Estlands Süden – Viljandi, Tartu und der höchste Berg des Baltikums

Heute geht es in unserem Reiseblog in den Süden Estlands, wo nicht nur die zwei malerischen Städte Viljandi und Tartu, sondern auch Natur pur auf euch warten.

Inhaltsverzeichnis

Der estnische Süden dient vielen internationalen Touristen nur als Durchgangsstation auf dem Weg nach Tallinn. Einige machen zwar einen Zwischenstopp in Tartu, scheuen aber schon den Weg nach Viljandi. Warum es sich lohnt, sich diesen Teil des Landes mal genauer anzuschauen, wollen wir euch in diesem Artikel einmal genauer zeigen. Und wenn ihr noch andere Landesteile erkunden wollt: Unser Kollege Thorsten Altheide hat hier die schönsten Sehenswürdigkeiten des Landes für euch zusammengetragen.

Das ist Estlands Süden

Estlands Süden unterscheidet sich landschaftlich und kulturell teilweise deutlich von anderen Landesteilen. Vom modernen Tallinn, dem russisch geprägten Narva und den mondänen Seebädern an der Ostseeküste scheint Estlands Süden meilenweit entfernt zu sein. Zwar befindet sich hier mit der Universität von Tartu eine der bedeutendsten Bildungseinrichtungen des Baltikums, aber die Uhren gehen hier anders als im Rest des Landes und alles ist eine Spur ruhiger und entspannter. Das liegt vielleicht auch an der Landschaft, die hier nicht so flach ist wie im Norden, sondern sich durch sanfte Hügel, Flüsse, Sandsteinformationen und einsame Seen auszeichnet.

Neben den vielen kleinen Seen liegen hier aber auch die beiden größten Gewässer des Landes. Der Peipus-See ganz im Osten bildet heute die Grenze zu Russland, während sich der deutlich kleinere Võrtsjärv-See deutlich weiter im Inland befindet. Beide werden durch den Fluss Emajõgi verbunden, der auch durch Tartu fließt. Auf geht’s zu unserer Reise durch eine der idyllischsten Landschaften Estlands!

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Die Sternwarte von Tartu (Bild von Thorsten Altheide)

Tartu

Tartu kann man guten Gewissens in einem Atemzug mit bekannten Studentenstädten im Westen nennen. In Bezug auf ihr Flair unterscheidet sich die Stadt nämlich kaum von Oxford, Heidelberg oder Uppsala. Mit ihren knapp 100.000 Einwohner ist Tartu zwar recht klein, aber immerhin Estlands zweitgrößte Stadt nach Tallinn und gewissermaßen die kulturelle Wiege des Landes. Und trotzdem hat sich hier eine lebendige Alternativkultur etabliert.

Daneben gibt es aber auch viele klassische Sehenswürdigkeiten zu sehen. Besonders der Rathausplatz und der Domberg lohnen einen Besuch, aber auch sonst gibt es allerhand zu entdecken. Für uns sind das genügend Gründe, euch Tartu in einem eigenen Artikel vorzustellen.

Europäische Kulturhauptstadt 2024

Aufgrund seiner bedeutenden Kulturszene und der bedeuten Einrichtungen wie der Universität wurde Tartu für das Jahr 2024 der Titel der Europäischen Kulturhauptstadt verliehene. Dann wird die Stadt sicher aus allen Nähten platzen, plant euren Besuch also besser schon vorher.

Bild von Thorsten Altheide

Rund um den Peipus-See

Ihr habt noch nie vom Peipus-See gehört? Mit seinen 3550 km² ist er der drittgrößte See in der EU und etwa siebenmal so groß wie der Bodensee! Eigentlich besteht er aus drei Seen, einem großen See im Norden, einem sehr kleinen Gewässer in der Mitte und einem mittelgroßen See im Süden. Durch die Mitte dieser Gewässer verläuft die Außengrenze der EU, auf der anderen Seite liegt Russland.

Für die russische Geschichte ist der Peipus-See von besonderer Bedeutung, denn hier schlug der russische Fürst Alexander Newski 1242 ein alliiertes deutsches Heer und setzte so der Ostexpansion des Deutschen Ordens, über den wir euch in diesem Artikel mehr erzählen, ein Ende. Heute geht es hier aber ganz friedlich zu und der Peipus-See ist ein Paradies für Badegäste und Angler.

