Užupis – Spaziergang durch die Republik der Künstler

Užupis ist nicht nur ein Stadtviertel von Vilnius. In der Republik Užupis regiert der Freigeist. Die Verfassung gibt das Recht glücklich zu sein – oder nicht.

Inhaltsverzeichnis

Heute gibt es einen Grund zu feiern und glücklich zu sein und das trotz dessen, dass es in der Europäischen Union heute eine Grenze gibt. Denn der 1. April ist der Staatsfeiertag der Republik Užupis. Noch nie gehört? Kaum verwunderlich. Denn die kleine Republik im Herzen der Stadt Vilnius wird von keinem Land der Welt offiziell anerkannt. Allerdings braucht ihr vor ihr auch keine Angst haben: Sie ist kein von Russland unterstützter Hort schwer bewaffneter Separatisten. Ganz im Gegenteil, denn die Republik Užupis hat sich dazu verpflichtet, als einziges Land der Welt auf Gewaltausübung zu verzichten. Dazu wurde die ursprünglich aus 11 Mann bestehende Armee sogar wieder aufgelöst. Doch warum gibt es sie überhaupt und was soll das? Wir erklären es euch.

Užupis Hinterhöfe
Heute sind die Hinterhöfe von Užupis in einem viel besseren Zustand.

Užupis – Das einstige Armenhaus von Vilnius

Užupis – Litauisch für „hinter dem Fluss“, war einst ein Stadtteil von Vilnius der als arm besonders arm galt. Viele Juden wohnten hier, abgetrennt vom Rest der Stadt Vilnius. Bis zum 16. Jahrhundert gab es nicht einmal ein Brücke die die Stadt mit Užupis verband. Selbst zu Zeiten der Sowjetunion hatten viele Häuser keinen Stromanschluss, nur wenige waren überhaupt an die Kanalisation angeschlossen.

Doch das Viertel hatte einen großen Vorteil: Es lag sehr nah an der Kunstakademie. Viele der Kunststudenten zogen deshalb hierher. Als Litauen unabhängig wurde, blieben einige der Künstler hier wohnen. Als die 1990er Jahre das Viertel zu einem Drogen- und Kriminalitätshotspot machten, musste etwas geschehen.

Užupis Unabhängigkeitstag
Hier versammeln sich Besucher zu den Feierlichkeiten zum Tag der Unabhängigkeit.

Grenzkontrolle nur am 1. April

So kam es, dass an einem Abend im Jahre 1998 Romas Lileikis und Tomas Čepaitis zusammensaßen und etwas gegen den schlechten Ruf ihres Viertels unternehmen wollten. Sie wollten dem Viertel eine eigene Identität geben, schrieben eine Verfassung und gründeten kurzerhand die Republik auf einer Fläche von etwas unter einem Quadratkilometer. Lileikis ist heute der Präsident der Republik und Čepaitis der Außenminister.

Die Brücke über den Fluss Vilnia bildet den Grenzübergang in die Republik Užupis. Deswegen steht hier auf das Willkommensschild für Besucher der Republik. Jedes Jahr am 1. April, dem Staatsfeiertag, gibt es daher sogar eine Grenzkontrollstelle, an der Besucher sich den Pass stempeln lassen können. Das ist übrigens aber keine so gute Idee, denn ich habe mir den Pass einmal stempeln lassen, was mir danach an einigen Grenzen den Übergang schwer gemacht hat.

Uzupis
An der Wand der Verfassung ist Verfassung von Užupis in rund 40 Sprachen angebracht. Weitere werden folgen.

Die schönste Verfassung der Welt

In der Republik Užupis geht es nicht darum, sich mit Waffengewalt für eigenständig zu erklären. Vielmehr soll die Republik Besucher daran erinnern, frei zu denken und das Leben mit Humor zu nehmen. In diesem Sinne ist auch die Verfassung der Republik Užupis 1998 geschrieben worden. Wie sie genau entstanden ist und wer welchen Artikel genannt hat, daran können sie sich heute nicht mehr erinnern – auch weil der Abend recht alkoholreich gewesen sein soll.

