Nachdem wir euch in einem anderen Artikel bereits Weihnachten in Polen und die schönsten und skurrilsten Bräuche dort vorgestellt haben, zeigen wir euch heute mal, wie man Ostern in Polen feiert. Denn das hat in dem stark katholisch geprägten Land nur wenig mit dem zu tun, wie wir im Westen das Fest begehen. Wir präsentieren euch hier die schönsten, aber auch die ungewöhnlichsten Bräche und erklären euch, wieso man Wassereimer über jungen Frauen ausgießt und diese am Ostermontag besser zu Hause bleiben sollten.
Letzter Tag vor der Fastenzeit: Der „Fette Donnerstag“
Tłusty czwartek, also wörtlich „Fetter Donnerstag“ wird der letzte Donnerstag vor Beginn der Fastenzeit genannt. In Deutschland markiert er den Beginn der Karnevalswoche. Da aber Karneval in Polen keine Rolle spielt, nimmt dieser Tag eine besondere Rolle ein. Hier wird nochmal richtig reingehauen, bevor die Hochphase der Fastenzeit beginnt. Besonders beliebt sind an diesem Tag die Krapfen (bzw. Berliner).
In Polen gibt es sie in unzähligen Variationen. Während es in Deutschland meist Berliner mit Marmeladenfüllung und Puderzucker sind, gibt es in Polen auch solche mit Zuckergussglasur, Vanille- oder Schokoladenfüllung. Die pączki genannten Leckereien werden für diesen Tag in Massen produziert und gekauft und häufig verschenkt. Auch in polnischen Büros steht meistens mindestens ein Teller mit pączki bereit, ich habe sogar mal einen von einem Busfahrer geschenkt bekommen.
Ostereier in Polen – Wahre Kunstwerke
Nach dem Fetten Donnerstag beginnt die Hochphase der Fastenzeit. Übrigens haben dann in Polen auch viele Klubs und Bars geschlossen. Das Nachtleben wird spürbar runtergefahren und die Zeit der Besinnlichkeit beginnt. Diese wird oft damit verbracht zu beten. In vielen Familien werden aber auch Ostereier angefertigt, die nur sehr wenig mit denen in Westeuropa zu tun haben.
Pisanki werden die bemalten Ostereier in Polen genannt. Das relativ fantasielose Eintauchen eines Eis in eine farbige Flüssigkeit (in Deutschland nicht unüblich) wird hier kaum praktiziert. Für Ostern in Polen werden nämlich wahre Kunstwerke erstellt, für die man schonmal mehrere Stunden braucht. Oft werden die Eier nicht nur bemalt, sondern es werden verschiedene Schichte mit Wachs aufgetragen und das Ei wird zwischendurch in Farbe getunkt, sodass bunte Muster entstehen. Auch das leichte Einkratzen der Eierschale ist üblich, später werden die feinen Rillen dann ebenfalls gefärbt, man nennt diese Eier dann drapanki.
Ich selbst habe in der Ukraine mal in einem Kurs versucht, pisanki herzustellen, wo der Brauch noch weiter verbreitet ist und mittlerweile eine Art nationales Kulturgut ist. Es hat ewig gedauert, verschiedene Schichten mit Wachs aufzutragen und das Ergebnis war dermaßen bescheiden, dass ich es euch hier lieber nicht zeigen will. In der Ukraine gibt es sogar ein Ostereiermuseum, über das ihr in diesem Artikel mehr erfahrt.
Neben den pisanki gibt es auch noch die sogenannten ażurki. Die sind noch schwerer herzustellen, denn hierbei wird eine ausgeblasene Eierschale mit einem feinen Messer oder Bohrer mit kunstvollen Mustern versehen. Ein Fehlgriff, und die Eierschale würde zerbrechen. Stunden von Arbeit wären so umsonst gewesen.
Der Palmsonntag
Traditionell wird die Osterwoche mit Palmsonntag eingeläutet, der an den Einzug Jesu in Jerusalem erinnert. Im Rahmen eines Gottesdienstes werden dann die symbolischen Palmen gesegnet. Aufgrund der klimatischen Bedingungen in Polen sind das natürlich eher Zweige. Diese werden oft zu kunstvollen Gestecken gebunden und mit bunten Schleifen versehen.
