Bauhaus Dessau – man könnte meinen, diese Worte gehörten zusammen wie Pech und Schwefel. Und wer heute nach Dessau fährt, findet tatsächlich noch viele der Originalbauten dieser Architekturschule. Durch die Bedeutung des Bauhauses als eine der Keimzellen der modernen Architektur erklärte die UNESCO die Bauhaus-Gebäude zum Weltkulturerbe. Heute könnt ihr die meisten Gebäude einfach besichtigen und sehen, wie das Bauhaus quasi als Petrischale der Moderne begann.
Bauhaus Weimar – von Rechtskonservativen vertrieben
Tatsächlich stammte das Bauhaus aus Weimar. Hier war die ehemalige Kunstgewerbeschule groß geworden. Hier wurden die ersten Projekte verwirklicht. Doch im Februar 1924 änderte sich die Lage. Rechtskonservative Parteien hatten die Wahlen in Thüringen gewonnen. Das Bauhaus war ihnen ein Dorn im Auge. Schon lange hatten sie eine Schließung des Bauhauses gefordert, deren Mitglieder sie bolschewistischer Umtriebe verdächtigten. Volksbildungsminister Richard Leutheußer kündigte dem Bauhaus zum 31. März 1925 und halbierte die finanziellen Mittel. Bauhaus-Direktor Walter Gropius ging in die Offensive und versuchte das Bauhaus in eine GmbH zu verwandeln. Er gründete einen Freundeskreis des Bauhauses, dem sogar Albert Einstein beitrat. Doch in Thüringen stieß er auf taube Ohren. Mehrere Städte warben um das Bauhaus. Doch nur eine Stadt verfolgte die Anwerbung mit Nachdruck.
Das Bauhaus kommt – nach Dessau
Dessau war Mitte der Goldenen Zwanziger eine eher sozialdemokratisch geprägte Stadt. Regiert wurde sie von Fritz Hesse (DDP), der sich persönlich bemühte, das Bauhaus nach Dessau zu holen. Dessau wuchs wegen mehrerer hier angesiedelter Fabriken schnell. IG Farben und die Junkers-Werke von Hugo Junkers zogen viele Arbeiter an. Für diese Menschen brauchte die Stadt Wohnraum, hatte aber bisher kein Konzept dafür. Das Bauhaus mit seinem Versprechen eines rationalisierten und industrialisierten Wohnungsbaus versprach eine Lösung. So wurde das Bauhaus eine städtische Institution, als Hochschule für Gestaltung anerkannt und bekam neben einer neuen Heimstatt auch finanzielle Unterstützung und Aufträge zur Verwirklichung der Ideen.
Bauhaus Dessau – Gebäude für Lehre, Werkstätten und Wohnen
Das Bauhaus-Gebäude ist eine Ikone der Moderne. Wann immer es in einem Artikel um das Bauhaus geht, wird ein Foto des Bauhaus-Gebäudes abgebildet. Walter Gropius wollte an diesem Gebäude alle Funktionen des Bauhauses miteinander vereinen. Auf die Gestaltung des Gebäudes wurden alle Fachbereiche ausgerichtet, um es letztlich bis zum Dezember 1926 zu vollenden, nach nur eineinhalb Jahren Bauzeit. Es war das bis dahin größte Projekt des Bauhauses. Das Büro von Gropius selbst übernahm die Bauleitung.
Unterteilung des Bauhaus-Gebäudes
Der Bau wurde in verschiedene Bereiche unterteilt. Die klare Trennung sollte die Funktionen trennen und klarer herausstellen. Der Flügel für die Werkstätten mit einer riesigen Glasfront, die Kunstgewerbe- und Handwerkerschule, wurde verbunden durch einen Verwaltungstrakt. Im endgültigen Entwurf wurde dann noch ein Studentenwohnheim hinzugefügt, das auch Atelierbau genannt wurde. In diesem Haus befanden sich auch die Mensa (heute ein Café), die Aula und eine Bühne. Gropius verwirklichte so den Anspruch an sein Bauen, als „Gestaltung von Lebensräumen“.
Möblierung des Bauhaus-Gebäudes
Neben der Architektur war auch die Innenausstattung des Bauhauses revolutionär. Alle Möbel waren von der Tischlerei des Bauhauses hergestellt wurden. Marcel Breuer, Leiter der Tischlerei, arbeitete hierfür erstmals mit neuen Werkstoffen. Inspiriert durch die Stahlrohre, aus denen sein Fahrrad bestand, begann er diese für die Produktion der Möbel zu verwenden und bespannte sie mit Leder und Stoffen. Das bekannteste Beispiel dieser Entwicklung war der ikonische Clubsessel B3, der als Mutter aller Warteraumstühle gilt. Die Lampen wurden in der eigenen Metallwerkstatt und die Beschilderung in der Druckwerkstatt hergestellt.