Am Ende standen jedoch 41 Artikel auf dem Papier. So heißt es in der Verfassung unter anderem, dass jeder Mensch das Recht hat glücklich zu sein. Wie bei den meisten Artikeln der Verfassung wird jedem Bürger aber die freie Wahl gelassen, denn der folgende besagt dann: „Jeder Mensch hat das Recht, unglücklich zu sein.“ Jeder wie er will also. Hier noch einige von meinen anderen Lieblingsartikeln der Verfassung:

  • 1. Jeder Mensch hat das Recht, am Fluss Vilnelė zu wohnen, und die Vilnelė hat das Recht, an jedem vorbei zu fließen.
  • 3. Jeder Mensch hat das Recht zu sterben, jedoch ist dies keine Pflicht.
  • 12. Ein Hund hat das Recht, ein Hund zu sein.
  • 14. Jeder Mensch hat das Recht, manchmal nicht zu wissen, ob er Verpflichtungen hat.
  • 20. Kein Mensch hat das Recht, Gewalt auszuüben.
  • 24. Jeder Mensch hat das Recht, nichts zu verstehen.
  • 31. Jeder Mensch kann frei sein.

Wie ihr seht, sind nicht alle Artikel völlig ernst gemeint. Es ist aber eine schöne Erinnerung daran, dass Menschen freundlicher zueinander sein sollten und dass alle Menschen das Recht haben, so zu leben, wie sie möchten.

Užupis Konzert Unabhängigkeitstag
Am 1. April wird die Republik Užupis gefeiert.

Užupis ist in jedem von uns

Užupis ist ein guter Nährboden für kreative Ideen. Eine Republik des freien Denkens, der Freundlichkeit und des Kreativen. Genau das wird am heutigen 1. April gefeiert. Normalerweise gibt es dazu ein Konzert bekannter litauischer Bands, einen Tag der offenen Tür bei den Kreativen des Stadtviertels und natürlich viel Spaß und noch mehr Alkohol. Und auch wenn die offizielle Feier heute wohl wegen der Corona-Pandemie ausfällt, so kann doch jeder diesen Tag für sich selbst begehen. Nicht nur hat Užupis in vielen Ländern Botschaften, wo sie durch Künstler vertreten ist. Irgendwie steckt doch in jedem von uns ein bisschen Užupis

Die schönsten Sehenswürdigkeiten von Užupis

Die Republik Užupis besteht nur am 1. April mit Grenzkontrollen. Hereingelassen werden freundliche Menschen aber in jedem Fall also keine Sorgen. An allen anderen Tagen des Jahres gibt es aber auch einige sehr schöne Sehenswürdigkeiten zu sehen, die ihr auf keinen Fall verpassen solltet.

Užupio Kavinė
Jeder darf in das Parlament und sich einen Kaffee bestellen.

Užupio Kavine – Parlament der Republik Užupis

Wie es sich für eine Republik gehört, hat natürlich auch die Republik Užupis ein eigenes Parlament. Ganz praktisch ist es eine Kneipe am Ufer der Vilnia. Auf der Terrasse lässt es sich wunderbar sitzen und den Tag genießen. Dabei könnt ihr ein paar Bier trinken und vielleicht eure eigene Verfassung schreiben oder zu bestehenden noch eure eigenen Paragrafen hinzudichten.

Engel von Užupis
Der Engel von Užupis ist das Wahrzeichen des Viertels und verkündet Freiheit für jeden.

Wand der Verfassung

In der Paupio gatvė gibt es eine Wand an der die Verfassung als Tafel angebracht ist. Weil die Idee der Republik Užupis aber universell ist, kamen über die Jahre immer mehr Tafeln in verschiedenen Sprachen hinzu. Mittlerweile könnt ihr die Verfassung dort deshalb nicht nur auf Litauisch, Englisch und Deutsch lesen, sondern in mehr als 30 Sprachen. Ständig gibt es neue Sprachen, die hinzugefügt werden. Hierzu sponsern oft die Botschaften der Länder mit diesen Sprachen eine neue Tafel, die dann graviert wird.

Engel von Užupis

Der Engel von Užupis mit seinem Horn ist das Wahrzeichen der Republik Užupis. Er verkündet die künstlerische Freiheit eines jeden. Außerhalb der Pandemie versammeln sich hier die Menschen am 1. April und begehen den Feiertag mit einem großen Fest, inklusive einer Parade und einem Konzert. Vor dem Engel stand hier das Ei von Užupis, das aber mittlerweile einen anderen Platz in der Altstadt erhalten hat.

Kunst in Užupis
Skulptur in einem der Höfe von Užupis: Kunst findet ihr hier überall

Kunst in Užupis

Was wäre das Künstlerviertel ohne Kunst? In Užupis gibt es zum Glück reichlich viel davon. Überall in den Gassen findet ihr etwas. Schon beim Gang über die Fluxusbrücke könnt ihr die ersten Kunstwerke sehen. Im Kunstinkubator gibt es Ausstellungen zu sehen und Künstler können hier eine Residenz beantragen und hier arbeiten. Im Museum für Kunstgeschichte Tartle (Užupio gatvė. 40) könnt ihr alles über die Entwicklung litauischer Kunst von der heidnischen bis zur zeitgenössischen Kunst lernen. Das Jonas Mekas Zentrum für Visuelle Kunst (Malūnų gatvė 8) hingegen zeigt euch das Werk vieler Künstler der Foto-, Film- und Computerkunst.

