Beelitz Heilstätten – Lungenheilanstalt, Militärkrankenhaus und Gruselort

Heute nehmen wir euch mit auf das Areal der ehemaligen Beelitz Heilstätten. Hier begegnen wir Hitler, Honecker und mehreren mysteriösen Mördern.

Inhaltsverzeichnis

Im Großraum Berlin und in Brandenburg ist das kleine Örtchen Beelitz, ca. 60 Kilometer südwestlich des Berliner Stadtzentrums bzw. 30 Kilometer südwestlich von Potsdam gelegen, allgegenwärtig: Spargel aus Beelitz gilt als hochwertige Delikatesse, die im Frühling in Lebensmittelgeschäften und auf Straßenmärkten offensiv beworben wird. Weniger bekannt ist das riesige, über 200 ha umfassende Areal der ehemaligen Beelitz Heilstätten mit seinen über 60 Gebäuden. Diesen „Lost Place“ wollen wir in diesem Artikel gemeinsam erkunden.

Beelitz Heilstätten
Das Denkmal für die Rotarmisten ist eines der bekanntesten Sehenswürdigkeiten in den Beelitz Heilstätten.

Die bewegte Geschichte der Beelitz Heilstätten

Um die Anfänge der größten deutschen Lungenheilanstalt zu untersuchen, müssen wir 130, 140 Jahre zurück in der Zeit reisen. Im ausgehenden 19. Jahrhundert boomte die deutsche Industrie und in den Metropolen lebten Hunderttausende von Arbeitern mit ihren Familien auf engstem Raum zusammen. Die katastrophalen hygienischen Bedingungen waren Brutstätte von Infektionskrankheiten, die die Menschen in großer Zahl dahinrafften. Besonders die Tuberkulose (Tbc), eine zumeist die Lunge befallende Erkrankung, war weit verbreitet und im Deutschen Reich die häufigste Todesursache in der Altersgruppe zwischen 15 und 40 Jahren. Als bestes Heilmittel gegen die tückische Krankheit wurde damals das längerfristige Einatmen von frischer, sauberer Waldluft empfohlen.

Bade- und Duschraum, Aufnahme aus dem Jahr 1904

Einrichtung der Beelitz Heilstätten

Aus diesem Grund wurden ab 1898 im Auftrag der Landesversicherungsanstalt Berlin ein Sanatorium in den abgelegenen Kiefernwäldern von Beelitz errichtet, das 1902 erstmalig Patienten aufnahm. Die Bettenkapazität wurde wenige Jahre später von 600 auf 1200 sogar noch verdoppelt. Eine Zuglinie verband die Lungenheilanstalt, die von einem eigens errichten Kraftwerk mit Strom und Wärme versorgt wurde, mit der Millionenmetrople Berlin.

Beelitz Heilstätten
Das „Alpenhaus“, eröffnet 1907, diente ursprünglich als Frauenkrankenhaus und hatte Platz für 273 Patientinnen.

Um den damals vorherrschenden moralischen Vorstellungen des wilhelminischen Deutschlands zu genügen, wurden Männer und Frauen in den Beelitz Heilstätten in strikt getrennten Bereichen untergebracht. Zusätzlich erfolgte eine weitere Unterteilung zwischen ansteckenden und nicht ansteckenden Patienten. Neben anderen Behandlungen sorgten ausgiebige Spaziergänge in den Wald- und Parkarealen oder stundenlange Liegekuren in der weitgehend staubfreien Frischluft für Linderung und Heilung. Auf Postkarten berichteten Patienten ihren Angehörigen stolz von ihrem Genesungsprozess: „Minna, ich habe schon drei Pfund zugenommen!“

Beelitz Heilstätten Lungenheilanstalt
Das Gelände der Heilstätten sollte der Erholung der Lungenkranken dienen.

