Osteuropa-Bücherschau Oktober 2023 – Die neuesten Bücher zur Region

Jeden Monat gibt es einige Neuerscheinungen von Büchern zu Osteuropa. Wir stellen die neuesten Sachbücher und auch Belletristik vor.

Inhaltsverzeichnis

Der Büchermarkt ist auch weiterhin quicklebendig, wenn es über deutschsprachige Literatur zu Osteuropa geht. Neben einigen Neuerscheinungen im September zu Russlands Krieg in der Ukraine erschienen auch eine Vielzahl an Büchern, die andere Länder in den Blick nehmen. Hier ist unsere Osteuropa-Bücherschau zu den wichtigsten Neuerscheinungen im September.

Sachbücher zu Osteuropa

Die Sachbuchlandschaft zu Osteuropa hat in den letzten Monaten beeindruckende Werke hervorgebracht, die sowohl die historische Tiefe als auch die aktuelle Dynamik der Region beleuchten. Diese Bücher bieten nicht nur Fakten und Analysen, sondern auch tiefgreifende Einblicke in die Seele und das Erbe Osteuropas. Von politischen Analysen bis hin zu kulturellen Betrachtungen laden diese Neuerscheinungen den Leser ein, die Vielschichtigkeit und Relevanz dieser oft übersehenen Region zu erkennen.

„Krieg und Sühne: Der lange Kampf der Ukraine gegen die russische Unterdrückung“ von Mikhail Zygar

Mikhail Zygar ist ein angesehener russischer Journalist, der seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Exil in Berlin lebt. In deutscher Übersetzung ist nun sein Buch „Krieg und Sühne – Der lange Kampf der UKRAINE gegen die russische Unterdrückung“ erschienen. Das Buch ist in zwei Teile untergliedert. Im ersten Teil geht es um sieben Geschichten kolonialer Unterdrückung der Ukraine. Historische Figuren wie Bohdan Chelmnyzkyj, Iwan Masepa und Katharina die Große spielen dabei eine maßgebliche Rolle. Im zweiten Teil geht es dann um sieben aktuelle Geschichten über Unterdrückung in der Ukraine. Zygar erzählt unter anderem wie Leonid Krawtschuk die Sowjetunion zerstört hat, wie Putin die Saat für die Orange Revolution säte und wo bei Wolodymyr Selensky der Spaß aufhört.

„Russland von Innen – Leben in Zeiten des Krieges“ von Paul Krisai und Miriam Beller

Was ist in Russland geschehen, seit das Land die Ukraine im Februar 2022 überfallen hat? Die beiden ORF-Korrespondenten Paul Krisai und Miriam Beller erzählen darüber in ihrem Buch. Dafür interviewten sie inhaftierte Oppositionelle per Gefängnispost, haben mit ukrainischen Flüchtlingen in Russland gesprochen und haben neben Russland auch Georgien, Belarus und Kasachstan bereist, um zu verstehen, wie grundlegen der Krieg das Land und seine Nachbarn verändert hat.

„Lexikon für Putin-Versteher“ von Thomas Urban

Viel zu viele pro-russische Propaganda-Narrative kursieren auch im Westen. Der deutsche Journalist Thomas Urban setzt dem mit seinem Buch „Lexikon für Putin-Versteher“ etwas entgegen. Gab es in Kiew einen faschistischen Putsch? Hat die Nato Russland gezielt eingekreist? War die Krim „urrussische Erde“? Auf diese und viele weitere Fragen gibt Urban in seinem Lexikon, das mit A wie Abchasien anfängt und mit Z wie Zweiter Weltkrieg endet, Antworten.

„Nicht einen Schritt weiter nach Osten: Amerika, Russland und die wahre Geschichte der Nato-Osterweiterung“ von Mary Elise Sarotte

In sehr wichtiges Buch zur Nato-Osterweiterung hat die US-amerikanische Historikerin Mary Elise Sarotte geschrieben. Im englischen Original ist es bereits seit August 2021 erhältlich, mehr als zwei Jahre später erscheint endlich die deutsche Übersetzung. In ihrem Buch räumt sie mit dem Mythos vom angeblichen Versprechen auf, der Westen habe versprochen, die Nato würde sich nicht nach Osten ausdehnen. Sarotte sagt in einem Interview, dass sie beim Recherchieren selbst sehr überrascht war, wie früh bereits die Ukraine bei den Nato-Gesprächen eine Rolle gespielt hat. Wer grundlegend mal erfahren will, was es mit dieser Nato-Osterweiterung auf sich hat, sollte dieses Buch unbedingt lesen.

