Jugendstilarchitektur in Ost-Berlin – Die schönsten Bauten der Jahrhundertwende

In unserem neuen Beitrag stellen wir euch die schönsten Gebäude des Jugendstil in Berlin vor und beleuchten dabei vor allem den Osten der Stadt.

Inhaltsverzeichnis

Dass die Moderne in der Architektur von Berlin nicht erst in den 1920er Jahren, sondern schon Ende des 19. Jahrhunderts begann, ist ein wenig bekanntes Phänomen. In der Zeit von 1890 bis 1914 formierten sich nicht nur in Paris, München, Brüssel und Wien Laboratorien eines neuen Stils. Der immense industrielle Aufschwung ging mit ungeahntem Bevölkerungswachstum und zunehmendem Reichtum einer bürgerlichen Klasse einher.

Nie zuvor wurde in den Metropolen Europas so viel gebaut wie zu dieser Zeit. Da kamen die neuen „Wundermaterialien“ Stahl, Beton, Glas und Eisen für den Bau von Verkehrsbauten, Gerichten, Warenhäusern, Schulen, Villen, Badeanstalten und Mietshäusern gerade recht. In diesem Beitrag stellen wir euch die schönsten Bauten des Jugendstil in Berlin einmal genauer vor. Wenn ihr euch für die klassischen Ost-Berliner Sehenswürdigkeiten interessiert, werdet ihr übrigens hier fündig. Und hier geht es zu den interessantesten DDR-Bauten in Berlin.

Im Stadtbild von Berlin tauchten Fassaden mit auffälligen Schildgiebeln, metallverkleideten Halbbogenfenstern, rundgeführten Erkern, schmiedeeisernen Balkonen, flächigen Pflanzenornamenten und bunt gekachelten Oberflächen auf. Der Abgrenzungswille gegenüber dem neobarocken Wilhelminismus war groß.

Weit mehr „Schnörkel“-Bauten als gedacht überstanden die beiden Weltkriege, in vielen Fällen jedoch nicht unbeschadet. Was Bomben und Granaten nicht geschafft hatten, besorgte in West-Berlin eine vom Senat geförderte Berliner Stuck-Abschlagsprämie, die im Einklang mit der Architektur der Neuen Sachlichkeit nach 1920, aber vor allem in den 1950er und 1960er Jahren Anwendung fand. Aber auch die verzierten Fassaden in Ost-Berlin wurden im großen Stil „eingeschäumt und rasiert“ (H.G. von Gaertringen).

Seit der Wiedervereinigung ist ein Trend zur Rückbesinnung zu erkennen. Nicht selten werden seither nach erfolgter Sanierung inklusive Wärmedämmung die Originalfassaden wiederhergestellt. Das Berliner Landesdenkmalamt weist 275 noch existierende und denkmalgeschützte Jugendstilgebäude für Berlin aus. Dass viele dieser Bauten in Ost-Berlin unter anderem deshalb noch erhalten sind, weil Erich Honecker ein Faible für den dem Kunsthandwerk verpflichteten Stil hatte, ist eine Fußnote der Geschichte. Er selbst besaß eine Jugendstil-Villa in Schwerin.

Das sind die schönsten Bauten des Jugendstil in Berlin

Stadtgericht

Adresse: Littenstraße 11–17, Mitte

Es war einst das zweitgrößte Bauwerk der Stadt nach dem Berliner Schloss. Die beiden Architekten Paul Thoemer und Rudolf Mönnich hatten den Prachtbau im wilhelminischen Barockstil geplant. Allerdings bevorzugte der Baumeister Otto Schmalz den Jugendstil und änderte den Entwurf kurzerhand ab. So entstand ein 200 Meter langer, auf rechteckigem Grundriss konzipierter Prachtbau mit Turmaufsätzen und einem unverwechselbaren Jugendstil-Treppenhaus, das sich über vier Etagen erstreckt und mit reichlich geschwungenen Linien, Stuck und Treppengittern aufwartet. Das neobarocke Eingangsportal wird vertikal durch eine Vielzahl von Pilastern und ein großes metallverglastes Halbbogenfenster betont. Mehrere Querverbindungen erschließen die Lichthöfe dieses gigantischen Justizpalastes, der bis 1990 Sitz des Obersten Gerichts der DDR war.

