Das umfangreiche Prosawerk stellt Arnold Zweig in eine Reihe mit den großen deutschsprachigen Romanciers des 20. Jahrhunderts. Der 1887 in einer jüdischen Kaufmannsfamilie in der Festungsstadt Glogau (heute Głogów in Niederschlesien) geborene Schriftsteller bekam bereits in seiner Kindheit einen latenten Antisemitismus zu spüren. Nachdem das preußische Kriegsministerium den Handel mit jüdischen Kaufleuten untersagt hatte und das Fourage-Geschäft des Vaters bankrottgegangen war, musste er mit neun Jahren das „Jugendparadies“ an der Oder verlassen.
Die Zweigs gingen nach Kattowitz (Katowice), wo der Dichter zuerst die Real- und danach die Oberrealschule besuchte und mehrere Freundschaften schloss, die in wesentlichem Maße seine geistige Entwicklung beeinflussten. Mit den schlesischen Schulfreunden gab Zweig ein Jahr lang die Zweimonatsschrift „Die Gäste“ heraus, die für den angehenden Schriftsteller eine wichtige Form der dichterischen und theoretischen Selbstverständigung war.
Nach der bestandenen Reifeprüfung begann seine Studienlaufbahn, die er an der Breslauer Universität antrat. Darauf studierte er auch in München, Berlin, Göttingen, Rostock und wiederum in der bayerischen Hauptstadt, wo er den Ausbruch des Ersten Weltkriegs erlebte. 1915 wurde ihm der Einberufungsbefehl zugestellt. Zweig nahm als einfacher Soldat direkt am Kriegsgeschehen teil und erlebte fast hautnah die „Hölle von Verdun“. Nach dem Krieg zog er nach Bayern und versuchte, sich in der ländlichen Landschaft vom Kriegstrauma zu erholen. Doch 1923, nach antisemitischen Ausschreitungen der NSDAP in München, war er gezwungen, sich erneut nach einem ruhigen Wohn- und Arbeitsort umzuschauen.
Die Wahl fiel auf Berlin, wo er eine Stelle als Redakteur bei der „Jüdischen Rundschau“ übernahm und als freier Schriftsteller tätig war. 1927 kam der lange erwartete literarische Durchbruch, und zwar mit dem Roman Der Streit um den Sergeanten Grischa. Dabei handelt es sich um den ersten deutschen Antikriegsroman, in dem der preußische Machtapparat und das Wesen des imperialistischen Raubkriegs entlarvt werden. Die Machtergreifung Hitlers bedeutete für den engagierten Pazifisten und Juden eine radikale Veränderung der Lebenslage. Da seine Existenz in der deutschen Metropole nun mit zahlreichen Gefahren verbunden war, traf er im März 1933 die Entscheidung, Deutschland den Rücken zu kehren.
Nach einem kurzen Aufenthalt im französischen Sanary-sur-Mer emigrierte er nach Palästina und ließ sich für fünfzehn Jahre auf dem Berg Karmel in der Nähe von Haifa nieder. Die wachsende Fremdheit erschwerte sein Leben im Exil, wie auch die Tatsache, dass er kein Hebräisch beherrschte, sondern sich stets der als faschistisch abgestempelten deutschen Sprache bediente. Enttäuscht und nicht genügend anerkannt kam er 1948 nach Europa zurück und erreichte nach einem Zwischenhalt in der Tschechoslowakei Ostberlin, das zu seinem endgültigen Domizil wurde.
Dabei sei anzumerken, dass Zweig nur zögerlich der Einladung der DDR-Führung Folge leistete, da ihm die Konsequenzen dieser Entscheidung offensichtlich bekannt waren. Nicht ohne Einfluss auf seine Wahl war ganz gewiss der Fakt, dass es nach dem Krieg für diesen unter der Last vergangener Jahrzehnte gedrückten Mann, der sich nach einem Ort sehnte, an dem die für einen Schriftsteller unerlässlichen finanziellen Lebensgrundlagen vorhanden waren, nur wenige Alternativen gab. Verschlossen blieb ihm unter anderem der Weg zurück in die in den letzten Kriegswochen fast völlig zerstörte, polnisch gewordene Stadt Glogau, deren einheimische deutsche Bevölkerung von den neuen Behörden vertrieben wurde.