„Putins Helfer – Die Hintermänner der russischen Diktatur“ von Guido Knopp

Wladimir Putin ist der uneingeschränkte Alleinherrscher in Russland. Aber auch er hat Hintermänner, die sein System stützen. Mit diesen Männern hat sich der Historiker Guido Knopp in seinem neuesten Buch „Putins Helfer“ beschäftigt. Es geht unter anderem um den Oligarchen Roman Abramowitsch, den Außenminister Sergej Lawrow sowie den Patriarchen Kyrill der Erste.

„Meine Mutter hätte es Krieg genannt“ von Vera Politkowskaja und Sara Giudice

Vera Politkowskaja, die Tochter der im Jahr 2006 ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja, hat ein Buch herausgebracht. Darin erzählt sie „persönlich, bewegend und erschreckend aktuell“ über das ganze Leben ihrer Mutter. Anna Politkowskaja war eine mutige Journalistin, die unerschrocken über die Brutalität des Tschetschenienkrieges schrieb und sich so zur Zielscheibe Putins machte. Ihre Tochter legt „die Mechanismen des russischen Machtapparats offen und rückt unsere aktuellen politischen Debatten in ein neues Licht“.

„Gestohlene Leben: Die verschleppten Kinder der Ukraine – 20 bewegende Schicksale“ von Wladimir Klitschko und Tatjana Kiel

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine bringt nicht nur Zerstörung und Tod. Tausende von Kindern wurden nach Russland verschleppt. Nur wenige konnten bislang zurückkehren. Der Ukrainer Wladimir Klitschko erzählt mit Tatjana Kiel über das Schicksal dieser Kinder, über dramatische Fälle und glückliche Rettungen.

„Die chauvinistische Bedrohung: Russlands Kriege und Europas Antworten“ von Sabine Fischer

Die deutsche Politikwissenschaftlerin Sabine Fischer widmet sich in ihrem Buch den Hintergründen für den Vernichtungskrieg gegen die Ukraine. Dazu müsse man den russischen Chauvinismus verstehen. Denn nationalistische und misogyne Ideen dienen dem Putin-Regime zur Selbstlegitimation. Der russische Chauvinismus betrachte – so die Autorin – alles, was mit Liberalismus zu tun hat, als feindlich. Wie dieser Chauvinismus in Russland mit dem aggressiven Nationalismus und der Autokratie zusammenhängt, will Fischer in ihrem Buch erklären. Und auch, was Europa dagegen tun muss.

„Lenin: Die Biografie. Eine Neubewertung“ von Verena Moritz und Hannes Leidinger

Im September ist eine neue Lenin-Biografie erschienen. Darin erzählen die Historiker Verena Moritz und Hannes Leidinger über den Begründer der Sowjetunion. Werdegang und Denken Lenins stehen dabei im Zentrum. Sie wollen „überraschende Erklärungen“ dafür anbieten, wie es dem Mann gelang zum Führer des ersten sozialistischen Staates aufzusteigen. Moritz und Leidinger haben dafür umfassend Originaldokumente verwendet. Dadurch soll ein „neues, vielschichtiges Lenin-Bild“ entstehen, das „die Geschichte eines Einzelgängers in einer Welt im Umbruch erzählt“.

„»Wie ein Lichtstrahl in der Finsternis«: Briefe von Frauen aus der Ukraine an die freie Welt“ von Aurélia Bros

38 Frauen im Alter von 10 bis 72 Jahren haben Briefe an die Welt geschrieben, die in dem Buch von Aurélia Bros zusammengetragen wurden. Drei Ukrainerinnen waren unterwegs um alle Mädchen und Frauen zu fotografieren. In den Briefen kommt die ganze Wucht, Dichte, der Schmerz, die Kraft und die Kompromisslosigkeit zum Vorschein.

„Befreiungskrieg: Nationsbildung und Gewalt in der Ukraine“ von Anna Veronika Wendland

Die Osteuropahistorikerin Anna Veronika Wendland hat ein Buch zur Geschichte der Ukraine herausgebracht. Von den Anfängen im Mittelalter über die Staatsbildungsversuche in der frühen Neuzeit bis ins 20. und 21. Jahrhundert erzählt sie, wie die Ukraine das geworden ist, was ist sie. Von den Wurzeln der ukrainischen Nation im alten Kyjiw, der Kosakenrepublik im 17. und 18. Jahrhundert sowie der nationalen Bestrebungen im 19. Jahrhundert, der Sowjetukraine im 20. Jahrhundert bis zur jetzigen Krieg Russlands. Zum Schluss gibt sie einen Ausblick, wie die Zukunft der Ukraine aussehen könnte.