Meisterhäuser Dessau – modernste Wohnräume für das Lehrpersonal
Auch für das Lehrpersonal sollte Wohnraum geschaffen werden, der den Geist des Bauhauses spiegelte. Hierzu entstanden die Meisterhäuser am Rande der Stadt in einem kleinen Kiefernwäldchen in fußläufiger Distanz zum Bauhaus-Gebäude. Hier wurden drei Doppelhäuser und ein Einzelhaus für Walter Gropius selbst errichtet. Die Direktorenvilla war auch so etwas wie das Schauobjekt für Wohnkonzepte des Bauhauses. Es war eine Verwirklichung des Neuen Bauens: Häuser, die industriell gefertigt wurden und günstig und schnell errichtet werden konnten.
Doppelhäuser
Die Doppelhäuser waren gespiegelt und beiden Hälften versinnbildlichten jeweils genau das Gegenteil voneinander. Gropius nutzte dafür eine Art Baukastenprinzip, bei dem die einzelnen Wohnräume wie Steine in einem Baukasten ineinander gesetzt wurden. In den Häusern lebten die Personen und Familien:
- Moholy-Nagy/Feininger
- Muche/Schlemmer
- Kandinsky/Klee
Anders als in den gemeinschaftlich genutzten Häusern konnten die Meister ihre eigenen Möbel erwerben oder bauen und auch den Anstrich selbst bestimmen. Paul Klee soll sein Atelier sechs Mal gestrichen haben, bis er sich für eine Farbe entschied.
Konzeption
Im Neuen Bauen des Bauhauses spiegelte sich auch die sich verändernde Gesellschaft der Weimarer Republik wider. Es gab weniger Dienstpersonal. Man setzte auf praktische Erreichbarkeit. So war unter anderem der Zugang zum Bad im Obergeschoss von drei Seiten aus möglich, um Wege zu sparen. Die Küchen waren reine Arbeitsküchen, während sie zuvor meist auch als Aufenthaltsräume dienten. Die Räume waren funktional eingerichtet und variabel. Die Oberflächen waren einfach sauber zu halten. Sanitär- und Wirtschaftsräume waren voneinander getrennt.
Einrichtung
Die meisten Bewohner verwendeten Bauhaus-Möbel. Wassily Kandinsky liebte Breuers Clubsessel sogar so sehr, dass Breuer ihn in Wassily-Sessel umtaufte. Im Haus Gropius wurden noch weitere Einrichtungsgegenstände wie ein ausklappbares Sofa (!), ein Ventilator und Einbauschränke hinzugefügt.
Funktionsräume
Alle Räume in den Häusern hatten Funktionen. Einige davon entsprachen auch den Vorstellungen der Bauhäusler vom menschlichen Zusammenleben allgemein. So hatten alle Bewohner meist eigene Zimmer, die sie nutzen konnten. In jedem Haus entstanden Ateliers, in denen die Künstler arbeiten konnten.
Probleme der Meisterhäuser
Als die Meisterhäuser errichtet wurden, war das Bauen mit so viel Stahl und Glas noch recht neu. Die Fenster waren daher mitunter nicht zu schließen und eine Wärmedämmung existierte quasi nicht. Die Häuser waren kalt und verschlangen Unsummen an Heizkosten. Die Mieter Klee und Kandinsky versuchten gar, von der Stadt einen Mietkostenzuschuss für die enormen Nebenkosten zu erhalten. Nach Auszug der Bauhäusler bauten die Nachnutzer die Häuser deshalb erheblich um. Durch Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg wurden das Haus Gropius zerstört und das benachbarte Doppelhaus schwer beschädigt. Anstelle des Gropius-Baus wurde ein Einfamilienhaus errichtet.
Neue Meisterhäuser
Weil die alten Meisterhäuser zum Teil zerstört waren, gab es eine lange Diskussion um einen Wiederaufbau. Letztlich entschied die Stiftung für das Bauhaus jedoch, sie nicht originalgetreu wieder aufzubauen. Stattdessen wollte man die städtebauliche Lücke schließen. Das Architekturbüro Bruno Fioretti Marquez entwarf die Häuser nach dem Leitsatz der Architektur der Unschärfe neu. So wurde das Erscheinungsbild „repariert“. Jedoch haben die Gebäude keine durchsichtigen Glasfenster. Der Beton ist nackt. Alles wirkt wie ein Hohlkörper und hat keine Wohnfunktion mehr. Die Häuser haben zwar die ursprüngliche Gestalt, sind aber eigenständige Kunstwerke.