Kurzzeitige Umwandlung in ein Lazarett

Im Herbst 1914 war es jedoch vorbei mit der Krankenhaus-Idylle im märkischen Sand: statt kranker, ausgezehrter Großstädter lagen nun zwangsweise verwundete Soldaten in den Betten. Der Erste Weltkrieg hatte begonnen und die Prioritäten waren plötzlich andere. Die feldgrau Uniformierten sollten flott wieder gesunden, um erneut an der Front ihr Leben riskieren zu können. Über 12.000 Soldaten wurden in den vier Weltkriegsjahren hier eingeliefert. Unter ihnen war auch der einfache Gefreite Adolf Hitler, der nach einer Verwundung im Herbst 1916 für zwei Monate in Beelitz behandelt wurde.

Hörsaal Beelitz Heilstätten
Im Hörsaal der Heilstätten wurden einst Studenten ausgebildet.

Erweiterung der Anlage

In den 1920er Jahren fokussierte man sich in den Beelitz Heilstätten jedoch erneut auf die Tbc-Kranken und die Nachfrage überstieg das Angebot. Deshalb erweiterte man in einer dritten Baustufe von 1926 bis 1930 die Kapazitäten erneut. Und diese zusätzlichen Betten wurden ab 1939 auch dringend benötigt, als die Heilstätten Beelitz erneut als Militärlazarett fungierten. Ende April 1945 wurde Beelitz im Rahmen des sowjetischen Angriffs auf die Reichshauptstadt sogar noch zum Kriegsschauplatz. Versprengte deutsche Armeeeinheiten lösten das Lazarett auf und die ca. 3000 Patienten konnten sich größtenteils mit Hilfe der Wehrmacht nach Westen absetzen, um einer Gefangennahme durch die Rote Armee zu entgehen.

Übernahme durch die Sowjets

Obwohl die Heilstätten durch Luftangriffe und die Kampfhandlungen vom April 1945 teilweise zerstört worden waren, übernahm das sowjetische Militär das Krankenhaus, reparierte es und nutzte es fortan für seine Soldaten. Fast fünfzig Jahre lang, von 1945 bis 1994, sollte es als größter sowjetischer Krankenhauskomplex außerhalb der Sowjetunion fungieren.

Beelitz Heilstätten
Die Chirurgie wurde noch bis in die 1990er Jahre von der Roten Armee genutzt, aber auch hier nagt der Zahn der Zeit an der Bausubstanz.

Honecker in Beelitz

In den Fokus der Weltöffentlichkeit rückten die Beelitz Heilstätten jedoch erst noch einmal nach dem Zusammenbruch der DDR. In den konfusen Wendemonaten nach Fall der Berliner Mauer nahm das Militärkrankenhaus Beelitz, dessen Grund und Boden einen exterritorialen Status – vergleichbar einer Botschaft – genoss, seinen wohl berühmtesten Patienten auf. Der abgesetzte, ehemalige Staatschef der DDR Erich Honecker wurde wegen eines Krebsleidens hier behandelt. Honecker, der wegen diverser Verbrechen angeklagt wurde, entzog sich so dem Zugriff der Ermittlungsbehörden. Nach fast einjährigem Aufenthalt in Beelitz flogen die Sowjets Honecker und seine Ehefrau Margot im März 1991 mit einem Militärjet nach Moskau aus. Nur drei Jahre später endete mit dem Abzug der letzten sowjetischen/russischen Truppen aus dem Ostteil des wiedervereinten Deutschlands auch dieses Kapitel der Heilstätten Beelitz.

Beelitz Heilstätten

Die Bestie von Beelitz

Nach dem russischen Abzug begann für das alte Krankenhausareal Beelitz Heilstätten eine längere Periode des Vergessens und des Verfalls. Unklare Eigentumsverhältnisse, wechselnde Investoren und die düstere Atmosphäre der Heilstätten sorgten dafür, dass die Gebäude zu Ruinen verfielen und in der Satanisten- und Gothik-Szene zu einem populären Gruselort wurden. Der morbide Charme und die unheimliche Ruinen-Ästhetik wurden durch ein grausames Verbrechen in der Realität noch unterfüttert. Im März 1991 fielen eine junge Mutter und ihr Neugeborenes, nur wenige Meter außerhalb des Klinikgeländes, einem bestialischen Mord zum Opfer.