„Die Frau, die gegen den Strom schwamm: Reportagen“ von Christian Schüller

Der österreichische Journalist Christian Schüller schreibt in seinem Buch über die russische Dichterin und Menschenrechtlerin Natalja Gorbanewskaja (1936 – 2013). Als Russland den Prager Frühling unterdrückte, protestierte sie auf dem Roten Platz. Ein Jahr später wurde sie festgenommen und in eine Psychiatrie gesteckt. Später lebte sie in Paris und schrieb für russischsprachige Zeitungen. Mit seinem Werk „Die Frau, die gegen den Storm schwamm“ erinnert Schüller an diese mutige Frau.

„Sonjas Rapport“ von Ruth Werner

Die Autobiografie von Ursula Kuczynski ist erstmals bereits 1977 erschienen, dann nochmal 2006 in einer erweiterten Fassung. Im September 2023 erscheint eine weitere Neuausgabe von „Sonjas Rapport“. Neu hinzugekommen ist das Kapitel Atomspionage. Kuczynski, die später unter dem Pseudonym Ruth Werner als Autorin arbeitete, beschreibt dort ihr Leben als Spionin mit dem Decknamen Sonja. In Berlin geboren, geht sie mit ihrem Mann 1930 nach Shanghai, lernt dort einen Top-Spion kennen, geht zur Ausbildung als Funkerin nach Moskau. Für Stalin ist die dann in der Mandschurei, Polen, der Schweiz und England unterwegs.

„Wendepunkte: Am Übergang zum autoritären Jahrhundert“ von Ulrich Menzel

Der Politikwissenschaftler Ulrich Menzel analysiert in seinem Buch „Wendepunkte: Am Übergang zum autoritären Jahrhundert“ die aktuellen weltpolitischen Ereignisse. Putin hat mit seinem Krieg die internationale politische und wirtschaftliche Ordnung über den Haufen geworfen. Alte Erklärungsmodelle funktionieren nicht mehr. Die Welt kehrt zurück zur Anarchie der Staatenwelt und des Autoritären. Ob wir zu einem Übergang vom liberalen amerikanischen zum autoritären chinesischen Jahrhundert stehen und wie sich Europa und Deutschland darin positionieren sollen, darauf will Menzel in seinem Buch Antworten geben.

„Zusammen wachsen: Starke Stimmen für Europa“ von Alexandra von Poschinger und Florian Eichinger

Um das Dreiländereck Deutschland-Österreich-Tschechien geht es in dem Buch „Zusammen wachsen: Starke Stimmen für Europa“ der Journalisten Alexandra von Poschinger und Florian Eichinger. Jahrzehnte lang verlief dort der Eiserne Vorhang. Was hat sich seitdem getan. In Essays und Reportagen porträtieren von Poschinger und Eichinger die Menschen, die dort leben, schreiben über Landschaften und Jahreszeiten, über Dörfer und Städte. Auch prominente Persönlichkeiten kommen dort zu Wort, die auf gesellschaftlich relevante Fragen zu Europa antworten wissen. Eichinger liefert zu den Reportagen auch noch die passenden Fotografien.

„Slowenien, meine lichte Heimat: Auf den Spuren von Alma M. Karlin zu den malerischsten Orten Sloweniens“ von Jerneja Jezernik

Wer gerne nach Osteuropa reist, für den ist vielleicht das neue Buch von Jerneja Jezernik etwas. Sie schreibt darin über Alma K. Karlin, die durch ihre Reiseliteratur aus den 1930 Jahren sehr bekannt wurde. Ihre Reisen in ihre Heimat Slowenien sind hingegen weniger bekannt. Anhand Karlins Reiseliteratur geht es durch Slowenien. Etwa nach Celje, eine einstige Fürstenstadt, oder zur malerischen Burg Obercilli. Oder zu den Bergdörfern Pecovnik und Svetina. Das Buch bietet viele Insidertipps und echte Natur- und Wandererlebnisse.