Jeder will dabei sein
Ostern ist in Polen ein Familienfest. Während in Westeuropa weit entfernt lebende Verwandte oft nur an Weihnachten zusammenkommen, geschieht das in Polen auch zu Ostern. Das liegt auch daran, dass Weihnachten im Westen Ostern entgegen der Lehrmeinung der katholischen Kirche als bedeutendstes Fest längst den Rang abgelaufen hat. In Polen sind beide Feste gleichermaßen bedeutend und folglich führen auch viele Auslandspolen die oft lange Reise in ihre Heimat durch. Das Haus wird oft schon Tage vorher hergerichtet, die Fenster und Türen werden geputzt und alles muss blitzeblank sein. Wann angereist wird, ist von Familie zu Familie unterschiedlich und hängt natürlich auch von der jeweiligen Jobsituation ab. Manche machen sich aber bereits zu Beginn der Karwoche auf den Weg.
Ostern in Polen – Die „Große Woche“
Genau wie in anderen katholisch geprägten Gesellschaften ist auch die Karwoche in Polen eine Zeit der Ruhe, Einkehr und des Gebets. Höhepunkt der Karwoche ist der Karfreitag.
Karfreitag wird in Polen „Großer Freitag“ (wielki piątek) bezeichnet, Karsamstag folglich als „Großer Samstag“ (wielka sobota). Anders als in anderen Ländern ist Karfreitag aber kein gesetzlicher Feiertag. Viele fasten die gesamte Karwoche über, die meisten aber meiner Einschätzung nach nur am Karfreitag und Karsamstag. Manch einer nimmt die komplette Fastenzeit in Anspruch, dann gibt es an den vierzig Tagen vor Ostern in Polen weder Fleisch noch Alkohol. Sehr konservative Polen essen und trinken in der Karwoche nur Brot und Wasser, zumindest der Verzicht auf Fleisch und Alkohol ist aber in vielen Familien an diesen beiden Tagen Usus.
In vielen traditionellen Familien ist es zudem Brauch, die Spiegel als Zeichen der Trauer zu verhängen. Ich kenne das nur im Zusammenhang mit dem Tod eines Menschen und dem damit verbundenen Aberglauben, es könnte noch mehr Tote geben. Wenn ihr wisst, warum man das in Polen auch am Karfreitag macht, dann schreibt uns gerne unten einen Kommentar! Auch die Kirchenglocken bleiben an diesem Tag stumm und die Kirchen werden nicht oder nur schwach beleuchtet – alles soll an die dunkle Zeit erinnern, die Jesus in seiner Grabhöhle verbrachte.
Ostersamstag – Segnung von Brot, Wurst, Kuchen und Eiern
In Deutschland sind die Kirche an Ostern leidlich voll, vielerorts bleibt aber auch hier die Hälfte der Bänke leer. An Ostern in Polen ist das ganz anders. Und zwar nicht nur am Ostersonntag, sondern schon am Karsamstag. Dann nämlich strömen die Familien in die Kirchen, um ihre meist selbstgebastelten Osterkörbe segnen zu lassen. Der Priester besprenkelt diese dann mit Weihwasser. Was in den Osterkorb kommt, bleibt jedem selbst überlassen, aber meist sind es Brot, Wurst, Kuchen und Eier, die auf Gras oder Kresse gebettet in das Gotteshaus getragen werden.
Der Brauch ist viele Jahrhunderte alt. Ursprünglich ging der Priester dabei von Haus zu Haus und segnete die Ostertafel. Später wurde dann aus Zeitgründen das gesamte Osteressen in die Kirche gebracht, heute bleibt es meist bei einem symbolischen Körbchen. Der Priester hat nämlich an Karsamstag genug zu tun, denn es bilden sich lange Schlangen vor dem Beichtstuhl. Der katholischen Lehre zufolge muss man nämlich mindestens einmal im Jahr beichten, auf jeden Fall aber vor Ostern. Und wie beim Geschenkekauf vor Weihnachten bei uns verhält es sich mit dem Beichten in Polen – viele machen es in letzter Minute.
Anschließend geht es nach Hause, denn nun ist es Zeit für die Vorbereitungen des Ostermahls. Dafür wird nämlich morgen keine Zeit mehr sein. Auch wird dann schon der Ostertisch geschmückt, neben Blumen kommen meist auch die „Palmwedel“ vom Palmsonntag zum Einsatz. Und so kocht und dekoriert die Familie zusammen, was am nächsten Tag verdrückt bzw. betrachtet wird und man geht relativ früh zu Bett.