Bauhaus Dessau Trinkhalle
1932 ergänzte Ludwig Mies van der Rohe direkt an der Straßenecke der Meisterhäuser einen Kiosk, der auch Trinkhalle genannt wird. In den Sechzigern wurde er abgerissen. 2016 wurde auch die Trinkhalle wiedereröffnet und steht nun ebenfalls in der minimalistischen Form des Hauses Gropius wieder als Kiosk offen. Bei unserem Besuch war sie jedoch leider geschlossen. Geöffnet ist die Trinkhalle in den Sommermonaten am Wochenende (Freitag–Sonntag, 9–17 Uhr).
Siedlung Törten – Bauhaus für die breite Masse
Walter Gropius selbst begann 1926 mit der Planung der Siedlung Törten. 60 Einzelwohnhäuser mit Garten wurden zunächst in der Wohnsiedlung eröffnet. Später folgten noch zwei weitere Bauphasen, in denen jeweils an der Architektur der Häuser etwas geändert wurde. Er nahm die Kritik der Bewohner auf, verbreiterte Häuser und Gärten und veränderte die Raumaufteilung. In der Bauphase Törten II kamen weitere 100 Häuser, in Törten IV nochmals 156 Häuser hinzu. In der Siedlung konnte Gropius erstmals seine Vorschläge zur Überwindung der damaligen Wohnungsnot umsetzen. Bauen sollte günstiger, standardisiert und rationaler werden. Anders als beim Berliner Flughafen wurden sowohl Zeit- auch als Kostenplan eingehalten. Erstmals waren die Häuser auch für Arbeiter erschwinglich.
Haus der Familie Anton
Die meisten Häuser wurden später von ihren Besitzern stark verändert. Eines der wenigen Beispiele eines originalen Hauses aus der Bauphase I hinterließ Familie Anton (Doppelreihe 35). Frau Anton zog als Erstbezieher ein und mochte die gestalterischen Ideen des Bauhauses. Sie beließ die meisten Dinge im Originalzustand. Heute gehört das Haus der Bauhaus-Stiftung und kann im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Sogar die Klingel und die Türgriffe sind noch original.
Konsumgebäude
Das Zentrum der Siedlung Törten bildet das Konsumgebäude, das 1928 fertiggestellt wurde. Es bot den Bewohnern der Siedlung eine heimnahe Versorgung an. Und durch den Konsumverein spiegelte es auch Ideen des genossenschaftlichen Zusammenlebens und Konsums wieder. Im Haus gab es zwei Läden und ein kleines Café. Auch am Konsum könnt ihr gut sehen, wie Walter Gropius die Gebäudeteile, ähnlich wie bei den Meisterhäusern, wie Bauklötze zusammensetzte. Anders als bei den Siedlungshäusern, wo die Wände aus Stahlbeton bestehen, wurden hier Ziegelsteine verbaut.
Laubenganghäuser
Anders als die normalen Häuser der Siedlung Törten waren die Laubenganghäuser als Gemeinschaftshäuser ausgelegt. Hannes Meyer, der nach Gropius 1927 die Leitung des Bauhauses übernahm, wollte so ganze Viertel entwickeln. Die Wohnungen waren eher klein. Nur 47m² zählten sie. Dafür gab es viele Räume, die die Hausgemeinschaften gemeinsam nutzen sollten: das Waschhaus, die Müllbeseitigung, Höfe und Gärten. Vor den Wohnungstüren gibt es lange Gänge, die wie ein Balkon genutzt werden können.
Stahlhaus
Das Stahlhaus war ebenfalls revolutionär, denn es bestand komplett aus Stahl und Glas. Entworfen wurde es von Georg Muche und Richard Paulick, der später übrigens Teile der Stalinallee und ganz Halle-Neustadt konzipierte. Durch die Stahlbauweise sollte das Stahlhaus modular aufgebaut sein und erweitert oder verkleinert werden können – je nach Bedarf. Leider ging der Versuch schief, denn das Haus leitete die Außentemperaturen zu gut weiter. Im Sommer war es heiß, im Winter sehr kalt. Das Haus war dennoch bis in die 1990er Jahre bewohnt und kann heute besichtigt werden.
Haus Flieger
Auch Carl Flieger, Assistent und Zeichner von Walter Gropius, baute sich sein eigenes Haus. Es wurde etwas abseits der Siedlung Törten errichtet und steht in der Nähe des Stahlhauses. Charakteristisch ist vor allem das halbrunde Treppenhaus. Das private Wohnhaus kann nicht besichtigt werden.