„Zug um Zug durch Europa: Von Nachtzügen, Speisewagen und den schönsten Bahnhöfen“ von Jarislav Rudiš

Und wer von Jezerniks Buch noch nicht genug hat, der kann ja gleich mit Rudišs Buch „Zug um Zug durch Europa“ weitermachen. Das Zugfahren liegt ihm im Blut. In seiner Familie gibt es Weichensteller, Fahrdienstleiter und Lokführer. Es geht von Berlin bis zum Gotthardtunnel, von Sizilien bis nach Lappland. Und mit dem Nachtzug durch Polen und die Ukraine, und im Speisewagen von Hamburg nach Prag. Das großformatige Buch ist mit 160 Fotos bebildert.

„Traumland: Der Westen, der Osten und ich“ von Adam Soboczynski

Adam Soboczynski ist deutscher Journalist mit polnischen Wurzeln. Als kleiner Junge kam er von Polen nach Deutschland. Später geht sein Blick immer wieder nach Osten. Doch nach einer Blütephase nach dem Fall des Eisernen Vorhangs werden die Länder westlich von Deutschland wieder bedroht. Und auch in Deutschland ist die Freiheit in Gefahr. Soboczynski hat – wie es im Klappentext heißt – ein heiteres, melancholisches, kluges und gegenwärtiges Buch geschrieben.

„Putin Takes Crimea 2014 – Grey-zone warfare opens the Russia-Ukraine conflict” von Mark Galeotti

Da mir nicht besonders viele Bücher bekannt sind, die sich schwerpunktmäßig mit der Annexion der Krim, beziehungsweise, was genau auf der Insel damals passiert ist, beschäftigen, habe ich das neue Buch des britischen Historikers Mark Galeotti in mein September-Update aufgenommen. Darin analysiert Galeotti, wie Putins Russland 2014 die Krim eroberte und dabei Techniken der Grauzonen-Kriegsführung einsetzte, also kombinierte Operationen anonymer Spezialeinheiten mit Cyberangriffen, Sabotage und Propaganda.

„Krieg geht viral: Visuelle Kultur und Kunst im Ukraine-Krieg“ von Elena Korowin

Die Kunsthistorikerin Elena Korowin beschreibt in ihrem Buch die künstlerischen Reaktionen, die Russlands Krieg gegen die Ukraine hervorgerufen hat. Mit ihrem Buch will sie „profunde Einsichten zum Wesen des Krieges in der digitalen und urbanen Kultur“ liefern. Den Inhaltsverzeichnis nach beschäftigt sie sich mit Aspekten wie Tagebüchern von Yevgania Belorusets oder Alevtina Kakhidze, mit ukrainischer Kunst der R.E.P.-Gruppe, Woman at War oder Dana Kavelina und Olia Fedorova. Auch geht es in ihrem Buch um Memes, NFTs und Street Art.

„Das Universum hinter dem Stacheldraht: Memoiren eines sowjet-ukrainischen Dissidenten“ von Myroslaw Marynowytsch

Myroslaw Marynowytsch, mittlerweile 74 Jahre alt, ist ein ukrainischer Journalist, Mitbegründer der ukrainischen Helsinki-Gruppe, einer Menschenrechtsorganisation, ehemaliger politischer Gefangener und Präsident der ukrainischen Vereinigung von Amnesty International. In diesem Buch erzählt er über das Leben im sowjetischen Kyjiw. Auch berichtet er über das Leben im Lager „Perm-36“. Der aktuelle Invasionskrieg in die Ukraine spielt in seinem Buch ebenfalls eine Rolle. Marynowytsch gibt zudem einen Ausblick auf die Zeit nach dem Krieg.

„Steppengras und Stacheldraht: Eine Geschichte der chinesisch-russischen Grenze“ von Sören Urbansky

Sören Urbansky ist ein deutscher Historiker und Kenner des Kulturbereichs zwischen China und Russland. Vor zwei Jahren brachte er sein Buch „An den Ufern des Amur. Die vergessene Welt zwischen China und Russland“ heraus, für das er vom Baikalsee bis zum Japanischen Meer gereist ist. Nun erscheint ein neues Werk, in dem er sich wieder der chinesisch-russischen Grenze widmet. Wie hat sich diese Grenze im Laufe der Geschichte verändert? Wie haben die Menschen in der Grenzregion gelebt? Urbansky nimmt uns mit auf mehrere Jahrhunderte Zeitgeschichte und hat dazu viele bislang unbekannte Quellen ausgewertet.