Der Ostergottesdienst – Nichts für Langschläfer!
Ostern heißt in Polen „Große Nacht“ (wielkanoc) – und das wird hier wörtlich genommen. In der Bibel heißt es, dass Jesus in der Nacht auf den dritten Tag auferstanden sei und daher ist es in Polen und in den orthodoxen Ostkirchen üblich, den Gottesdienst zu einer ungewöhnlichen Zeit zu feiern. Der Höhepunkt der Ostermesse sollte nämlich idealerweise auf den Sonnenaufgang fallen, sodass die symbolische Auferstehung Jesu mit den ersten Sonnenstrahlen zusammenfällt. Das führt dazu, dass man schon sehr früh aufstehen muss.
Da die Kirchen meist brechend voll sind, muss man sich gut überlegen, wann man das Gotteshaus aufsucht. Es ist nämlich absolut üblich, die Messe auch vor der Kirche zu feiern. Das Wetter kann aber zu Ostern in Polen sehr wechselhaft sein und wer will schon bei Temperaturen um den Gefrierpunkt zwei Stunden im Freien stehen. Es hilft alles nichts, um 3 oder 4 Uhr heißt es – raus aus den Federn und ab in die Kirche. Viele ersparen sich diese Tortur allerdings mittlerweile und besuchen eine andere Messe, es werden an Ostern zahlreiche Gottesdienste abgehalten. So richtig entspricht das aber nicht der Tradition …
Die Auferstehung wird auch dadurch gefeiert, dass der Priester eine Kerze entzündet, die dann weitergereicht wird. Die meisten Besucher des Gottesdiensts haben eine Kerze von zu Hause mitgebracht und so wird die Kirche nach und nach mit Licht erfüllt – ein beeindruckender Moment, der eine ganz besondere Atmosphäre erzeugt.
Guter Schutz durch die Feuerwehr
Was am Gottesdienst an Ostern in Polen besonders auffällt: Vor der Kirche stehen – zumindest auf dem Land – mit Äxten bewaffnete Feuerwehrleute. Das hat den Hintergrund, dass sie symbolisch das Grab Jesu bewachen. Da sie das bereits seit Karfreitag (und auch nachts!) tun, wirken sie oft müde und können oft kaum noch stehen (was aber auch daran liegen kann, dass viele dieser Wachen mit ordentlich Wodka etwas erträglicher gemacht werden).
Das Osteressen – Mehlsuppe und Wodka zum Frühstück
Noch immer leicht verschlafen geht es nach dem Gottesdienst nach Hause. Meist gibt es erstmal einen Kaffee, dann startet aber auch schon das Osteressen – wohlgemerkt frühmorgens. Viele verlegen das Essen aber mittlerweile zeitlich etwas nach hinten und machen noch mal ein kleines Nickerchen. Und jetzt wird alles gegessen, was am Tag davor gekocht und (in Teilen) gesegnet wurde. Wurst, Brot, Eier, oft auch Braten, Pastete und Schichtsalat kommen auf den Tisch. Dazu wird dann gerne auch das ein oder andere Glas Wodka getrunken.
Der Klassiker zu Ostern ist nicht Brot, Braten oder Wurst, sondern Żurek, eine Suppe. Der Geschmack von Żurek ist säuerlich und für unsere Gaumen relativ ungewöhnlich. Wenn man sich die Zutaten anhört und sich die Suppe anschaut, mag das zunächst vielleicht ein wenig verwundern. Żurek ist nämlich eine Mehlsuppe, die auf der Grundlage von Sauerteig hergestellt wird. Hinzu kommen dann noch Wurst oder eine Fleischeinlage und ein gekochtes Ei. Es gibt Żurek mittlerweile das ganze Jahr über, oft in Restaurants übrigens im Brotlaib serviert. Der Klassiker mit dem Ei, das neues Leben und damit die Auferstehung symbolisieren soll, ist aber der Oster-Żurek.