Zwiebelshopping bei einem Mitglied der Altgläubigengemeinde (Bild von Thorsten Altheide)

Altgläubigen-Dörfer – Unterwegs auf dem Zwiebelweg

Das Ufer des Peipus-Sees wird von einer Volksgruppe bewohnt, die Mitte des 17. Jahrhunderts aus Russland hierhin floh. Bei ihnen handelt es sich um sogenannte Altgläubige, die bestimmte orthodoxe Kirchenreformen nicht mitmachen wollten. Dies gipfelte in einer Bartsteuer (ja, ihr habt richtig gelesen), die man von ihnen verlangte. Da sie keine Steuern für ihre Bärte zahlen wollten, wurden sie wegen ihres Glaubens verfolgt. Am Peipus-See fanden die auch als „Zwiebelrussen“ bezeichneten Siedler eine neue Heimat. Hier haben sie sich ihre alte Lebensweise erhalten. Von ihrer isolierten Lebensweise könnt ihr euch heute in Kallaste, Mustvee und Nina überzeugen. Und in Kolkja gibt es sogar ein kleines Museum der Altgläubigen.

Bild von Thorsten Altheide

Alatskivi

Ein Stück westlich des Peipus-Sees befindet sich die Gemeinde Alatskivi. Der Deutschbalte Arved von Nolcken ließ sich von Schloss Balmoral in Schottland inspirieren und hier in den 1880er Jahren ein Schloss im neogotischen Stil errichten, das tatsächlich aussieht, als würde es in einem schottischen Moor stehen. Es gehört zu den schönsten Schlössern im Baltikum und wird von einem riesigen Park umgeben. Im hübsch restaurierten Schloss ist ein Museum untergebracht, das an den estnischen Komponisten Eduard Tubin erinnert.

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Dieser Aussichtsturmsturm im Haanja-Naturpark sieht aus wie ein Vogelnest (Bild von Thorsten Altheide)

Haanja-Naturpark

Der Haanja-Naturpark ist eine für Estland einmalige Naturlandschaft und widerlegt einige Stereotypen, die man vom „flachen“ Baltikum hat. Im Unterschied zu anderen Landesteilen ist die Landschaft hier nämlich ziemlich hügelig. Zwar ist der höchste Berg des Landes, der Suur Munamägi, nur 318 Meter hoch, aber steile Steigungen sind hier keine Seltenheit.

Wunderbar spazieren könnt ihr auch im Ort Rõuge im sogenannten Nachtigallental. Und Fans alter Ruinen kommen in Vana-Vastseliina unweit der russischen Grenze auf ihre Kosten, wo einst eine mächtige Bischofsburg stand. Wer sich die Mühe macht, die lange Treppe von den Ruinen hinab zu steigen, gelangt zum verwilderten Park, den der deutschbaltische Gutsbesitzer Guido Reinhold von Liphart im 19. Jahrhundert anlegen ließ.

Bild von Thorsten Altheide

Suur Taevaskoja

Nördlich der Stadt Põlva befindet sich die sogenannte „Große Himmelshalle“, die Suur Taevaskoja. Doch was verbirgt sich hinter dem malerischen Namen? Es handelt sich um einen knapp 25 hohen, gelb-roten Sandsteinaufschluss am Ufer der Ahja. Wenn man hier mit dem Kanu entlangfährt, könnte man glatt meinen, man befände sich in einer Art Mini-Grand-Canyon. Neben der Großen Himmelshalle gibt es noch eine Reihe weiterer solcher Sandsteinformationen, darunter natürlich auch eine Kleine Himmelshalle. Hier könnt ihr nicht nur Kanufahren, sondern auch wandern und Radfahren.

Bild von Thorsten Altheide

Sandsteinhöhlen und Dünen von Piusa

Unmittelbar an der russischen Grenze befindet sich noch eine weitere spektakuläre Schönheit. Durch den Abbau von Quarzsand entstand in Piusa ein unterirdisches Labyrinth, das mittlerweile von Fledermäusen bewohnt wird. Leider sind viele der Höhlen vom Einsturz bedroht, weshalb heute nicht alle zugänglich sind. Von einer Besucherplattform aus könnte ihr aber einen Teil von ihnen besichtigen. Aber auch ein Spaziergang durch die Dünen in der Umgebung der Höhlen ist ein echtes Erlebnis!