„Was ist Flucht?: Warum Europa helfen muss“ von Susanne Scholl

Die österreichische Journalistin Susanne Scholl bringt in letzter Zeit eine Reihe meinungsstarker kleiner Büchlein heraus. Nach „Über einen notwendigen Krieg: Warum das System Putin besiegt werden muss“ im März 2023 kommt im September nun „Was ist Flucht?: Warum Europa helfen muss“ in die Buchhandlungen. Scholl war im Mai 2023 auf dem Balkan, um sich ein Bild zu machen und selbst zu erfahren, aus welchen Lebenssituationen die Migranten kommen, wie es ihnen geht und wovon sie träumen.

„Mädchen und Institutionen: Geschichten aus dem Totalitarismus | Eine Feministin gegen Putins Russland“ von Darja Serenko

Darja Serenko ist Dichterin und Aktivistin. In ihrem Buch befinden sich literarische Erzählungen aus der unmittelbaren Vorkriegszeit und nach dem Kriegsbeginn. Es sind lakonische Geschichten von den vielen jungen Frauen, die ihr Dasein in den staatlichen Kultureinrichtungen fristen. Eine patriarchale Welt voller Misogynie, Bürokratie und Intrige. Einige Texte entstehen in der Gefängniszelle.

„Kennst du das Haus: Weltenweite Reisejahre. Die Lebensromane“ von Galsan Tschinag

Galsan Tschinag ist ein aus der Mongolei stammender deutscher Schriftsteller. In diesem Buch befinden sich Reportagen aus den jungen Jahren des mittlerweile 79-Jährigen. Er war in Vietnam, Kambodscha, Moskau, Kasachstan und Deutschland unterwegs. Zu Beginn der Perestroika ist in der Mongolei als Redakteur vor Ort.

“The Matryoshka Memoirs: A Story of Ukrainian Forced Labour, the Leica Camera Factory, and Nazi Resistance” von Sasha Colby

Irina Nikifortchuk, die Großmutter der Autorin wurde zur Zwangsarbeit in die Leica-Kamerafabrik nach Nazi-Deutschland verschleppt. Sie arbeitete als Hausangestellte bei der Leica-Familie. Sasha Colby begibt sich in ihrem Buch auf die Suche nach der Geschichte ihrer Großmutter. Und entdeckt dort trotz all der Schrecken auch Geschichten voller Leben, Humor, Essen und der Freude über die gewöhnliche Sicherheit in Kanada.

„Byzanz: Das Neue Rom und die Welt des Mittelalters“ von Johannes Preiser-Kapeller

Wer seinen geschichtlichen Horizont etwas erweitern will, für den ist vielleicht das „Byzanz“-Buch des österreichischen Historikers und Byzantinisten Johannes Preiser-Kapeller etwas. In seinem Werk erzählt er die Geschichte des Reiches von seinen Anfängen im 4. bis zu seinem Ende im 15. Jahrhundert. Und auch die Slawen spielen in seinem Buch eine Rolle. So gibt es etwa ein Kapitel mit dem Titel „Der ungeliebte Reformer und die Bulgaren“. Für Geschichtsinteressierte sicher ein sehr lesenswertes Buch.

„Putins Netz – Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste“ von Catherine Belton

Und das hervorragende Buch von Catherine Belton ist in diesem Monat nun in der günstigeren Taschenbuch-Ausgabe erschienen. Von Osteuropahistorikern erhielt das Buch große Anerkennung. Belton spürt in dem Buch nach, was der KGB in den 80er Jahren und darüber hinaus getan hat, um auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion an der Macht zu bleiben und wie sich deren Agenten im Westen festgesetzt haben.

„»Wichtiger als unser Leben«: Das Untergrundarchiv des Warschauer Ghettos“ von Ulla-Britta Vollhardt und Mirjam Zadoff

Was hier in diesem Buch beschrieben wird, ist nichts weniger als UNESCO-Weltkulturerbe. Eine Gruppe mit dem Decknamen Oneg Schabbat (Freude des Schabbat) hat im Warschauer Ghetto während der Nazi-Okkupation das Geschehen des Alltags festgehalten und die Mitglieder der Gruppe, darunter der Historiker Emanuel Ringelblum, sind damit unwissentlich zu Chronisten der Shoa geworden. 35.000 Seiten sind erhalten.

