Die Katakomben von Odessa – Unterwegs im unterirdischen Labyrinth

In unserem neuen Beitrag wollen wir euch die Katakomben von Odessa vorstellen. Kommt mit zu den Katakomben von Odessa und erlebt spannende Abenteuer.

Inhaltsverzeichnis

Ihr habt noch nicht von den Katakomben von Odessa gehört? Kein Wunder, denn die Katakomben von Paris kennt jeder, dabei sind die Katakomben von Odessa mindestens genauso interessant. Das unterirdische Labyrinth gehört zu den interessantesten Sehenswürdigkeiten von Odessa, wenn nicht gar der gesamten Ukraine. Höchste Zeit, euch die Odessa Katakomben in einem eigenen Artikel vorzustellen.

Katakomben von Odessa

Was sind die Katakomben von Odessa?

Mit einer Gesamtlänge von ca. 2500 Kilometern sind die Katakomben Odessa etwa fünfmal so lang wie die bekannten Katakomben von Paris und somit die mit Abstand längste unterirdische Tunnelanlage der Welt. Wie lang sie genau sind, weiß niemand, denn es gibt bis heute keine vollständige Karte der Katakomben. Sie bestehen aus einem riesigen Netz aus Tunneln, Entwässerungskanälen, Zisternen, natürlichen Höhlen und Bunkern. Teilweise sind sie bis zu 60 Meter tief, andere verlaufen nur knapp unter der Oberfläche der Stadt.

Die Geschichte der Katakomben von Odessa

Die Geschichte der Katakomben von Odessa ist eng mit der Geschichte der Stadt selbst verknüpft. Als Katharina die Große Ende des 18. Jahrhunderts die Stadt und den Militärhafen in Auftrag gab, war das Gebiet kurz zuvor vom Osmanischen Reich erobert worden. Es gab nur ein Problem: Es standen fast keine Baumaterialien zur Verfügung. Also musste man in den Untergrund und die Baumaterialien dort besorgen. Der Kalkstein stellte sich schnell als robust genug heraus, um daraus Gebäude zu errichten. Unter Herzog Armand du Plessis, der die Stadt ab 1803 verwaltete, begannen die Arbeiten. Stück für Stück grub man sich weiter und ein schon bald nicht mehr zu überblickendes Labyrinth an Schächten entstand.

In einer Zeit, als es noch keine Kühlschränke gab, waren die Katakomben aber auch beliebte Keller, um Waren länger frisch zu halten. Es ging hier also zu jener Zeit nicht immer nur düster zu.

Ein Paradies für Schmuggler und Verbrecher

Odessa hatte im Zarenreich den Ruf einer Gangsterstadt. Die Stadt war neu und ohne gewachsene Strukturen, außerdem ermöglichte der Hafen Handel und somit auch Schmuggel. Die Katakomben waren ideal für die „Unterwelt“ von Odessa, denn hier konnten die Schmuggler so gut wie alles lagern, seien es Waffen oder Rauschgift. Auch als Versteck für entflohene Sträflinge eigneten sie sich bestens. Es gibt unzählige Geschichten, die mit den Odessa Katakomben zusammenhängen und aus jener Zeit stammen.

Eine der bekanntesten kreist um den Gangster und Revolutionär Mishka Yaponchik („der kleine Japaner“). Er kontrollierte in der Zeit um 1900 weite Teile der Stadt und entwischte der Polizei mehrfach in den Tunneln. Über Yaponchik gibt es sogar eine russische Fernsehserie mit dem englischen Titel „Once upon a time in Odessa“. Hier ein Link zu einem Trailer auf Youtube.

Katakomben von Odessa
Genosse Stalin wacht strengen Blickes über die Katakomben

Die Katakomben von Odessa im Zweiten Weltkrieg

Odessa war während des Zweiten Weltkriegs von den mit den Deutschen verbündeten Rumänen besetzt. An vielen Orten im Land tobte der Kampf sowjetischer Partisanen gegen die Besatzer. Aber nirgendwo fanden die „Untergrundkämpfer“ so ideale Bedingungen vor wie hier. Sie kannten sich im Gegensatz zu den Besatzern bestens aus und die vielen Tunnel waren schlicht nicht unter Kontrolle zu halten. Und so waren gezielte Aktionen gegen die Rumänen und die Deutschen einfach auszuführen.