Strommast
Wahrscheinlich könnt ihr euch kaum vorstellen, dass euch ein Strommast mal faszinieren würde. Aber dazu müssen wir sagen, dass der Strommast der Siedlung Törten für die damalige Zeit revolutionär war. Elektrizität galt als modern und spiegelte den industriellen Fortschritt wider. Nicht umsonst sprach Lenin vom Kommunismus als Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes. Gropius wollte das ändern und die Elektrizität den Leuten einfach nach Hause bringen. So entwarf er auch einen Strommast, der auch zeigen sollte: Seht, hier ist der Strom für alle verfügbar.
Bauhaus Arbeitsamt Dessau
Auch in Politik und Verwaltung änderte sich während der Weimarer Republik vieles. 1927 übernahm der Staat die Arbeitsvermittlung und -versorgung. Durch die wirtschaftlichen Verwerfungen in Deutschland und Europa herrschte eine hohe Arbeitslosigkeit. Auch in der Stadt Dessau mussten die Behörden auf das Bedürfnis reagieren und gaben ein neues Arbeitsamt in Auftrag. 1928 bis 1929 entwickelte Gropius diesen neuen Typ eines Verwaltungsgebäudes. Alles wurde genau den Ansprüchen angepasst.
Durchlauferhitzer für Arbeitslose
Gropius hatte das Gebäude in Form eines Halbkreises angelegt. Durch eine strukturierte Führung sollte die Durchlaufkapazität des Hauses möglichst hoch sein, um viele Personen versorgen zu können. Hierzu gab es insgesamt sechs Zugänge – nach Geschlecht und Berufsgruppen getrennt. Das Tageslicht wurde über spezielle Deckenlichter verteilt – das war auch eine Spezialität von Gropius, die er schon im Haus am Horn anwandte. Heute sitzt hier das Ordnungsamt, weswegen wir empfehlen, auf dem nebenliegenden Parkplatz vor einer Besichtigung ordnungsgemäß die Parkgebühren zu zahlen.
Kornhaus
Eines der landschaftlich schönsten Häuser des Bauhauses ist das Dessauer Kornhaus. Es liegt direkt an der Elbe und fungiert heute noch wie zu seiner Eröffnung 1930 als Ausflugslokal. Das Gebäude wurde von Carl Flieger entworfen und aus Stahlbeton und Ziegeln errichtet. Besonders daran ist, dass es an der Straßenseite zweigeschossig ist, an der Flussseite jedoch einstöckig. Der gläserne, kreisrunde Wintergarten lässt das Gebäude fast wie ein Schiff wirken.
Bauhaus-Museum
Das Bauhaus-Museum befindet sich, anders als man vermuten würde, nicht im Bauhaus-Gebäude. Hierzu wurde eine postmoderner Glasbau direkt im Zentrum der Stadt errichtet. Im Archiv der Stiftung Bauhaus gibt es 50.000 Objekte. Sie sollten gezeigt werden. 2019, zum 100. Jubiläum des Bauhauses, wurde das Museum eröffnet, wie übrigens auch das Bauhaus-Museum in Weimar. Auch in Dessau könnt ihr viele Objekte erleben, die von den Bauhaus-Künstlern geschaffen wurden. Der Licht-Raum-Modulator war zum Beispiel ein Werk von László Moholy-Nagy. Zudem gibt es die Möbel des Bauhauses (wie den Clubsessel B3 oder den Stuhl von Mies van der Rohe), die Lampen (wie die Wagner-Leuchte) oder Teppiche (wie den von Grete Reichardt).
Buchtipps
Ihr wollt noch mehr über das Bauhaus Dessau erfahren? Hier haben wir für euch ein paar Bücher zu dem Thema zusammengestellt.
Der von der Bauhaus-Stiftung Dessau herausgegebene Bildband stellt alle Bauhaus-Bauten in Dessau vor und zeigt auch, wie diese heute genutzt werden.
Das über 500 Seiten starke Buch von Magdalena Droste gilt mittlerweile als eines der Standardwerke über das Bauhaus. Wunderbar illustriert wird hier vor allem die Geschichte des Bauhaus unter die Lupe genommen.
- Bauhaus Kooperation Berlin Dessau Weimar (Autor)
Das Buch ist wie ein Atlas aufgebaut und führt euch nicht nur zu den Bauten in Weimar und Dessau, sondern auch zu anderen Bauhaus-Gebäuden in verschiedenen Teilen Deutschlands.
- Stiftung Bauhaus Dessau (Autor)
Kann das Bauhaus auch für Kinder interessant sein? Auf jeden Fall, das beweist dieses Buch über Dessau!