Schloss Rogalin – Ein Besuch im Traumschloss der Raczyńskis

Heute nehmen wir euch mit vor die Tore von Posen und zeigen euch Schloss Rogalin mit seinen drei berühmten Eichen und dem Mausoleum der Raczyńskis.

Inhaltsverzeichnis

Etwa 20 km südlich von Posen, mitten im Herzen Großpolens gelegen, befindet sich das kleine Dorf Rogalin, das heute keine 1000 Einwohner zählt. Dennoch strömen Jahr für Jahr Abertausende Besucher hierhin. Grund für den Ansturm ist das berühmte Schloss Rogalin, das einst von der Familie Raczyński bewohnt wurde. Neben dem Schloss gibt es aber noch mehr zu sehen, unter anderem den Ort, an dem der Legende nach der polnische Staat entstanden ist. Gründe genug also, euch Schloss Rogalin und seine Umgebung einmal genauer vorzustellen.

Das Geschlecht der Raczyńskis

Die Raczyńskis waren eine der einflussreichsten polnischen Magnatenfamilien und Teil des Adelsstandes, der sogenannten Szlachta. Der Legende zufolge geht das Geschlecht auf einen Ritter zurück, der im Heer Mieszkos I. diente, des ersten Herrschers über Polen. Die Familie war Teil der Wappengemeinschaft Nałęcz, deren Symbol, eine zusammengeknüpftes Tuch, auch das Familienwappen ziert. Bei eurem Besuch von Schloss Rogalin wird es euch auf Schritt und Tritt begegnen. Die Raczyńskis stammten ursprünglich aus Wieluń in der Nähe von Łódź, später aber bildete sich u.a. ein großpolnischer Zweig heraus.

Raczynski Stammbaum
Kaum zu überblicken: der Stammbaum der Raczynski-Familie

Und genau aus diesem Zweig entstammte Kazimierz Raczyński, der das bescheidene Dorf Rogalin im Jahr 1766 erwarb. Er machte den Ort zum Stammsitz seiner Familie und ließ das prächtige Schloss Rogalin in Auftrag geben, das schon 1774 bezugsfertig war. Unter seinen Nachfahren wurde das Anwesen dann aus- und mehrfach umgebaut. Zwar leben auch heute noch Vertreter der Familie, der letzte Besitzer war aber Edward Raczyński (siehe unten), der es dem polnischen Volk vermachte, weshalb es heute besichtigt werden kann.

Schloss Rogalin Zeichnung
Zeichnung des Schlosses von Zygmunt Hendel (um 1900)

Die Geschichte des Schlosses

Nachdem Kazimierz Raczyński das Schloss errichtet hatte, diente es für sechs Generationen als Sitz der Familie. Anfang der 1770er-Jahre entstand zeitgleich mit Schloss Rogalin auch der wunderschöne, weiter unten beschriebene Park. Die Grundstruktur des Schlosses (ein Hauptbau mit zwei viertelkreisförmigen Flügeln) wurde dabei auch von den nachfolgenden Generationen beibehalten. Schon früh wurde das eigentlich barocke Schloss teilweise im Stil des Rokoko und des Klassizismus umgestaltet, sodass man heute nicht von einer einheitlichen Stilrichtung sprechen kann.

Dieses Gemälde von Adolf Henning aus dem Jahr 1839 zeigt den großen Mäzen Edward Raczyński

Einen bedeutenden Umbau erfuhr der Komplex im 19. Jahrhundert, als Edward Raczyński (der Enkel von Kazimierz) das Mausoleum und den Landschaftspark errichten ließ, später kam dann noch die aus Kastanien bestehende Allee hinzu. Edward ist auch die Waffenkammer zu verdanken, der einzige neogotische Raum des Schlosses (siehe unten). Ohnehin kann Edward als einer der bedeutendsten Schlossherren bezeichnet werden, denn er war ein großer Mäzen und Förderer der Künste, in Posen beispielsweise stiftete er die erste öffentliche Bibliothek der Region. Sein Bruder Atanazy hingegen bildete mit seiner Sammlung den Grundstock des heutigen Nationalmuseums.

Das Schloss bestand den Zweiten Weltkrieg auch deshalb, da die Hitlerjugend hier eine Schule unterhielt. Später stand das Anwesen zunächst leer, 1949 wurde hier dann ein Museum eingerichtet. Nach der Wende und dem Tod von Edward Raczyński wurde dem Anwesen nach behutsamer Renovierung das Antlitz der 1930er-Jahre wiedergegeben, weshalb man sich heute bei einem Besuch fast so fühlt wie in jenen Jahren.

Schloss Rogalin Zamek w Rogalinie Rogalin Castle

Das Schloss

Schloss Rogalin, Teil des Nationalmuseums Posen, könnt ihr heute problemlos besichtigen, wobei es für alle der unten beschriebenen Bereiche auch Einzeltickets gibt. Beim eigentlichen Schloss (nicht aber bei der Gemäldegalerie) müsst ihr beachten, dass es aufgrund des großen Andrangs ein Zeitfenster gibt. Solltet ihr also gerade etwas Zeit bis zum Einlass haben, könnt ihr davor jeden beliebigen Teil des Komplexes besichtigen, um so die Zeit zu überbrücken.

