Kulturpalast Warschau – Stalins Geschenk an das polnische Volk

Der Kulturpalast Warschau war ein Geschenk des sowjetischen Diktators Stalin an Polen. Ein Rundgang durch das imposante Gebäude gibt einen Überblick.

Inhaltsverzeichnis

Die Warschauer hassen oder lieben ihn, aber vorbei kommt an ihm eigentlich niemand. Mit 237 Metern ist der Kulturpalast Warschau vielleicht nicht das schönste, aber noch immer eines der höchsten Gebäude Polens – auch wenn gerade direkt daneben ein Hochhaus nach dem anderen entsteht. Der Kulturpalast war gewissermaßen ein „Geschenk“ des sowjetischen Diktators Josef Stalin an Polen und heute wie damals gibt es hier unzählige Museen, Konzerthallen, Cafés und sogar ein Schwimmbad.

Die über 3000 Räume hat wohl noch nie jemand alle komplett gesehen. Höchste Zeit also, sich mal ein paar von ihnen anzuschauen. Und für nur ein paar Euro kann man bequem blitzschnell mit dem Aufzug in den 30. Stock fahren und genießt dort aus über 100 Metern Höhe den mit Sicherheit schönsten Blick auf Warschau. Also, kommt mit auf eine Reise zur vielleicht ungewöhnlichsten Warschau-Sehenswürdigkeit.

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Geschichte des Kulturpalasts

Auferstanden aus Ruinen

Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Warschau in Trümmern. Nachdem polnische Aufständische den mutigen Kampf gegen die deutschen Besatzer gewagt hatten, wurde die Stadt aus Rache dafür buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht. In manchen Bezirken wurden mehr als 97 % der Gebäude zerstört! Die Zerstörungen waren so verheerend, dass man kurzzeitig sogar erwog, die Hauptstadt nach Łódź (Lodsch) zu verlegen und Warschau aufzugeben.

In einem riesigen Kraftakt wurde aber schon bald der Wiederaufbau der Stadt gestartet. Und die neuen kommunistischen Machthaber wollten gleich zeigen, wohin die Reise im neuen, idealen System gehen sollte. Hierfür bedurfte es großer Prachtbauten, die das Selbstverständnis des neuen Regimes widerspiegeln sollten.

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Viele der Räume und Hallen im Kulturpalast Warschau sind prachtvoll gestaltet. Die Kassettendecke auf diesem Bild ist ein typisches Element der polnischen Renaissance.

Alte Bautraditionen und Sozialistischer Klassizismus

Man beauftragte den renommierten sowjetischen Architekten Lew Rudnew mit einem Gebäude, das alles bisher Gesehene in den Schatten stellen sollte. Rudnew hatte sich bereits mit mehren Monumentalbauten in der Sowjetunion hervorgetan und mit dem Hauptgebäude der Lomonossow-Universität in Moskau auch das damals höchste Gebäude Europas konzipiert. Rudnew begann mit einer Reise durch Polen und besuchte vor allem alte Städte wie Krakau, Lublin und Zamość, um sich inspirieren zu lassen.

Zurück in Warschau, wurde 1952 mit den Arbeiten am Kulturpalast Warschau begonnen. Man startete exakt am 1. Mai, also am symbolträchtigen Tag der Arbeit. Und Arbeit war genug zu tun: Innerhalb von nur drei Jahren schufteten bis zu 10.000 Arbeiter auf der Baustelle, darunter viele Tausende aus der Sowjetunion. Im Juli 1955 erfolgte dann die feierliche Eröffnung. Damals war der Kulturpalast übrigens nur 234 Meter hoch. Heute misst er 237 Meter, einer Antenne aus dem Jahr 1994 verdankt er die drei Extrameter.

Das wichtigste Gebäude des sozialistischen Polen

Fortan war der Kulturpalast das Symbol des neuen, sozialistischen Polen. Er war eine Mischung aus Verwaltungsgebäude, Kultur- und Freizeittempel und trug zunächst den Namen Stalinpalast, bzw. offiziell „Kultur- und Wissenschaftspalast Josef Stalin“. Nach der Entstalinisierung wurde er in „Palast der Kultur und Wissenschaft“ („Pałac Kultury i Nauki“ oder kurz „PKiN“) umbenannt. Diesen Namen trägt er noch heute.

Hier fanden fortan Parteitage, Gipfeltreffen mit Vertretern anderer kommunistischer Staaten, aber auch Aufsehen erregende Konzerte wie eines der Rolling Stones 1967 statt. Er wurde damit zum Zentrum der Politik und Kultur des Landes. Baulich ist er vor allem deshalb so bedeutend, weil er neben einem Wohnkomplex das einzige komplett erhaltene Gebäude im Stil des Sozialistischen Realismus in Warschau ist. Früher war das Gebäude übrigens weiß, aber aufgrund der Luftverschmutzung ist die Farbe heute eher einem hellen Braunton gewichen.