Die brutale Tatausführung ähnelte der Vorgehensweise eines Serienmörders, der seit Herbst 1989 die Region unsicher machte: die „Bestie von Beelitz“, wie der Boulevard den Mörder reißerisch taufte, hatte erneut zugeschlagen. Erst im August 1991 konnte er von zwei Joggern überwältigt werden, denen eine 1,90m-Hühne, der in rosa Frauenunterwäsche in einem Waldstück masturbierte, aufgefallen war. Der Lustmörder Wolfgang Schmidt, der in der Haft zu Beate Schmidt wurde, tötete insgesamt sechs Menschen und sitzt bis heute im Gefängnis.

Beelitz Heilstätten
Geborstenes Fensterglas und vernagelte Türen: die Beelitz Heilstätten heute

Ein weiterer Mord

Auch im neuen Jahrhundert stand die vormalige Lungenheilanstalt der Beelitz Heilstätten wieder in Fokus der Öffentlichkeit. Nach einer erotischen Foto-Session in den verfallenen Räumlichkeiten kam erneut eine junge Frau ums Leben. Einer der Fotografen, ein promovierter Paläontologe aus dem süddeutschen Raum, nahm das 20-jährige Fotomodel mit in seine Pension in Beelitz. Dort kam es – so die Aussage des Hobbyfotografen – bei sado-masochistischen Sexspielen zu einem ungewollten Unfall. Rechtsmedizinische Untersuchungen und Fotos aus der Kamera des Beschuldigten wiesen jedoch eindeutig auf eine vorsätzliche Tat hin und der Saurier-Forscher wurde zu einer langjährigen Haft in einer Psychiatrie verurteilt.

Beelitz Heilstätten
In den Heilstätten gibt es viele Säle zu besichtigen

Ungewollte Gäste

Der „Dark Tourism“ nahm dadurch weiter zu, obwohl das Betreten der Beelitz Heilstätten schon lange verboten war. In einschlägigen Internetforen fantasierten Anhänger okkulter Riten von den Seelen Verstorbener, die bei Nacht durch die Gebäude zögen. Die illegalen Besucher, egal ob Satanisten, Fotografen auf der Suche nach morbiden Motiven oder Teenager, die sich nächtens einfach mal richtig gruseln wollten, wurden zahlreicher. Mehrere dieser zumeist nächtlichen Exkursionen endeten mit Unfällen in den baufälligen Hinterlassenschaften, schweren Verletzungen und einem weiteren Todesfall: Ein 25-jähriger Mann starb 2010, wenige Tage nachdem er im vierten Stock aus einem Fenster gestürzt war, im Krankenhaus in Berlin. 

Beelitz Heilstätten
Der stählerne Baumkronenpfad wurde 2015 eröffnet und 2020 nochmals deutlich erweitert

Die Heilstätten heute – Der Baumkronenpfad

Erst 2015, nach diversen gescheiterten Revitalisierungsversuchen, kam langsam nachhaltige Bewegung in die Zukunftsgestaltung der denkmalgeschützten Heilstätten. Ein touristisches Konzept für zukünftige Besucher, aber auch eine wirtschaftliche Nutzung des Areals mit Wohnbebauung und teilweiser Wiedernutzbarmachung der Räumlichkeiten wurde konkretisiert. Im gleichen Jahr eröffnete der spektakuläre Baumkronenpfad, der in gut 20 Meter Höhe über einen Teil der Ex-Klinik führt, feierlich.