Allerdings war das Leben unter Tage hart. Oft sahen die Partisanen monatelang nicht das Tageslicht. Hunger, Wasser- und Nahrungsmittelknappheit und natürlich die Dunkelheit sowie die ständige Angst, entdeckt zu werden, prägten das Leben hier. Die bedrückende Stimmung soll sogar dazu geführt haben, dass sich zwei rivalisierende NKWD-Gruppen gegenseitig bekämpften, die in den Untergrund entsendet worden waren. Nur ein Mann überlebte und verbrachte ganze neun Monate alleine hier unten.

Katakomben von Odessa
Hinweistafel zum Verhalten bei einem amerikanischen Atomangriff

Die Odessa Katakomben während der Sowjetunion

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Kalte Krieg. Somit stieg für die Bürger der Sowjetunion die Gefahr eines nuklearen Angriffs seitens der Amerikaner. Überall im Land wurden Schutzbunker errichtet. In Odessa brauchte man das eigentlich nicht, denn die Katakomben waren ja bereits vorhanden. Und so wurden viele von ihnen zu Bunkern umfunktioniert. Es wurden dicke Stahltore eingelassen, Vorräte angelegt, Warnhinweise angebracht, Schutzmasken ausgelegt und Geigerzähler bereit gestellt. Gott sei dank kam es nie zu einem Atomkrieg, sodass ihr viele der sowjetischen Anlagen noch heute bewundern könnt.

Die Legende vom Mädchen in den Katakomben von Odessa

In einer Silvesternacht soll die junge Mascha zusammen mit ihren Freunden feiern gewesen sein. Die Gruppe dachte sich, es wäre eine gute Idee, in die Odessa Katakomben hinabzusteigen – trotz der Dunkelheit und der eisigen Temperaturen. Gerüchten zufolge soll es beim Eingang der Schule Nr. 56 einen Schatz gegeben haben, vielleicht war die Gruppe ja auf der Suche danach.

Die unglückselige Mascha verlor leider den Kontakt zu ihren Freunden. Vielleicht war sie nur kurz auf Toilette gegangen und ihre betrunkenen Freunde sind weiter gezogen. Vielleicht wurde sie aber auch absichtlich hier zurückgelassen. Mascha erfror oder verdurstete, und das in vollkommener Dunkelheit. Allein: Niemand weiß, ob die Geschichte wirklich stimmt oder nicht nur ein Internet-Gerücht ist. Zwar kursierte einige Zeit später ein Bild von einer Leiche im Netz, aber niemand konnte sie als Mascha identifizieren. Ob die Geschichte nun stimmt oder nicht: Sie machte die Odessiten darauf aufmerksam, dass unter ihren Füßen eine verborgene, unheimliche Welt existierte. Aber vielleicht trefft ihr ja auch unter der Erde auf den Geist von Mascha …

Weitere Legenden

Ihr fandet die Geschichte um Mascha schon gruselig? Es gibt so viele Horrorgeschichten aus den Katakomben, dass man sie kaum aufzählen kann. So soll hier unten ein Gnom leben, der Ratten und Fledermäuse frisst und Touristen erschreckt. Auch soll hier ein sagenhafter Schatz vergraben sein. Ein ukrainischer Kapitän soll einer Schiffsbesatzung in den 1930er-Jahren das Leben gerettet haben und aus Dank dafür ein Schiffsmodell aus Gold erhalten haben. Als der Krieg begann, versteckte er es in den Katakomben, fiel aber an der Front. Und so wartet der Schatz vielleicht noch heute darauf, entdeckt zu werden.

Katakomben von Odessa
Prost: Die Katakomben sind natürlich der ideale Ort, um eine Destillerie zu betreiben

Die Katakomben von Odessa heute

Die Katakomben von Odessa werden heute unterschiedliche genutzt. Der Großteil des Gängelabyrinths ist in den Dornröschenschlaf verfallen. Teile werden als Museum genutzt, andere als Müllkippe. Wieder andere sind überflutet und nur für Taucher zugänglich. Es soll aber auch Menschen geben, die hier unten Pilze züchten oder Wein lagern. Viele nutzen die Katakomben aber auch, um Zeichnungen in die Wand einzuritzen. Oft ist es dabei gar nicht so einfach, historische Zeichnungen von modernen zu unterscheiden. Auch unterirdische Bars gibt es hier. Unser Guide Iegor berichtet sogar von Raves und anderen Partys die hier gefeiert werden. „Ich hab sogar schon von Hochzeiten gehört“, sagt er.

Katakomben von Odessa

Wo geht es in die Katakomben?