„Das Ende der Beneš-Republik: Das Münchener Abkommen und die tschechische Kollaboration im Protektorat Böhmen und Mähren“ von Emanuel Moravec

Für Geschichtsinteressierte ist vielleicht das folgende Buch etwas. Emanuel Moravec war ein hochrangiger tschechischer Militär. Nach dem Münchner Abkommen 1938 war er schwer enttäuscht über das Vorgehen Großbritanniens und Frankreichs und brachte seinen Frust zu Papier. Bislang schlummerten seine Texte nur in Archiven, die mit diesem Werk nun in deutscher Sprache erscheinen.

„Wir sind nicht alle: Der globale Süden und die Ignoranz des Westens“ von Johannes Plagemann und Henrik Maihack

Konkret um Osteuropa geht es in diesem Buch zwar nicht. Doch was in diesem Buch erzählt wird, hängt indirekt mit Russlands Krieg in der Ukraine zusammen. Denn Länder wie Indien oder Südafrika teilen nicht die Meinung des Westens zu Russlands Krieg. Das Buch könnte durchaus interessant sein, um die Motive und Standpunkte des Globalen Südens in der heutigen Zeit besser zu verstehen.

„Der Schmuggler Gottes: Er wusste nie, ob hinter der Grenze Tod oder Leben auf ihn wartete“ von Bruder Andrew

Das Buch ist keine wirkliche Neuerscheinung im September 2023. Es erschien bereits vor mehreren Jahrzehnten. Da es vom Verlag SCM Hänssler nun (in neuer Auflage) wieder herausgebracht hat, will ich es aber trotzdem in meiner Liste mit aufnehmen. Der Niederländer Anne van der Bijl (auch Bruder Andrew genannt) hat während des Kalten Krieges Bibeln in den Ostblock geschmuggelt, was ihm den Spitznamen „Schmuggler Gottes“ eingebracht hat. In diesem Buch erzählt Bruder Andrew von seinem Leben.

Neue Belletristik aus Osteuropa

Hier möchten wir mal die Romane kurz vorstellen, die im August 2023 erschienen sind und mehr oder weniger einen Bezug zu Osteuropa haben. Osteuropäische Romane haben stets eine besondere Faszination ausgeübt, sind geprägt von lebendigen Charakteren, fesselnden Handlungssträngen und oft einem Hauch von Melancholie. Die jüngsten literarischen Beiträge aus dieser Region sind keine Ausnahme und entführen den Leser in Welten, die von traditionellen Dörfern bis zu pulsierenden Metropolen reichen. Dabei sind nicht nur Autoren aus Osteuropa, sondern auch aus dem Westen, die über Osteuropa schreiben.

„Splitter eines Lebens“ von Gašper Kralj

Hauptfigur des Buches ist ein slowenischer Übersetzer, der sich auf die Suche nach der Vergangenheit seiner Großmutter begibt. Er lernt eine Frau in Barcelona kennen, die ihn animiert, die Geschichte aufzuschreiben. Es entwickelt sich eine Fernbeziehung zwischen diesen beiden doch sehr unterschiedlichen Charakteren. Daraus entspinnt sich eine seltsame Beziehung. Ein komplexer Roman, in der der slowenische Autor Kralj immer wieder das große Ganze infrage stellt.

„Ein Tiger im Keller – Historischer Kriminalroman“ von Abo Iaschaghaschwili

Ein Krimi, der in Osteuropa spielt. Ende des 19. Jahrhunderts in Tiflis. Eine Leiche auf einem Friedhof mit seltsamer Tätowierung bringt drei Ermittler auf den Plan. Ein russischer Polizeibeamter, ein Ire und ein Franzose wollen den Fall genauer untersuchen und kommen zu drei unterschiedlichen Lösungen. Der Roman soll zahlreiche literarische Anspielungen haben und ein farbiges Porträt der georgischen Hauptstadt bieten.

„Zwei Monde“ von Maria Kuncewiczowa

Die polnische Schriftstellerin Maria Kuncewiczowa ist im Jahr 1989 gestorben. Mit „Zwei Monde“ ist eine ihrer früheren Werke nun in deutscher Übersetzung erschienen. Mit dem Roman setzt sie dem Weichselstädtchen Kazimierz Dolny ein Denkmal. In 20 Kapiteln wirft sie einen Blick auf die Gesellschaft in dem Ort. Etwa durch Figuren wie der Bettlerin Agata, der Schneiderin Walentyna, des blinden Hirten Michał und des jüdischen Eisenhändlern Mistig.