Nach dem Ausbau des Pfades im Sommer 2020 misst er nun eine Gesamtlänge von über 700 m und wartet mit Attraktionen wie der Riesenhängematte, der für Kinder konzipierten Kletterschlange „Sky Boa“ oder der „Gänsehaut-Brücke“ auf. Infos zu Öffnungszeiten und Eintrittspreisen findet ihr hier.

Beelitz Heilstätten Chirurgie
Ehemaliger OP in den Heilstätten – heute vermutlich nicht mehr vorhanden.

Führungen durch Chirurgie und Alpenhaus

Die teilweise stark verfallenen Gebäude – wie die Chirurgie oder das Alpenhaus mit seinem bewaldeten Dach – können aus Sicherheitsgründen nur im Rahmen von organisierten Führungen besucht werden. Dabei bekommt ihr einen Einblick, wie die Räume der Heilanstalten einst von innen aussahen. Die Guides zeigen euch Fotos von der früheren Nutzung. Drin könnt ihr zudem auch sehen, wie die Gebäude während der Sowjetzeit aussahen. Attraktiv sind auch speziell auf (Hobby-)Fotografen ausgerichtete Themenführungen.

Barfußpark

Und wem die verfallenen Ruinen vielleicht nicht so zusagen oder wer mal Lust auf „Nicht-Historisches“ hat, der findet eine abwechslungsreiche Betätigungsalternative in direkter Nachbarschaft. Im Barfußpark – nomen est omen – kann man die Faszination des „ohne-Schuhe-Gehens“ erleben. Auf vier farblich markierten Rundkursen kommt man diversen natürlichen Untergründen so nah wie sonst kaum. Außerdem kann der ansonsten immer gut besohlte Großstadtbewohner feststellen, dass Hornhaut unter den Füßen durchaus ihre Daseinsberechtigung haben kann! Details zum Barfußpark sind hier abrufbar.

Beelitz Heilstätten
Die Natur erobert das vormalige Waldgebiet zurück.

Anfahrt

Die Heilstätten Beelitz sind definitiv eines der attraktivsten und facettenreichsten Ausflugsziele im Berliner Umland. Mit dem Pkw erreicht man Beelitz über die A10/9 in ca. 45 Minuten ab Berlin Stadtmitte. Eine ausgezeichnete Alternative ist auch die Regional-Express (RE 7) ab Berlin Hauptbahnhof, der auf 42 Minuten Fahrzeit kommt. Der Zielbahnhof Beelitz Heilstätten war, interessante historische Randnotiz, bis 1994 auf Deutsch und Russisch beschildert: Вокзал Белитц-Хайльштеттен.

Buchtipps

Der wunderbare Band aus der Reihe „Lost Places“ kann mit seinen Schwarz-Weiß-Fotografien punkten und setzt die Beelitz Heilstätten so bestens in Szene.

Wer sich eher für die Geschichte der Heilstätten Beelitz interessiert, der wird in diesem kompakten Buch bestens informiert.

Dieser Band fokussiert sich eher auf die Architekturgeschichte des Komplexes und bietet auch anhand historischer Aufnahmen viele spannende Einblicke.

Und dieser Bildband konzentriert sich nicht nur auf die Beelitz Heilstätten, sondern hat auch viele andere Lost Places in Brandenburg im Blick.

Wie hat euch unser Ausflug zu den Beelitz Heilstätten gefallen? Lasst es uns wissen und schreibt uns einen Kommentar! Folgt uns gerne auch auf Facebook für weitere spannende Artikel!

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Lars Dörenmeier arbeitet nach einem Geschichtsstudium und dem Berufseinstieg im Journalismus mittlerweile seit vielen Jahren als freiberuflicher Reiseleiter und Buchautor. Das Erkunden fremder Länder, die mit jedem Besuch weniger fremd werden, und der Kontakt mit den Einheimischen vor Ort fasziniert ihn. Neben asiatischen und nordeuropäischen Destinationen durchstreift er mit großer Passion auch immer wieder die bunte Staatenwelt Osteuropas.

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