Jugendstil in Berlin

Admiralspalast

Adresse: Friedrichstraße 101–102, Planckstraße 21, 23, Mitte

Das 1911 auf dem Areal des früheren Admiralsbads entstandene Revuetheater wurde von dem Architekten Heinrich Schweitzer als Teil eines glamourösen Vergnügungspalastes mit Badehaus, Eislaufbahn, Lichtspielhaus und Restaurant entworfen. 1922 wurde das Konzept des Hauses geändert. Die Architekten Kaufmann und Wolfenstein bauten die Eisbahn in ein Variété-Theater mit über 1000 Plätzen um. In seiner heutigen Form existiert der Admiralspalast seit 1939, das Gebäude blieb im Zweiten Weltkrieg weitestgehend verschont. Bei der Sanierung des inzwischen den Samwer-Brüdern gehörenden Bäderkomplexes konnten noch Originaljugendstilfliesen und Glasmosaiken aufgebracht werden, die die Kriegswirren im Lichtenberger Depot verbracht hatten.

Die Frontfassade des Gebäudeteils zur Friedrichstraße zieren neoklassizistische dorische Halbsäulen aus Granit und Relieftafeln, aber auch filigrane Balkone. Die Fassade zur Planckstraße zeigt Pflanzenornamentik und die typischen Farben des Jugendstils: dunkelbeige, kastanienbraun, zinnoberrot und flaschengrün. Kleine rundgeführte Erker und ein Spitzensaum unter dem Gesims verleihen dem Bau eine pompöse Verspieltheit. Die erst im Hof einzusehende Frontseite des Theaters ist heute gänzlich in Weiß gehalten. Einzig die sechs- und achteckigen Fensteröffnungen erinnern noch an den Jahrhundertwendestil. Definitiv also einer der schönsten Bauten des Jugendstil in Berlin!

Hackesche Höfe

Adresse: Rosenthaler Straße 40/41, Mitte

Das größte geschlossene Hofareal Deutschlands zieht nicht nur Touristen in Scharen an. Der Architekt und Bauunternehmer Kurt Berndt entwarf die Wohn- und Gewerbehofanlage mit insgesamt acht Höfen, deren Hauptnutzer bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs das Deutsche Familienkaufhaus war. Die 1906 eingeweihten Hackeschen Höfe spielten aber auch sozial eine wichtige Rolle, die Festsäle dienten als Begegnungsstätte. Der Berliner Architekt August Endell zeichnete für die bis heute in Teilen erhaltene opulente Innenraum- und Hoffassadengestaltung im Jugendstil verantwortlich.

Die Innenhöfe bieten eine große Auswahl an Farbkombinationen aus Kacheln und Verblendsteinen sowie an Fensteröffnungstypen, die für den Jugendstil typisch waren. Die Straßenfassaden orientierten sich jedoch an den Vorlieben des Kaiserhauses und wiesen Elemente des wilhelminischen Eklektizismus wie etwa eine neobarocke Dachlandschaft und ägyptische Skulpturen auf. Das heutige, mit zwei riesigen Rundbögen und metallverglasten Fensterreihen mit schwarzen Friesen ergänzte, an die abgewinkelte Straßenfront adaptierte Vordergebäude zeigt erste Art-déco-Anleihen.

Jugendstil in Berlin

Ehemaliges Hotel Carlton

Adresse: Unter den Linden 17, Mitte

Von 64 Gebäuden an der einstigen Flaniermeile „Unter den Linden“ im Berliner Zentrum überstanden nur 16 den Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs. Das 1902 von Carl Gause, einem der Architekten des im Krieg zerstörten Adlon-Hotels, entworfene Eckgebäude mit hoher Pfeilerstellung, großen Fensterflächen und zwei Turmhauben weist Elemente der Gotik, der deutschen Renaissance und des Jugendstils auf.

Die 2001 restaurierte Natursteinfassade mit ornamentierten Erkern, Balkonen und Segmentbogenfenstern macht das Bauwerk zu einem typischen Hotelpalast der letzten Jahrhundertwende. Die ungewohnt plastische Fassade schmücken florale und figürliche Reliefs, aber auch Skulpturen wie etwa Merkur auf der Weltkugel an der Gebäudeecke. In den oberen Geschossen logierte in den 1960er Jahren die Deutsche Bauakademie der DDR. Heute befindet sich in dem vollständig sanierten früheren Luxushotel die Berliner Zentrale des Software-Unternehmens Microsoft.