Einer der Hauptzugänge befindet sich im Stadtteil Moldawanka, der früher auch als Stadtteil der Schmuggler und Diebe bekannt war. Über Moldawanka schrieb bereits der jüdische sowjetische Schriftsteller Isaak Babel seine Geschichten aus Odessa. Hier befindet sich auch der Zugang der meisten Touren, wie zum Beispiel der „Secrets of Underground Odessa“.

Museum der Partisanen von Odessa

Rund 17 Kilometer außerhalb der Stadt liegt bei Nerubajske das Museum der heldenhaften Partisanen. Hier versteckten sich während der Schlacht um Odessa die Partisanen und führten von hier Kommandoaktionen gegen die Besatzer aus. Das Museum erinnert an die Partisanen und deren Leben im wortwörtlichen Untergrund. Hier könnt ihr unter Tage ein Krankenlager, einen Kommandoposten und eine Küche bewundern.

Die wilden Katakomben von Odessa

Es gibt natürlich noch unzählige weitere Zugänge, viele von ihnen sind noch nicht mal den Bewohnern der näheren Umgebung bekannt. Da die Katakomben von Odessa außerdem weit über die Stadtgrenzen hinaus reichen, ist der Zugang auch außerhalb der Stadt möglich. Auf einer Tour durch die wilden Katakomben von Odessa seht ihr den Untergrund mit eurem Guide und einer kleinen Gruppe. Hier seht ihr auch besser, wofür die Katakomben heute genutzt werden. Auch sind die Guides echte Katakomben-Enthusiasten und kennen sowohl alle Legenden, wie auch die echten Hintergründe. Wir fanden diese Tour definitiv sehr interessant. Allerdings solltet ihr dafür auch fit und angemessen gekleidet sein.

Orientierung in den Odessa Katakomben

Die Orientierung in den Katakomben ist schwierig, bereits nach wenigen Abbiegungen verlieren Einsteiger die Orientierung. Jedoch fallen an vielen Abzweigungen Markierungen auf. Die Katakomben-Enthusiasten können diese lesen. Auch hat unser Guide Iegor berichtet, dass er immer jemand Bescheid gibt, der die geplanten Ein- und Ausstiegszeiten, die Dauer und die Richtung vorher kennt. „So kann im Notfall jemand nach uns suchen“ sagt er. Ich sage sogar, welche Zigaretten ich mitnehme, da die Stengel auch eine Spur sein können und der Rauch nicht so schnell abzieht.

Katakomben von Odessa
Achtung: Wasser!!! Nur eine der Gefahren unter Tage

Kann man alleine in die Katakomben?

Grundsätzlich kann man alleine in die Katakomben von Odessa. Das ist allerdings keine besonders gute Idee. Es ist dunkel, manche Bereiche sind vom Einsturz bedroht, andere überflutet. Und versucht mal, hier unten nach Hilfe zu rufen oder euer Smartphone zu benutzen, wenn etwas passiert. Und nicht nur die Geschichte von Mascha zeigt uns, dass man hier schnell die Orientierung verlieren kann. Immer wieder kommen hier unten Menschen zu Tode. Gerüchte um Satanisten, die die Tunnel für sich nutzen, halten sich ebenfalls hartnäckig. Und auch Leichen sollen hier immer mal wieder von ihren Mördern entsorgt werden. Gründe genug also, den Abstieg besser nicht auf eigene Faust zu wagen.

Ausrüstung

Wenn ihr euch dennoch traut, in die Unterwelt von Odessa hinabzusteigen, dann benötigt ihr ein paar Dinge auf jeden Fall: eine Taschenlampe mit Ersatzbatterien, einen Helm, eine gute Karte, ein Feuerzeug. Ihr solltet außerdem bedenken, dass die Temperatur hier unten meist zwischen 10 und 15 Grad beträgt, zieht euch also auch im Sommer warm an.

Katakomben von Odessa
Die geführten Touren führen durch zumeist gut erschlossene Teile der Katakomben

Touren durch die Katakomben von Odessa

Es gibt eine Vielzahl von Firmen, die Touren durch die Katakomben von Odessa anbieten. Folgende fanden wir besonders interessant:

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Markus Bingel hat lange in Polen, der Ukraine und Russland studiert und gearbeitet. Als Reisebuchautor zieht es ihn mehrmals im Jahr in die Länder des „Wild East“ – und noch immer ist er jedes Mal fasziniert von dieser Region. Als Co-Gründer des Blogs möchte er euch gerne die unbekannten, spannenden und immer wieder überraschenden Seiten Osteuropas vorstellen.

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