„Das Ende der Welt dürfte nicht stattgefunden haben“ von Patrik Ourednik

Patrik Ourednik wurde 1957 in der Tschechoslowakei geboren und emigrierte 1984 nach Paris. In seinem neusten in deutscher Sprache erschienen Buch geht es um einen Tschechen, der auf Französisch schreibt. Und zwar über die ganze Welt. Dabei soll eine fröhliche Apokalypse herausgekommen sein, ein zerbrochenes Spiegelbild unserer Epoche. Ein Buch, das eine Vielzahl von witzigen Details und ätzenden Kommentaren enthält.

„Christo und die freie Liebe“ von Georgi Tenev

Der Name des Autors lässt es schon erahnen. Das Buch hat mit Bulgarien zu tun. Zumindest mit einem Bulgaren, der in die USA reist, nach New York. Eigentlich auf Dienstreise, will er seine verlorene Liebe wiederfinden, ein Mädchen, das nach dem Fall der Mauer in die USA auswanderte. Der Name Christo im Titel kommt von dem berühmten bulgarischen Künstler, der zum 10. Jahrestag von 9/11 die wiederaufgebauten Zwillingstürme verhüllen will. Die Hauptfigur hat aber Angst vor einem erneuten Anschlag.

„Rosenroman“ von Zoltán Danyi

Der Roman spielt in Serbien. Der Erzähler ist dem Armeedienst entgangen und arbeitet in den frühen Neunzigern auf der Rosenfarm seines Vaters. Während des Krieges transportiert er die Pflanzen nach Westen. Jahre später werfen ihn eine schwere Krankheit und eine Beziehungskrise aus der Bahn.

„Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik“ von Drago Glamuzina

Der kroatische Schriftsteller Drago Glamuzina hat ein Buch geschrieben, bei dem ich nicht genau sagen kann, wie viel (Süd)Osteuropa dort eigentlich drinsteckt. Es geht um 14 Menschen, die sich zu einer rauschhaften Abendgesellschaft in dem Haus des Schriftstellers versammelt haben und sich ihre Geheimnisse erzählen. Die sie sich am Ende wohl lieber nicht erzählt hätten. Am nächsten Morgen haben aber alle alles wieder vergessen – bis auf einen.

„Alissa kauft ihren Tod: Erzählungen“ von Ljudmila Ulitzkaja

Kennern russischer Literatur muss man Ulitzkaja nicht mehr vorstellen. Sie gehört zu den bekanntesten Schriftstellerinnen Russlands. Ihr Werk „Alissa kauft ihren Tod: Erzählungen“ ist bereits im Februar 2022 erschienen, nun kommt die Taschenbuch-Ausgabe raus. 21 Erzählungen sind in diesem Buch zu lesen. Etwa: Eine Aserbaidschanerin und eine Armenierin überwinden in einer langjährigen Liebesbeziehung die Feindschaft ihrer Völker. Eine junge Moskauerin wird mit einem Iraker verkuppelt und findet ihr Glück im englischen Exil. Und eine Frau verpuppt sich und wird zum Schmetterling.

„Die Enkelin“ von Lisa Mundt

Ein Roman, bei dem man durch den Titel, Autorenname und das Cover erstmal nicht an Osteuropa denkt. Er spielt in einem österreichischen Dorf. Eine Enkelin muss sich um ihren dementen serbischen Großvater kümmern. Dabei gibt es wohl einiges aufzuarbeiten. In dem Roman geht es um den serbischen Hintergrund der Familie und die damit einhergehenden Migrationserfahrungen.

„Aprikosenzeit, dunkel“ von Corinna Kulenkamp

Menschen, die sich für Armenien interessieren: Aufgepasst! Das Buch könnte was für euch sein. In dem Roman geht es um Karine, in Deutschland aufgewachsen, mit armenisch-deutschen Wurzeln. Im Studium verliebt sie sich in Frederick, doch als dieser beim Familienessen nicht für sie einsteht, als der Genozid an den Armeniern geleugnet wird, kommt es zum Bruch. Alltagsrassismus, Orientierungslosigkeit im Studium und ein Gespräch mit ihrer armenischen Großmutter bringen Karine dazu, nach Armenien zu gehen und für eine kleine NGO zu arbeiten. Und so ein ihr fremdes, postsowjetisches, korruptes und patriarchalisches Land kennenzulernen.