Jugendstil in Berlin

Villa Groterjan

Adresse: Milastraße 1–4, Prenzlauer Berg

Die Brauerei Groterjan residierte in einem ganzen Straßenblock und bis heute sind die eindrücklichen Jugendstilgebäude fast unverändert erhalten geblieben. Das Gast- und Wohnhaus besticht durch seinen asymmetrischen Entwurf, den ein fünfgeschossiger Rundturm mit Turmspitze dominiert. Dieser scheint sich an den sechsgeschossigen Schildgiebel zu schmiegen. Das über die gesamte Fläche mit Rundbogenfenstern und einem großen Eckbalkon über einer Pfeilerarkade ausgestaltete Ensemble ist im oberen Fassadenbereich mit hellen Pflanzenfriesen geschmückt. Der burgähnliche, dreigeschossige, rundgeführte Erker ist vom nordischen Jugendstil aus Skandinavien inspiriert.

Das Hauswirtschaftsgebäude in der Cantianstraße wurde aus rotem Backstein, aber ebenfalls mit hohen Schildgiebeln und einem Eckturm entworfen. Stilistisch hebt sich der Bau jedoch von der Villa schon dadurch ab, dass auf der großen Fläche nur wenige kleine Fenster zu finden sind.

Jugendstil in Berlin

Warenhaus Jandorf

Adresse: Veteranenstraße 28, Mitte

Es ist eines der schönsten Eckgebäude in der Rosenthaler Vorstadt und bis heute einzigartig. Der Warenhauspionier Adolf Jandorf ließ hier, einige Jahre bevor er das Kaufhaus des Westens in Auftrag gab, ein mit einem Dachreiter (heute Turm) bekröntes Warenhaus mit einer für die Zeit typischen, strengen Pfeilerfassade und riesigen Schaufenstern erbauen. Das Architekturbüro Lachmann & Zauber konzipierte ein fünfgeschossiges Gebäude mit einer rundgeführten Ecke, einem Oberlichtsaal im fünften Stock und schmalen hochrechteckigen Fensterreihen.

Die Rundbogenfenster im vierten Stock unter dem überkragenden Gesims sind mit Pflanzenornamentik ausgestaltet. Der Lichthof verschwand 1926, als die Warenhausfläche vergrößert wurde. In der DDR war in diesem nach 1926 von dem Warenhausgiganten Hermann Tietz bespielten Ensemble das Haus der Mode untergebracht. Das Warenhaus Jandorf ist daher nicht nur eines der schönsten Gebäude des Jugendstil in Berlin, sondern kann auch auf eine spannende Geschichte zurückblicken!

Jugendstil in Berlin

Ehemaliges Hotel Roter Adler (in Teilen zerstört)

Adresse: Schützenstraße 6, Mitte

Das imposante fünfgeschossige Geschäftshaus im Stadtteil Mitte war von dem Architekten Otto Michaelsen von vorherein mit einem Hoteltrakt konzipiert worden. Michaelsen war ein Schüler des bekannten Berliner Architekten Alfred Messel. Die Gebäudeecke wurde im Zweiten Weltkrieg durch eine Bombe zerstört und 2001 von den Architekten Nalbach und Nalbach im modernen Stil, jedoch mit Turm und Spitzgiebeln ergänzt und neu formuliert.

Die Original-Fassadenseite mit dem großen Schildgiebel weist viele Elemente des Jugendstils auf, etwa vertikale Erkerreihen, Rundbogenfenster, Flechtbandornamentik und Pflanzenfriese. Das Giebelornament des 1907 fertiggestellten Ensembles zeigt Kaiser Karl den Großen und Wilhelm I. mit einem Wappen mit Reichsadler in der Mitte. Schon 1915 wurde das Hotel in zusätzlichen Büroraum umgewandelt, in dem später die Oberstaatsanwaltschaft residierte. 

Jugendstil in Berlin

Mehrfamilienhaus Stargarder Straße

Adresse: Stargarder 3 und 5, Prenzlauer Berg

Alfred Messel war einer der prominentesten Architekten seiner Zeit. Seine Warenhaus-Bauten in Berlin waren revolutionär, das Wertheim-Kaufhaus am Leipziger Platz wurde im Krieg zerbombt und später abgetragen. Die Wohnanlage für den Berliner Spar- und Bauverein entstand zwischen 1899 und 1900, also in einer Zeit, als die Wohnungssituation in den beengten Mietskasernen ein andauernder öffentlicher Skandal war.