Der Kulturpalast Warschau heute

Und was ist nach all der Arbeit übrig geblieben? Vor allem Spott. Der polnische Dichter Władysław Broniewski bezeichnete den Kulturpalast einst als „Albtraum eines betrunkenen Zuckerbäckers“. Nach der Wende wollte plötzlich niemand mehr etwas mit dem Kulturpalast zu tun haben. Er stand symbolisch wie kein anderes Gebäude in Polen für den Kommunismus und den Stalinismus der Anfangszeit des sozialistischen Polen. Viele wollten ihn daher aus dem Stadtbild tilgen, noch 2007 gab es ernsthafte Pläne, ihn abzureißen. Nach der Wende hat sich aber auch außen einiges an dem Gebäude getan. Seit 2010 wird er nachts mit LED-Leuchten je nach Anlass in ein buntes Lichtermeer getaucht – ein beeindruckendes Spektakel!

Mittlerweile haben sich die Warschauer mit ihm arrangiert und pflegen eine Art Hassliebe zu „ihrem“ Kulturpalast. Denn auch wenn das Symbol des Sozialismus vielen noch immer ein Dorn im Auge ist, die vielen Institutionen darin möchte eigentlich niemand missen. Und auch wenn drumherum immer mehr riesige Hochhäuser entstehen – der Kulturpalast bleibt! Gut so, finden wir, denn der Kulturpalast ist einfach ein Stück Warschau und gehört genau so zur Stadt wie die Altstadt oder der Łazienki-Park.

Aussehen und Aufbau des Kulturpalasts

Egal, wo ihr im Zentrum unterwegs seid, den Kulturpalast werdet ihr mit seinem 234 Meter hohen Turm kaum übersehen können. Und wenn ihr dann vor ihm steht, verliert ihr völlig den Überblick. Das liegt vor allem daran, dass man vom Kulturpalast vor allem seinen Mittelbau kennt, also den 237 hohen Wolkenkratzer. Dieser wird aber zu allen vier Seiten von großen Gebäuden eingerahmt und verfügt an seiner Westseite zusätzlich über einen halbkreisförmigen Anbau. Ich bin einmal um den Kulturpalast spaziert und habe dafür fast eine halbe Stunde benötigt.

Der Kulturpalast weist viele Anklänge an lokale Bautraditionen auf, die für Westeuropäer so auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind. Zwar folgte auch er dem Ideal des Sozialistischen Klassizismus, aber besonders die Renaissance-Bauten in Südpolen hatten es Rudnew angetan. Er ließ diese Bautraditionen in seine Arbeit einfließen. Gut erkennen könnt ihr das an an den unteren Teilen des Kulturpalastes, wo Elemente der Renaissance-Attiken Südpolens aufgegriffen wurden.

Über 3000 Räume

3288 Räume zählt der Kulturpalast. Sie verteilen sich auf 38 Stockwerke, die über 33 Fahrstühle mit einander verbunden sind. Der Kulturpalast ist daher so etwas wie eine Stadt in der Stadt. Hier gibt es Museen, Theater, Auditorien, einen riesigen Kongresssaal mit über 3000 Plätzen, eine Turnhalle, einen Ballsaal, ein Schwimmbad mit 500 Zuschauerplätzen – kurz, einfach alles!

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Kunst am Kulturpalast

Der Kulturpalast ist aber nicht nur baulich interessant, sondern auch aus künstlerischer Sicht. Oben auf den Fotos könnt ihr erkennen, wieviel Marmor hier verarbeitet wurde und wie schön einzelne Bereich wie zum Beispiel die Treppenhäuser gestaltet wurden. Im und am Kulturpalast gibt es aber noch mehr zu entdecken. Besonders schön finde ich die Statuen an der Ostseite, die Ideale der Kunst und Wissenschaft darstellen und somit symbolisch für den Kulturpalast selbst stehen. Vielleicht entdeckt ihr ja bei eurem Besuch die spannendsten Statuen? Eine von ihnen hält einen Mini-Kulturpalast in der Hand, eine andere ein Buch mit der Aufschrift „Marx, Engels, Lenin …“. Der Name Stalin wurde nach der Entstalinisierung schlicht herausgemeißelt.

Die spannendsten Orte im und am Kulturpalast

Im Kulturpalast könnt ihr definitiv Stunden verbringen, ohne dass euch langweilig wird. Allerdings steht Touristen nur ein Teil des Gebäudes offen. Wir haben euch hier mal die spannendsten Orte zusammengefasst.