Schloss Rogalin Zamek w Rogalinie Rogalin Castle

Der Schlossrundgang

Im Schloss (und nur dort) erhaltet ihr dann einen deutschen Audioguide, der euch durch die einzelnen Räumlichkeiten führt. Ihr könnt dabei zahlreiche prachtvolle Gebäudeteile besichtigen und kommt so in den Genuss von Delfter Kacheln, alten Kaminen, wundervoll verzierten Spiegeln, Brüsseler Wandteppiche und einer Bibliothek, die ganz aus Holz zu bestehen scheint und zu den schönsten Räumen der gesamten Region zählt. Ihr stoßt bei eurem Rundgang (der etwa eine knappe Stunde in Anspruch nimmt) immer wieder auf Gemälde und viele kleine Details wie von Friedrich Schinkel gestaltete Kronleuchter.

Schloss Rogalin Zamek w Rogalinie Rogalin Castle

Außerdem gibt es ein Zimmer zu sehen, in dem die Tapete nahtlos in den Vorhang überzugehen scheint. Ihr habt unterwegs immer wieder tolle Blicke auf den französischen Landschaftspark, dessen Besuch ebenfalls zu den Highlights von Schloss Rogalin zählt.

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Das Kutschenhaus

Östlich von Schloss Rogalin befindet sich ein Komplex, der heute ein Restaurant und das ehemalige Kutschenhaus umfasst. Hier könnt ihr eine beeindruckende Sammlung historischer Kutschen bestaunen, die aus verschiedenen Jahrhunderten stammen. Sogar Schlitten und Sänften gibt es zu sehen, genau wie Reiseaccessoires und Pferdegeschirr. Ein hölzernes Kutschenhaus entstand unmittelbar nach der Fertigstellung von Schloss Rogalin und wurde bereits 1801 durch ein gemauertes Gebäude ersetzt.

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Die Gemäldegalerie

Eines der absoluten Highlights von Schloss Rogalin ist dessen Gemäldegalerie. Diese geht auf Edward Aleksander Raczyński zurück, der in der Zeit ab 1880 über 500 zeitgenössische Kunstwerke erwerben konnte. 1910 wurde für die Sammlung eine von Mieczysław Powidzki entworfene Galerie unterhalb des Südflügels von Schloss Rogalin errichtet, die die hier gezeigten Gemälde aufgrund des natürlichen Lichteinfalls durch die Decke hervorragend zur Geltung bringt. Vor allem Vertreter des Symbolismus, des Impressionismus und des Postimpressionismus sind hier zu sehen. Zu den herausragendsten Arbeiten zählen sicherlich Pastelle von Stanisław Wyspiański, Gemälde von Józef Mehoffer und allen voran das Bild „Jeanne d’Arc“ von Jan Matejko aus dem Jahr 1886.

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Die Jungfrau von Orleans – so groß wie eine Zweizimmerwohnung

Ihr könnt es nicht verfehlen, denn mit sagenhaften 47 Quadratmetern handelt es sich nicht nur um das größte Gemälde des berühmten Historienmalers, sondern auch um eines der größten im ganzen Land. Beim Herantreten werdet ihr feststellen, wie detailreich Matejko vorging, der hier auch Hilfe von seiner Malerschule erhielt, denn alleine wäre ein solches Mammutprojekt wohl kaum zu stemmen gewesen. Angesichts der Größe der Jungfrau von Orleans geht das Gemälde des bekannten Matejko-Schülers Jacek Malczewski daneben fast schon unter.

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Die Ahnengalerie

In einem Gebäudeflügel im Norden des Schlosses sind die Ahnengalerie und das Londoner Kabinett untergebracht. Hier sind in einem Gang unzähligen Gemälde aus verschiedenen Epochen untergebracht. Schon der Blick auf die Namen zeigt, wie gut vernetzt die Familie war und dass es auch viele dynastische Verbindungen zu deutschen Adelsgeschlechtern gab.

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Das Londoner Kabinett

26 Jahre lang verbachte Edward Raczyński (nicht zu verwechseln mit dem namensgleichen Schlossherren aus dem 19. Jh.) im Exil in London, wo er unter der Adresse 8, Lennox Gardens lebte. Dankenswerterweise hat die Familie die Einrichtungsgegenstände jener Wohnung an das Nationalmuseum übergeben, das diese hier originalgetreu nachbauen ließ. Raczyński bewohnte die Wohnung, als er von 1979 bis 1986 als Präsident das Staatsoberhaupt der polnischen Regierung im Exil stellte.

Der sprachgewandte letzte Vertreter seines Geschlechts verstarb 1993 im Alter von 101 Jahren fast blind in London und vermachte das Schloss dem polnischen Volk. Anhand der Wohnung könnt ihr euch einen Eindruck davon verschaffen, wie bescheiden er trotz seiner adligen Herkunft lebte, alles wirkt so, als wäre er nur eben auf einen Spaziergang nach draußen gegangen.