Natürlich werden auch süße Speisen serviert. Beliebt ist unter anderem der makowiec, den ihr links unten im Bild seht. Der polnische Mohnkuchen besteht aus Hefeteig, der mit Mohn und oft auch kandierten Früchten oder Rosinen gefüllt und anschließend gebacken wird. Meist wird er vorher gerollt und erhält so seine charakteristische Schneckenform. Auch der mazurek, ein Kuchen mit Karamell, Rosinen und Nüssen ist sehr beliebt. Eigentlich darf auch die babka auf keiner Ostertafel fehlen, ein Gugelhupf mit Puderzucker. Schoko-Osterhasen waren bis vor Kurzem in Polen kaum verbreitet, unter anderem durch die deutschen Supermarktketten ist diese Mode aber mittlerweile auch in Polen angekommen.
Wer jetzt satt ist und denkt, das war es schon, der täuscht sich. Wenn der Magen eigentlich schon voll ist, werden nahe Verwandte (oder, wenn die nicht in der Nähe wohnen, die Nachbarn) aufgesucht. Zumindest war das bei meinen drei Osterfesten in Masowien und Masuren so. Und natürlich gab es auch dort eine ganze Menge zu essen und das ein oder andere Gläschen. Nachdem wir so das halbe Dorf abgeklappert haben, endete der Tag dann bei netten Gesprächen im Haus und alle gingen satt, müde und leicht angesäuselt zu Bett.
Reisen nach Polen an Ostern
Wenn ihr das Glück habt, Ostern bei einer polnischen Familie verbringen zu dürfen, könnt ihr euch glücklich schätzen. Ihr werdet an vielen Erinnerungen (und einigen Pfunden) reicher nach Hause zurückkehren. Wichtig: Solltet ihr eine Reise nach Polen planen, wenn gerade Ostern ist, raten wir euch davon eher ab. Ohne Familienanschluss ist nämlich auch in den Städten nicht viel los. Zahlreiche Restaurants und Geschäfte haben geschlossen, auch Museen und andere Einrichtungen arbeiten nicht wie gewohnt. Ein bisschen kann man das mit Weihnachten bei uns vergleichen.
Vorsicht, Wasser!
Śmigus-Dyngus lautet der kryptische Namen eines der seltsamsten Osterbräuche in Polen. Am Ostermontag, der auch als lany poniedziałek („Nasser Montag“) bekannt ist, werden vor allem junge Frauen auf der Straße mit Wasser bespritzt. Der Brauch erinnert laut Meinung der Kirche an die Taufe von Mieszko I. im Jahr 966, was auch als die Taufe Polens bezeichnet wird. Die Taufe steht stellvertretend für die Reinigung von den Sünden. Ob das für eine Frau, die mit einem Eimer Wasser übergossen wird, oder Kinder, die an Ostermontag mit Wasserpistolen hintereinander herjagen, auch noch eine Rolle spielt, wage ich mal zu bezweifeln.
Vermutlich ist das Nassspritzen eher heidnischen Ursprungs. Für junge, heiratswillige Männer war dies oft eine der wenigen Möglichkeiten, einer Frau zu zeigen, dass er sich für sie interessierte. Vielleicht nicht die subtilste Form der Anmache, aber sicher eine, die in Erinnerung bleibt …
Der Brauch kann relativ bizarre Züge annehmen, auch da es an Ostern in Polen immer noch sehr kalt sein kann und man zumindest auf dem Land gelegentlich noch bibbernde Menschen antrifft, die den Brauch verfluchen. In den Städten ist er mittlerweile stark aus der Mode gekommen. Satt und nass endet so das polnische Osterfest!
Ihr kennt noch weitere polnische Osterbräuche und habt schon einmal Ostern in Polen gefeiert? Lasst es uns gerne wissen und schreibt uns einen Kommentar. Folgt uns gerne auch auf Facebook oder Pinterest, um immer über die neusten Artikel auf dem Laufenden zu bleiben!
Buchtipps
Ihr wollt noch mehr über die polnische Kultur erfahren? Dann kann ich euch diese beiden Bücher aus dem Hause Reise Know-How empfehlen. Der erste Band bietet einen guten Überblick über die Kultur und Geschichte des Landes und gibt wertvolle Verhaltenstipps.
- Schulze, Dieter (Autor)
Das Buch „So sind sie, die Polen“ hingegen ist lustig geschrieben und betrachtet die polnische Kultur eher mit einem Augenzwinkern.
- Lipniacka, Ewa (Autor)