Užupis Meerjungfrau
Užupis liegt zwar nicht am Meer aber eine Meerjungfrau hat es dennoch.

Meerjungfrau von Užupis

Vilnius liegt zwar nicht am Meer. Dennoch gibt es hier eine Meerjungfrau. Die Meerjungfrau von Užupis. Sie ziert seit 2002 eine Nische in der Mauer am Fluß Vilnia, direkt gegenüber der Užupio Kavinė. Sie wurde vom Bildhauer Romas Vilčiauskas und wird auch oft einfach das Mädchen von Užupis genannt.

Užupis Brücke
Liebesschlösser an der Brücke über die Vilnia gibt es schon lange.

Brücke über die Vilnia

Der Gang nach Vilnius führt in den meisten Fällen über die Brücke über die Vilnia. Hier hängen Tausende Liebesschlösser, die es hier schon sehr lange gibt und die hier anders als in Prag oder anderen Städten bislang belassen wurden. Auch steht hier das berühmte Eingangsschild für die Republik Užupis.

Essen in Užupis

Von der einstigen Kriminalitätshochburg ist nichts übrig und heute könnt ihr gemütlich durch die Straßen von Užupis schlendern. Viele Cafés und Restaurants laden euch ein.

  • Die Republik Užupis ist so volksnah, dass ihr hier sogar gleich im Parlament essen könnt. Denn Užupio Kavinė ist eigentlich ein Restaurant direkt an der Vilnia. Das Essen ist international wie Užupis selbst auch. Die Preise sind moderat. Besonders schön ist Užupio Kavinė aber, wenn man im Sommer am Ufer der Vilnelė sitzen und entspannen kann.
  • Auch schön ist das Restaurant Paupio 12, das ist auch die Adresse. Hier gibt es gehobene Küche und internationale Weine. Durchaus ein gutes gastronomisches Erlebnis.
  • Für den Nachtisch solltet ihr aber in jedem Fall zu Liu Patty (Užupio gatvė 20) gehen, die allerlei süße Dinge anbieten.
Kanu fahren in Užupis
Die Vilnia hat (auch Vilnelė genannt) hat das Recht an jedem vorbei zu fließen. Kanu darf man auf ihr aber auch fahren.

Übernachten in Užupis

In Užupis selbst gibt es bisher kein Hotel. Wenn ihr im Viertel übernachten wollt, bleibt euch eigentlich nur eine Ferienwohnung zu mieten. Hierzu könnt ihr Anbieter wie Fewo-direkt oder booking.com nutzen.

Buchtipps Litauen

Sonst gibt es vor allem Reiseführer für das ganze Baltikum. Wenn euch aber nur Litauen interessiert, dann habt ihr wesentlich weniger Möglichkeiten. Zum Glück gibt es dafür den Litauen-Reiseführer von Reise Know-How, der sich detailiert nur mit Litauen beschäftigt. Viele Tipps und ein guter Einblick in die litauische Kultur machen diesen Band zu einem guten Begleiter in den Städten, wie auch auf dem Land.

Labas! Das heißt Hallo auf Litauisch. Und auch wenn es nur wenige Millionen Sprecher dieser baltischen Sprache gibt, so hilft der Kauderwelsch Litauisch doch sehr gut dabei zumindest ein wenig der Sprache zu lernen. Das hilft nicht nur im Alltag, sondern wird auch das Herz des ein oder anderen Litauers oder einer Litauerin für euch öffnen.

Falls ihr aber doch einen Reiseführer für das gesamte Baltikum braucht, dann nutzt den Baltikum-Führer, der ebenfalls bei Reise Know-How erschienen ist. Unser Kollege Thorsten Altheide ist Co-Autor und hat auch schon viele Beiträge zu Estland auf dem Blog verfasst.

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Peter Althaus ist Journalist, Autor und Blogger. 2011 hat er das Reiseblog Rooksack gegründet. Doch seine eigentliche Liebe ist immer schon Osteuropa gewesen. Mittlerweile lebt er in Lwiw in der Ukraine und führt dort einen Reiseveranstalter. Da er aber weiter gern schreibt, gibt es heute Wild East – das Osteuropa-Reiseblog.

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