Messel entwarf zusammen mit seinem Kollegen Paul Korb einen neuen Wohnungstypus mit Balkonen, Innentoiletten, Großküchen und gemeinschaftlichen Waschkellern. Anstelle des dunklen, im Übergang vom Vorderhaus zum Seitenflügel befindlichen „Berliner Zimmers“ positionierte er die Treppenhäuser. Offene Höfe mit schönen Grünanlagen luden zum Verweilen ein. Die Genossenschaftsbauten von Messel waren ein erster erfolgreicher Versuch, den geschlossenen Berliner Hinterhof abzuschaffen, ohne die für eine Großstadt typische Verdichtung aus dem Auge zu verlieren.

Jugendstil in Berlin

Oderberger Stadtbad

Adresse: Oderberger Straße 57 und 59, Prenzlauer Berg

Ludwig Ernst Hoffmann erbaute dieses Jugendstiljuwel zwischen 1899 und 1902. Nachdem es den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hatte, führten Risse im Beckenboden im Jahr 1986 zu dessen Schließung. Fortan fanden in den denkmalgeschützten Hallen Partys und Kunstausstellungen statt. 2016 wurde die Schwimmhalle nach vierjähriger Sanierung als Hotel*, Sprachenzentrum (GLS), Bar und Restaurant wiedereröffnet. Der Schwimmbadboden kann hydraulisch nach oben gefahren und somit nach wie vor als Eventlocation genutzt werden. Das Wasser wird zu dem Zweck in unterirdische Tanks geleitet.

Eine Empore aus Rundbogenarkaden umrahmt das mit einem Kreuzgratgewölbe entworfene Hallenbad. Das Besitzerehepaar hat größten Wert auf detailgetreue Restaurierung gelegt, sodass man im gesamten Innenraum bis in die Hotelzimmer noch Originaljugendstilelemente wie etwa Treppengitter, Holzeinbauten, Kabinentüren und Blumenornamentik vorfindet, auch wenn der mit drei Schildgiebeln am Hauptkorpus entworfene Ziegelbau vornehmlich im Stil der Neorenaissance konzipiert wurde. Die Rundbogenfensterreihen im Erdgeschoss schmücken den mit Säulen, Giebeln und Wassernixen-Relief umstellten Haupteingang.

Was sind eure Lieblingsbauten des Jugendstil in Berlin? Schreibt uns gerne einen Kommentar!

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Heike Maria Johenning ist studierte Übersetzerin und Romanistin. Seit 1996 arbeitet sie als freiberufliche Autorin und Übersetzerin. Sie hat zahlreiche Reise- und Architekturführer veröffentlich, die bei Reise Know-How und dom Publishers erschienen sind. In ihren Büchern beleuchtet sie ein im Westen nahezu unbekanntes Phänomen, den Jugendstil in Osteuropa. Derzeit arbeitet sie an einem neuen Titel zur „Jugendstil-Architektur in Berlin“.

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Lutz Müller
Lutz Müller
2 Jahre zuvor

Danke für die interessante Seite. Bitte nehmen Sie die Hoffnungskirche in Berlin Pankow mit auf. Sie wurde 1913 eingeweiht, ist durch Kriegsschäden und die von Ihnen ebenfalls beschriebene „Modernisierung“ ,bei der die Stuckarbeiten abgeschlagen wurden, gebeutelt gewesen. Unter DDR-Bedingungen hat sich in den 80er Jahren ein engagiertes Team der dortigen Gemeinde daran gemacht, die Kirche im Inneren wieder in den Originalzustand zu versetzen. Das ist hervorragend gelungen! Insofern verdient dieses Bauwerk die Aufmerksamkeit.
Die lebendige Gemeindearbeit ist ein weiterer Grund für einen Besuch!
Mit freundlichen Grüßen Lutz Müller

Heike Maria Johenning
2 Jahre zuvor
Reply to  Lutz Müller

Sehr geehrter Herr Müller, der wunderbaren Hoffnungskirche widme ich in meinem Buch ein ganzes Kapitel! Vielen Dank für die Anregung!

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