Wintersport in Otepää

Skifahren im Baltikum? In Otepää kein Problem. Die beiden Landkreise Valgamaa und Võrumaa sind seit Jahren beliebte Wintersportreviere. Otepää liegt in Valgamaa und hier befindet das Sportzentrum Tehvandi. Es wurde früher von sowjetischen Sportlern zur Vorbereitung auf internationale Wettkämpfe genutzt und in der Saison 2021/2022 soll hier erstmals auch ein Biathlon-Weltcup stattfinden. Im Sommer wird die Anlage übrigens auch für andere Sportarten genutzt. Mittlerweile trainieren hier wegen der guten Bedingungen auch viele Sportler aus Lettland und Litauen.

Diese drei Seto-Damen tragen hier ein traditionelles Leelo-Lied vor

Seto-Museum in Värska

Värska liegt unweit des Peipus-Sees und ist für das Mineralwasser bekannt, das hier abgefüllt wird. Der Ort ist aber vor allem als Heimat der Seto bekannt, die im Deutschen auch als Setukesen bekannt sind. Diese ethnische Minderheit hat sich bis heute ihre Kultur bewahrt und zählt heute noch etwa 10.000 Personen. Genau wie die Esten sprechen sie eine finno-ugrische Sprache, unterscheiden sich von der Mehrheitsgesellschaft aber durch ihren orthodoxen Glauben (Estland ist ein lutherisch geprägtes Land). Die Seto pflegen einen besonderen Gesang, das Leelo, das von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe erklärt wurde. Im Seto-Museum in Värska könnt ihr euch über die Seto und ihre Geschichte informieren.

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Blick vom Burgberg auf den Viljandi-See (Bild von Thorsten Altheide)

Viljandi

Die ehemalige Hansestadt Viljandi (dt. Fellin) zählt 18.000 Einwohner und ist damit die sechstgrößte Stadt des Landes. Auch hier stoßt ihr auf eine Burgruine, von der ihr einen wunderbaren Blick auf den gleichnamigen See habt, in dem ihr im Sommer ausgiebig baden könnt. Viljandi ist aber vor allem bekannt, da hier das Zentrum für traditionelle Musik angesiedelt ist und hier jedes Jahr ein bedeutendes Folk-Festival stattfindet. Viljandi ist also der ideale Ort, um die lokalen Musiktraditionen kennenzulernen. Von der reichen Geschichte der Stadt könnt ihr euch übrigens im Viljandi Museum einen Eindruck verschaffen.

Buch- und Filmtipps

Ihr seid neugierig geworden und wollt Estland und dessen Süden genauer kennenlernen? Dann holt euch jetzt den Reiseführer „Baltikum“, den unser Estland-Experte Thorsten zusammen mit anderen Experten im Reise Know-How Verlag veröffentlicht hat. Hier findet ihr nicht nur viele Infos zu Tartu, sondern auch zu Litauen und Lettland.

Detaillierter Reisebericht über einen Urlaub in Tartu, der auch Ausflüge in die Natur beinhaltet und sehr persönlich geschrieben ist.

In diesem Buch beschreibt die Reisejournalistin Stefanie Bisping Estland auf eine sehr persönliche Weise und zeichnet mit vielen interessanten Hintergrundgeschichten ein stimmiges Bild von Land und Leuten.

Wunderbare Doku, die Estland und all seine Naturschönheiten vorstellt.

Wildes Baltikum - Die Küste/Wälder und Moore*
  • Hauschild, Christoph (Regisseur)
  • Zielgruppen-Bewertung: Infoprogramm

Wir hoffen, euch hat unser Ausflug in den Süden Estlands gefallen. Welches ist euer Lieblingsort für einen Estland Urlaub? Lasst es uns gerne wissen und schreibt uns einen Kommentar!

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Markus Bingel hat lange in Polen, der Ukraine und Russland studiert und gearbeitet. Als Reisebuchautor zieht es ihn mehrmals im Jahr in die Länder des „Wild East“ – und noch immer ist er jedes Mal fasziniert von dieser Region. Als Co-Gründer des Blogs möchte er euch gerne die unbekannten, spannenden und immer wieder überraschenden Seiten Osteuropas vorstellen.

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