn Stunden sind wir am Ende im Slovensky Raj unterwegs. Am Abend fühle ich jede Minute davon in den Knochen. Dafür falle ich jedoch schon um 22 Uhr todmüde ins Bett. Da fällt das Aufstehen für die nächste Wanderung um 5.30 Uhr viel leichter.
Weitere Sehenswürdigkeiten im Slowakischen Paradies
Neben den von mir bewanderten Wegen gibt es aber noch einige weitere Schluchten und Sehenswürdigkeiten, die
Dobšinská ľadová jaskyňa – UNESCO-Welterbe Dobschauer Eishöhle
Insgesamt gibt es mehr als 200 Höhlen im Nationalpark Slowakisches Paradies. Besuchen könnt ihr problemlos aber nur eine davon. die Dobschauer Eishöhle. Von den 1.483 Metern Gesamtlänge sind seit 1871 nur 475 Meter zugänglich. In der Höhle gibt es dauerhaft Eis. Im Großen Saal beträgt die Eisdecke bis zu 26,5 Meter.
Wandern durchs Kysel entlang der Via Ferrata
Wem das einfache Wandern und über Leitern steigen in den Schluchten noch nicht genug ist, der kann auch noch einen Gang zulegen. Denn in Kysel-Schlucht gibt es eine Via Ferrata. Hier braucht ihr etwas Ausrüstung, die ihr euch an den Parkplätzen ausleihen könnt. Denn es geht hier noch steiler nach oben und ein anseilen ist durchaus nicht verkehrt. Zur Ausrüstung gehört ein Beckengurt mit Hakenbefestigungen sowie ein Helm. 10 Euro kostet die Ausrüstung pro Person und kann von 8 bis 18 Uhr ausgeliehen und zurückgegeben werden.
Tomášovský výhľad – Aussichtspunkt Tomášovský
Ein weiteres Highlight ist der Aussichtspunkt Tomášovský výhľad. Er ist oben auf den Anhöhen im Slowakischen Paradies und von hier habt ihr einen fantastischen Blick auf die Umgebung. Ab dem Parkplatz in Cingov dauert es ca. eine Stunde bis zum Aussichtspunkt.
Tipps zum Wandern im Slowakischen Paradies
- Zieht Wanderstiefel an! Die Felsen sind oft glitschig und an einigen Stellen ist das sogar ziemlich gefährlich. Zudem sollten sie bis zum Knöchel wasserdicht sein, dann kommt ihr schneller voran.
- Steht früh auf, damit ihr möglichst allein wandern könnt und schönes Licht habt. Ich empfehle euch schon gegen 7 Uhr morgens zu kommen, dann sind die Parkplätze und Wanderwege noch leer und es dauert eine Weile, bis ihr Menschen begegnet.
- Wer Höhenangst hat, sollte besser keine der Schluchten durchwandern. Wenn es zu unbequem wird, könnt ihr auch einfach umkehren.
- Eine detaillierte Karte mit den Schluchten des Slovensky Raj findet ihr auf dieser Seite. Die Karte ist zwar auf Polnisch, aber trotzdem selbsterklärend.
- Die Wanderzeiten für das Slowakische Paradies in den Karten scheinen für Extrembergsteiger zu gelten. Wir haben deutlich länger gebraucht, auch weil wir uns Zeit zum Schauen und Staunen genommen haben.
- Verpflegung und vor allem ausreichend Wasser sollte man für unterwegs mitnehmen. Es gibt nur auf der Bergkuppe des Slovensky Raj ein Restaurant.
Slowakisches Paradies Reisetipps
Mit dem Auto anreisen
Ich bin mit dem Auto zum Nationalpark Slowakisches Paradies gefahren, was auch die einfachste Art der Anreise ist. Am Fuße der Schluchten gibt es einen großen Parkplatz den ihr bei Google Maps unter dem slowakischen Namen Parkovisko Hrabušice Podlesok findet. Den ganzen Tag parken könnt ihr hier für 3 Euro. Ich kam allerdings schon so früh, dass noch kein Parkwächter da war und stand deshalb sogar kostenlos hier. Von hier könnt ihr direkt die Suchá Belá hoch wandern und auch wieder hierher zurück kommen. Auch in der Ortschaft Čingov könnt ihr parken. Hier kostet es allerdings gleich ganze 5 Euro.
Mit dem Bus anreisen
Besonders im Sommer gibt es auch recht viele Busse, die ab dem Bahnhof Spišská Nová Ves nach Podlesok fahren. Mehr Informationen zu Zeiten und Preisen gibt es auf der Seite für Fahrpläne, Cestovné Poriadky.
Eintritt für Nationalpark Slowakisches Paradies zahlen
Auf dem Weg von Parkplatz und Bushaltestelle zur Schlucht gibt es noch eine kleine Hütte. Hier zahlt ihr die Gebühr für den Zugang zum Nationalpark von 1,50 Euro pro Person. Die zahlt ihr auch gern, denn sonst wäre die Schlucht gar nicht für euch zugänglich. Von der Gebühr wird schließlich auch das Freihalten und die Instandsetzung der Wege bezahlt.
Wie viel Zeit einplanen für das Slowakische Paradies?
Wandern im Slowakischen Paradies ist eines der schönsten Naturerlebnisse in der Slowakei. Hierfür könnt ihr euch ruhig Zeit nehmen. Das Wandergebiet ist groß und es gibt viele Schluchten und Sehenswürdigkeiten. Ein Tag kann zwar für die von mir empfohlene Strecke ausreichen. Ich würde euch aber empfehlen noch etwas mehr Zeit einzuplanen und noch weitere Strecken an einem zweiten Tag abwandern. So wird das Slovensky Raj auch zu eurem Paradies!
Buchtipps Slowakisches Paradies und Slowakei
Dafür dass die Slowakei kein direktes Nachbarland Deutschlands ist und hierher immer noch recht wenig deutsche Urlauber kommen, gibt es recht viele Bücher.
Dieser Wanderführer zeigt euch die besten Routen für die niedere Tatra und das Slowakische Paradies. 62 lohnende Wanderungen hat Autor und Tatra-Kenner Martin Moder in dem opulenten Rother Wanderführer „Niedere Tatra“ zusammengestellt – von leicht bis anspruchsvoll, von kurz bis ausdauernd.
Wer nicht gleich einen ganzen Wanderführer braucht, für den ist sicher eine Wanderkarte eine gute Alternative. Diese Karte ist zwar auf Slowakisch, es gibt aber alle wichtigen Informationen und die besten Routen, die auch so verständlich sind.
- Slowakei Reiseführer Michael Müller Verlag: Individuell reisen mit vielen praktischen Tipps MM-Reisen
- Produkttyp: ABIS BOOK
- Marke: Müller, Michael GmbH
Die Slowakei ist ein faszinierendes Land und man kann sich ruhig Zeit dafür nehmen auch die Städte wie Bratislava und Kosice oder die wunderschönen Berglandschaften der Hohen Tatra zu entdecken. Der Reiseführer vom Verlag Michael Müller für das ganze Land ist daher eine gute Investition.
- Frieder Monzer (Autor)
Wer die Bände der Trescher-Reihe lieber mag, den wird sicher auch der Slowakei-Band gefallen.