Jedes Jahr versammeln sich am Tag der Taufe Jesu tausende orthodoxe Christen an Seen und Flüssen in ganz Osteuropa zum Eisbaden – eine Volkstradition, die zwar nicht zu den offiziellen Sakramenten der Orthodoxen Kirchen gehört, aber aktiv gelebt wird. Man glaubt, dass das Wasser an jenem Tag heilig ist und jedem, der ins Wasser hüpft, seine Sünden vergeben werden. So richtig hat sich die Tradition erst in den letzten Jahrzehnten verbreitet, denn die Sowjetunion betrachtete die Kirche und Religion im Allgemeinen als Feind oder nach den Worten von Karl Marx als „Opium fürs Volk“.
Jedes Jahr werden in ukrainischen, belarusischen und russischen Großstädten bestimmte Orte ausgewiesen, die zum Eisbaden geeignet sind. Wasserwacht, Ärzte und Polizei sind dort immer vor Ort präsent, denn es handelt sich um eine nicht ungefährliche Veranstaltung. Immer wieder gibt es Tote, vor allem dort, wo trotz Empfehlungen auf eigene Gefahr das Eisbaden selbst organisiert wird. Und natürlich darf man nur nüchtern ins Wasser gehen. Bei den Toten handelt es sich zwar um Einzelfälle, aber auch die hätte man vermeiden können.
Zum sogenannten Sochelnik (Abend des 18. Januar), muss alles startklar sein: Das Taufbecken wird gebohrt, die Wasserqualität wird geprüft und Umkleiden werden aufgebaut. Gegen 22 Uhr findet der Gottesdienst statt und gleich danach kann es losgehen. Alle, die wollen, können je nach Ort in der Regel noch bis zum Abend des 19. Januar ins heilige Wasser eintauchen. Man geht dreimal unter Wasser und bekreuzigt sich dabei. Danach bekommt man eine Tasse heißen Tees.
Eisbaden in anderen Teilen Europas
Die Tradition wird auch von den Orthodoxen in anderen Teilen Europas gelebt – das Kloster St. Georg im brandenburgischen Götschendorf bietet jährlich Busfahrten aus Berlin für alle Orthodoxen an, die am Festtag zum Gottesdienst und danach ins Wasser wollen. Sogar im muslimisch geprägten Kasachstan tauchen am 19. Januar viele ins Wasser ein – trotz der Warnungen der Imame, dass man nach dem Eisbaden als orthodox Getaufter gilt. Im orthodoxen Armenien hingegen wird diese Tradition kaum gelebt.
Eisbaden in Serbien
Auf dem Balkan ist die Vorgehensweise eine andere. Seit 26 Jahren sammeln sich Menschen (früher nur Männer, seit Kurzem dürfen auch Frauen mitmachen) an den Flüssen und müssen 33 Meter – entsprechend der Anzahl der Lebensjahre Jesu – im eiskalten Wasser zu einem Kreuz schwimmen. Wer als erster das Kreuz berührt, nimmt es in die Hand und bringt es ans Ufer. Der Gewinner darf das Kreuz bis zur nächsten Taufe behalten und wird das ganze Jahr über von Gott beschützt – so glaubt man es zumindest in Serben.
In Odžaci war 2023 Anja Jovović die schnellste Schwimmerin, eine 20-jährige Polizistin aus dem Nachbarort Ratkovo. Ihr 11-jähriger Bruder Luka hatte es 2019 als Erster zum Kreuz geschafft. Luka war damals der jüngste Schwimmer, 2022 verstarb er. Als Anja mit dem Kreuz aus dem Wasser kam, zog sie ein T-Shirt mit einem Bild ihres Bruders und der Unterschrift „Živiš!“ (serbisch – du lebst!) an.
Eisbaden in Bulgarien
In Bulgarien wird am 7. Januar, dem sogenannten „Iwanowden“ (Tag Johannes des Täufers) gebadet. Nach bulgarischer Tradition müssen vor allem neu vermählte Ehepaare ins Wasser gehen. Die Aufgabe dies zu kontrollieren obliegt den Taufpaten, die das Paar ins Wasser schubsen sollen. Sie backen außerdem anlässlich des Iwanowden ein spezielles Brot.
Eisbaden im georgischen Batumi
Seit 2004 gibt es das feierliche Winterbaden auch im georgischen Batumi. Da die Stadt in den Subtropen liegt, gibt es hier Schnee und Eis nur in den Bergen. Dafür findet man hier aber das warme Schwarze Meer vor, das nicht einfriert. Hier bin ich auf die schönste Tauftradition gestoßen, die ich je erlebt habe. Kurz vor Mitternacht sammeln sich Gläubige vor der Kathedrale der Geburt der Jungfrau Maria und gehen gemeinsam mit den Priestern durch die Stadt zum Meer.
Die Anfang der 20. Jahrhundert errichtete neogotische Kathedrale sieht nicht wie eine klassische orthodoxe Kirche aus – sie wurde bis zum Beginn der sowjetischen Zeit als katholisches Gotteshaus genutzt. Unter den Sowjets gab es mehrere Versuche, die Kathedrale zu zerstören, was zu Protesten in der Stadt führte. Das Gebäude ist geblieben, wurde aber für andere Zwecke benutzt, u.a. als Archiv. Seit 1989 dient sie als orthodoxe Kathedrale und ist gleichzeitig der größte Sakralbau in Batumi.
Nachdem sich alle Teilnehmer am Strand versammelt und die Kerzen angezündet haben, wird gebetet – auf georgisch. Nach dem Gebet gehen erst die Priester ins Wasser und alle anderen dürfen dann auch rein.
Das Wasser im Schwarzen Meer ist im Vergleich zu dem in den meisten anderen Orten, wo anlässlich des Tages der Taufe Jesu gebadet wird, wärmer. Doch es geht nicht darum, dass man unbedingt frieren muss. Am Strand werden auch mehrere Lagerfeuer entzündet, was zu einer ohnehin gemütlichen und netten Atmosphäre beiträgt.
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