Aussichtsterrasse

Für nur 20 zł (ca. 5 Euro) könnt ihr am Schalter am Osteingang des Kulturpalastes ein Ticket kaufen. Besser, ihr macht das vorher online, da die Schlangen oft lang sein können. Dann geht es in atemberaubender Geschwindigkeit mit dem Aufzug zur Aussichtsplattform in den 30. Stock. Auf 114 Metern Höhe habt ihr von hier einen sagenhaften Blick über die Stadt, der gerade bei Sonnenuntergang zu den Highlights eines Warschau-Besuchs zählt.

Kongresssaal

Der Saal im Kulturpalast ist neben dem Nationalstadion in Praga der wichtigste Veranstaltungsort in ganz Warschau. Hier treten bedeutende nationale und internationale Künstler auf. Tickets für die Veranstaltungen bekommt ihr an der Kasse an der Ostseite des Kulturpalasts. Schaut doch bei eurem Besuch einfach mal dort vorbei und fragt nach, welche Veranstaltungen gerade stattfinden, oft gibt es nämlich noch Tickets für denselben Tag.

Der Kongresssaal wurde übrigens ab 2014 renoviert. Zwei Firmen gingen an den Arbeiten pleite und die Presse machte sich darüber lustig, dass der Palast in nur drei Jahren gebaut wurde, man aber für die Renovierung eines einzelnen Raumes fünf Jahre benötigen würde.

Museum für Evolutionsgeschichte

Als sozialistisches Land war es Polen natürlich wichtig, die Evolutionstheorie zu verbreiten. Es ging dabei natürlich auch darum, die Kirche zu schwächen. Ganz unideologisch geht es hier aber heute zu. In dem spannenden Museum im Warschauer Kulturpalast könnt ihr euch über die Geschichte der Erde informieren und sogar echte Dinosaurierskelette anschauen!

Dramatisches Theater

Das Teatr Dramatyczny ist das bekannteste der Stadt. Hier tritt die Crème de la Crème der polnischen Schauspieler auf. Die Hauptspielstätte befindet sich zwar nicht im Kulturpalast, aber auch hier gibt es oft Aufführungen. Wenn ihr anstatt klassischer Dramen lieber experimentelle Stücke erleben wollt, dann schaut ins Teatr Studio, das sich ebenfalls im Kulturpalast befindet.

Lalka

Das Puppentheater im Kulturpalast richtet sich an Kinder und Jugendliche und ist ein Spiegelbild der reichen Puppenspielertradition in Polen. Wenn ihr also mit Kindern unterwegs seid, sollte ihr hier unbedingt mal vorbeischauen. Und auch ohne Polnischkenntnisse ist das kein Problem.

Rund um den Kulturpalast

Schon im Gebäude selbst ist einiges los, es lohnt sich aber auch, mal drumherum zu spazieren und so nicht nur den Bau selbst auf sich wirken zu lassen, sondern auch andere Dinge zu entdecken. Nördlich befindet sich zum Beispiel ein kleiner Park.

Eislaufbahn

Im Winter wird an der Ostseite des Kulturpalasts eine Fläche von gut 1000 m² in eine Eislaufbahn umgewandelt! Dann könnt ihr hier entspannt mit Blick auf den Koloss eure Runden drehen!

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Die ehemalige Ghettomauer verlief direkt am heutigen Kulturpalast

Ehemaliges Warschauer Ghetto

Die Grenze des Warschauer Ghettos verlief genau dort, wo heute der Kulturpalast steht. An diesen Ort, an dem die Nazis einige ihrer schlimmsten Verbrechen verübten, erinnern heute Markierungen im Boden, beispielsweise an der Ostseite des Gebäudes. Wenn ihr euch im Bereich nordwestlich des Gebäudes bewegt, stoßt ihr noch auf einige ganze wenige Überbleibsel aus jener Zeit, könnt aber auch die berühmte Nożyk-Synagoge aus dem Jahr 1902 besuchen, die den Krieg wie durch ein Wunder überstanden hat.

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Goldene Terrassen

Westlich des Kulturpalasts Warschau befindet sich der vor wenigen Jahren renovierte Zentralbahnhof, der wichtigste der Stadt. Dazwischen erhebt sich ein spektakuläres Einkaufszentrum, das mit dem Bahnhof verbunden ist. In den Goldenen Terrassen (Złote Tarasy) könnt ihr unter dem geschwungenen Wellendach, das ein wenig an das Olympiastadion in München erinnert, nach Herzenslust shoppen, ins Kino gehen oder eines der hier angesiedelten Restaurants besuchen.

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Markus Bingel hat lange in Polen, der Ukraine und Russland studiert und gearbeitet. Als Reisebuchautor zieht es ihn mehrmals im Jahr in die Länder des „Wild East“ – und noch immer ist er jedes Mal fasziniert von dieser Region. Als Co-Gründer des Blogs möchte er euch gerne die unbekannten, spannenden und immer wieder überraschenden Seiten Osteuropas vorstellen.

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