„Zarentod: Das Ende des Präsidenten“ von Jörg H. Trauboth

Hat der Autor an Putin gedacht, als er seinen Thriller geschrieben hat? Gut möglich. In „Zarentod: Das Ende des Präsidenten“ erzählt Jörg. H. Trauboth vom russischen Präsidenten und neuen Zaren Iwan Pavlenko, der Krieg gegen die Ukraine führt und den Krieg gegen die Nato will. Der Oligarch Alexei Sokolow hat den Plan, den Präsidenten zu ermorden und will einen Neuanfang für Russland. Als sein Plan zu scheitern droht, greift der Ex-Elitesoldat Marc Anderson ein.

„Hundert Jahre Blindheit“ von Roman Rozina

In diesem Roman geht es nach Slowenien. Es handelt vom Aufstieg und Niedergang einer Familie am Vorabend der Moderne. Hauptfigur ist Matija, der am 24. Mai 1900 blind zur Welt kommt. Der Grundbesitz der Familie wird dann noch von einem Unwetter zerstört und die Familienmitglieder müssen sich in einer neu entstandenen Bergbausiedlung als Arbeiter verdingen. Die Industrialisierung befördert den sozialistischen Arbeiterkampf und die Emanzipationsbewegung wirft alte Familienstrukturen über den Haufen. Und dann stehen im 20. Jahrhundert noch zwei große Kriege an.

„Kirchstetten“ von Kurt Leutgeb

Das Buch ist bereits 2011 erschienen, nun gibt „Kirchstetten“ von Kurt Leutgeb in einer bearbeiteten Neuausgabe. Der Ort Kirchstetten scheint der Nabel der Welt zu sein, drei Geschichten über Ost und West bietet der Autor an. Einmal reist 1972 der Dichter Breschnew mit einem israelischen Visum über Wien aus der Sowjetunion aus. 1965 patrouillieren Jerofejew, Brodsky und Stus als sowjetische Soldaten an der österreichischen Grenze. Und 2002 stoßen über einem kleinen Ort an der österreichisch-tschechischen Grenze zwei Flugzeuge zusammen.

„Kajzer – Mein Familienerbe und das Abenteuer der Erinnerung“ von Menachem Kaiser

Der in den USA geborene Autor Menachem Kaiser bringt hier sein Erstlingswerk heraus. Die Geschichte seiner Familie interessierte ihn erst, als er in ein ehemaliges schlesisches Industriegebiet nach Polen kam, in dem seine Vorfahren ein Mietshaus besaßen, bis die Nazis es ihnen weggenommen haben. Eine Wiedergutmachung gab es nicht. Kaiser forscht nun nach seiner Familiengeschichte in Polen und so kommen sich Vergangenheit und Gegenwart in diesem Buch sehr nahe.

„Trotz alledem“ von Maruša Krese

Nach Slowenien beziehungsweise nach Jugoslawien führt uns der Roman von Maruša Krese. Die Dichterin und Journalistin erzählt in ihrem Werk die „unmöglich lineare Geschichte ihrer Eltern und ihrer eigenen Generation“. Unter anderem von slowenischen Partisaninnen und Partisanen im Zweiten Weltkrieg, über den Alltag im jugoslawischen Sozialismus sowie Studierendenprotesten. Der Beschreibung auf der Rückseite verspricht: „Ein Roman über die Frage, was Menschen tun und was ihnen widerfährt, wenn Staaten und Länder entstehen und zerfallen, wenn die Sieger die Geschichte schreiben.“

*  – dieser Link ist ein Partnerlink. Wenn Ihr hierüber etwas kauft oder bestellt, bekommen wir eine kleine Provision. Euch kostet das keinen Cent extra und wir können weiter neue Beiträge für euch schreiben. Danke für eure Unterstützung!

Thomas Leurs hat in Heidelberg und Köln Slawistik studiert und arbeitet als Journalist. Er arbeitet als Redakteur bei der Rhein-Zeitung im nordwestlichen Teil von Rheinland-Pfalz. Seine Leidenschaft ist das Lesen – vor allem Bücher zu osteuropäischen Themen. Auf Twitter gibt er durch seine Rezensionen Einblicke in Kultur, Geschichte und Politik und der Region.

Andere interessante Artikel

Hat sich etwas an den Informationen geändert? Habt ihr Hinweise oder Fragen? Wir freuen uns auf euren Kommentar!

Diesen Beitrag Teilen
0 0 votes
Artikelbewertung
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments

Für Echte Fans

Unser wöchentlicher Newsletter für echte Osteuropafans