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Das Mausoleum

Nur einen Steinwurf von Schloss Rogalin entfernt thront auf einem Hügel das Mausoleum der Familie Raczyński, bei dem man sich unweigerlich an einen römischen Tempel erinnert fühlt. Edward Raczyński ließ die Kirche des hl. Marcellus (poln. Marceli), wie die Anlage eigentlich heißt, Anfang des 19. Jahrhunderts anlässlich des Todes seines Cousins Marceli Lubomirski errichten, wobei das Gotteshaus seit dem Zweiten Weltkrieg als Kirche für die Dorfbewohner dient.

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Gut bewacht: Dieser Löwe steht vor der Kirche

Die Kirche erinnert an einen antiken Tempel, da sie sich einen antiken Tempel aus dem französischen Nîmes zum Vorbild nahm. Die Front wird von mehreren hohen korinthischen Säulen dominiert, auf denen ein Dreiecksgiebel thront. Betretet ihr die Kirche, könnt ihr an der hölzernen Tür neben den charakteristischen Löwenköpfen auch das gebundene Tuch sehen, das Wappen der Raczyńskis. Im Innern ist bei entsprechendem Sonnenlicht alles in Gelb getaucht, ihr könnt hier also wunderbare Fotos machen.

Über einen Seiteneingang gelangt ihr in die neogotische Krypta der Kirche. Hier sind berühmte Vertreter der Familie beigesetzt, unter anderem auch Edward Raczyński, der Präsident der polnischen Exilregierung. Auch das Herz des Erbauers gleichen Namens wird hier aufbewahrt. Insbesondere durch die prächtige Deckengestaltung entsteht hier eine feierliche Atmosphäre.

Schloss Rogalin Zamek w Rogalinie Rogalin Castle

Hinter der Kirche seht ihr noch zwei weitere Gräber sowie den wunderschönen hölzernen Glockenturm.

Schloss Rogalin Zamek w Rogalinie Rogalin Castle

Der Barockgarten

Schloss Rogalin wird von einem wundervollen Garten bzw. einem Waldstück umgeben, der sich aus mehreren Teilen zusammensetzt und der zu stundenlangen Spaziergängen einlädt. Direkt beim Schloss befindet sich der schönste Teil, ein im Stil eines französischen Landschaftsgartens gestalteter Bereich, der mit seinen gepflegten Hecken, den vielen Statuen und einem traumhaften Blick auf die Rückseite des Schlosses ein wenig Versailles-Feeling nach Schloss Rogalin bringt. Etwas weiter schließt sich ein Bereich an, der im Stil eines englischen Landschaftsparks gestaltet wurde.

Andere Bereich, darunter auch der, in dem man die drei Eichen findet, kommen wilder und urtümlicher daher, es ist also für jeden etwas dabei. Der Wald geht dabei nahtlos im Rogaliner Landschaftspark direkt an der Warthe (Warta) über.

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Die berühmten drei Eichen

Der Legende zufolge gingen die drei Brüder Lech, Cech und Rus in grauer Vorzeit auf Wanderschaft. Als sie in der Nähe von Gnesen ankamen, erblickte Lech im Licht der aufgehenden Sonne einen Weißkopfadler und entschloss sich, die Stadt Gnesen (abgeleitet vom polnischen Wort für Nest gniazdo) zu gründen. Seinen Bruder Cech, den Stammvater der Tschechen, zog es nach Süden, während Rus (Stammvater der Russen, Ukrainer und Weißrussen) gen Osten zog. Lech ist somit der Legende nach der Begründer des polnischen Staates. Der Weißkopfadler vor rotem Grund ist heute noch das offizielle Wappen von Polen. Auch wenn die Geschichte vielleicht nicht ganz der Wahrheit entspricht, kennt sie in der Region doch jedes Kind. Die Eichen von Rogalin erinnern an diese Legende.

Angesichts des Alters der Eichen (insgesamt gibt es in Rogalin sogar etwa 1300 Exemplare!) kann man aber gut nachvollziehen, dass sie die Fantasie der Menschen angeregt haben. Schließlich haben Untersuchungen ergeben, dass es sich bei ihnen um die ältesten Polens handelt, Rus ist beispielsweise über 800 Jahre alt! Dass die betagten Herren da einen Gehstock (bzw. Stützen) brauchen, ist also kein Wunder. Es könnte auch an ihrem Bauchumfang liegen, denn der liegt bei teils über 7 Metern! Für Nachwuchs ist übrigens gesorgt, sollten sie doch einmal endgültig zusammenfallen: Rus wurde im Labor geklont, sein Spross entwickelt sich gerade außerhalb des Komplexes und ist bereits einen Meter hoch.

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Markus Bingel hat lange in Polen, der Ukraine und Russland studiert und gearbeitet. Als Reisebuchautor zieht es ihn mehrmals im Jahr in die Länder des „Wild East“ – und noch immer ist er jedes Mal fasziniert von dieser Region. Als Co-Gründer des Blogs möchte er euch gerne die unbekannten, spannenden und immer wieder überraschenden Seiten Osteuropas vorstellen.

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