Der Umzug nach Ostberlin leitete ein neues Kapitel im Leben und Schaffen Arnold Zweigs ein. Nach dem Tod Brechts war er der herausragendste, im östlichen Deutschland ansässige Autor. Er übernahm Ämter und politische Aufgaben, z. B. die Präsidentschaft der Berliner Akademie der Künste (1950–1953). Zeitungen und Zeitschriften verlangten nach Artikeln aus seiner Feder, er nahm regelmäßig Stellung zu aktuellen Fragen. Sein politisches Denken stand zwar im Dienst des Staates, aber Parteimitglied wurde er nie.
Ab Anfang 1960er-Jahre ließ Zweigs Aktivität aufgrund des fortschreitenden Alters allmählich nach. Die letzte Station des Dichters war das Krankenhaus, wo er am 26. November 1968 starb. Gemäß seinem letzten Willen wurde er auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin neben den Gräbern seiner Freunde – Johannes R. Becher, Bertolt Brecht und Heinrich Mann, beigesetzt.
Im Allgemeinen wird Zweig als ein Autor dargestellt, dessen Werk auf die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs zurückgreift, das palästinensische Exil wird genannt und dann Berlin, wo er in seinen Altersjahren lebte und wirkte. Es ist für ihn aber auch charakteristisch, dass er oft und gern Einzelheiten aus der schlesischen Zeit in Erinnerung ruft. Die Bilder der Jugend bleiben ihm bis zu seinem Tod im Gedächtnis. Es überrascht daher nicht, dass er Glogau, Kattowitz und Breslau als „Festungen seiner Jugend“ bezeichnet.
Damit möchte Zweig in erster Linie unterstreichen, dass die Erlebnisse dieser Jahre eine unübersehbare Rolle für seine spätere Laufbahn gespielt haben. Andererseits ist es Ausdruck seiner Sehnsucht nach „einer Epoche, in der die Erdkruste unerschütterlich fest gegründet schien“, weil man noch an die herrschende Macht des Friedens im zivilisierten Europa glaubte. Nachdem sich dieser Glaube im Ersten Weltkrieg als trügerisch erwiesen hatte und später die deutsche Republik immer tiefer im Schatten des Nationalsozialismus versunken war, vermochte er festzustellen: „Ja, die Welt ist schön, aber wir werden noch einiges zu tun haben, um sie so heimatlich zu gestalten, wie einst jenes Schlesien war […]“.
In diesem Zusammenhang sei auf die zum Bestand der Schlesischen Bibliothek (Kattowitz) gehörende Arnold-Zweig-Sammlung hingewiesen, die 2008 von dem deutschen Bibliophilen Bernhard Stübner übergeben wurde und die das Titelbild dieses Beitrags ziert. Er war bereits seit seiner Jugend ein begeisterter Leser der Werke Zweigs und hat über die Jahrzehnte versucht, von allen Ausgaben ein Exemplar zu erwerben, auch von denen, die in kleinen Auflagen, zu besonderen Anlässen bzw. zu bibliophilen Zwecken gedruckt wurden. Um das Schicksal der Sammlung nach seinem Tode besorgt, traf Stübner noch zu Lebzeiten Maßnahmen, um einen geeigneten Aufbewahrungsort dafür zu finden.
Durch Vermittlung des Goethe-Instituts in Krakau und der Polnischen Botschaft in Berlin wurde der Kontakt mit der Leitung der Schlesischen Bibliothek aufgenommen. Darauf folgten Gespräche und Begegnungen, die mit der endgültigen Entscheidung Stübners, seine Sammlung dieser Einrichtung zu verschenken, ausgingen.
Der Nachlass besteht aus knapp 800 verzeichneten Positionen und umfasst die Erstausgaben von Zweigs Werken, deren weitere Auflagen, zahlreiche Übersetzungen sowie eine umfangreiche Sekundärliteratur zu seinem Leben und Werk. Manche Bücher enthalten handschriftliche Widmungen des Autors für Bekannte und Freunde. Der gesamte Bestand ist frei zugänglich.
Buchtipps Arnold Zweig
Mit Der Streit um den Sergeanten Grischa gelang Arnold Zweig einst der Durchbruch.
Das Buch Erziehung vor Verdun, das später auch verfilmt wurde, ist eines der empfehlenswertesten Werke von Arnold Zweig.
- Zweig, Arnold(Autor)
Der Autor dieses Textes war Herausgeber des Konferenzbandes Arnold Zweig zum fünfzigsten Todestag (2019), der hier bestellt werden kann.