Schloss Fürstenstein – Ein schlesischer Sehnsuchtsort mit dunkler Vergangenheit

Heute geht es nach Schlesien, wo wir euch Schloss Fürstenstein vorstellen. Es ist eines der schönsten Schlösser der Region, hat aber eine dunkle Vergangenheit.

Inhaltsverzeichnis

Heute nehmen wir euch mit nach Schlesien. Rund 80 Kilometer südwestlich von Breslau befindet sich nördlich der Großstadt Waldenburg (Wałbrzych) unweit der tschechischen Grenze das größte Schloss Schlesiens, Schloss Fürstenstein. Rund 400 Räume hat das Schloss, was es nicht nur zur größten Anlage dieser Art in Schlesien macht, sondern auch zu einer der größten in ganz Europa. Das wunderschöne Schloss Fürstenstein kann heute besichtigt werden, hat aber auch eine dunkle Vergangenheit. Hier erfahrt ihr alles, was ihr über das Schloss und dessen Geschichte wissen müsst und erhaltet einige praktische Tipps für euren Besuch.

Die Geschichte des Schlosses

Das Schloss kann auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken, die aber gerade für das Mittelalter nicht immer genau zu rekonstruieren ist. Erstmals erwähnt wurde es im Jahr 1288. Hier ließ Herzog Bolko I. von Schweidnitz eine Burg errichten, da seine unweit entfernte Residenz in Freiburg (Świebodzice) militärisch nicht mehr dem neusten Stand entsprach.

Lage, Lage, Lage

Für den Bau der neuen Burg wählte er nicht irgendeinen Standort, sondern den malerisch gelegenen Fürstenberg, auf den auch der Name der Burg zurückgeführt werden kann. Der Ort wurde auch als Tor zu Schlesien bezeichnet und sollte die Grenze zum Königreich Böhmen im Süden sichern. Die Burg lag dabei nicht nur erhöht und war somit schwer einzunehmen, sondern auch idyllisch in einem Waldstück. Und so diente sie fortan nicht nur als Verteidigungsstellung, sondern wurde auch zum Stammsitz der Herzöge von Schweidnitz.

Komplizierte Besitzverhältnisse und die Hochbergs

In der Folge wurde die Burg immer wieder veräußert, verpfändet oder vererbt. Das Spätmittelalter brachte für Fürstenstein eine ganze Reihe an Herrschern und die Besitzverhältnisse sind kompliziert. Letztlich ging es aber Anfang des 16. Jahrhunderts in den Besitz der Familie Hoberg über, die sich später Hohberg und ab 1740 Hochberg nannte. Das Adelsgeschlecht wurde zunächst in den Freiherrenstand, dann zu Grafen und anschließend zu Reichsgrafen erhoben. Mitte des 19. Jahrhunderts erhielt Hans Heinrich X. sogar die Fürstenwürde und er und seine Nachfolger durften sich nun als Fürsten von Pleß bezeichnen.

Umbauten und Erweiterungen

Anfang des 17. Jahrhunderts fanden bedeutende Umbauarbeiten statt und die Burg wurde in ein barockes Schloss umgewandelt, das später um ein Gartenpavillon (das später als Familiengruft diente). Man gönnte sich Ende des 18. Jahrhunderts sogar ein weiteres Schloss, Alt-Fürstenstein, das von Anfang an als romantisierende Ruine geplant war, die an das Mittelalter erinnern sollte. Hans Heinrich XI. ließ im 19. Jahrhundert darüber hinaus eine Bibliothek anlegen, die eine der größten in ganz Schlesien war und später in das Torhaus verlegt wurde. Über 60.000 Bände soll sie umfasst haben, leider gingen viele Bücher nach dem Zweiten Weltkrieg verloren oder wurden vernichtet. Anfang des 20. Jahrhunderts entstand dann ein Palmenhaus, das auch heute noch existiert und besichtigt werden kann.

Schloss Fürstenstein um das Jahr 1860

Neben den barocken Umbauten wurden die einschneidendsten Veränderungen am Schloss zwischen 1909 und 1923 vorgenommen. Zwei riesige Schlossflügel im Stil der Neorenaissance kamen hinzu und der charakteristische Schlossturm erhielt seine heutige Höhe und sein aktuelles Aussehen. Mit den Umbauten hatten es die Hochbergs allerdings etwas übertrieben, denn der Erste Weltkrieg und die Wirtschaftskrise im Jahr 1923 führten zum Ruin der Familie. Anfang des 20. Jahrhunderts war die Familie zudem von einigen Skandalen gekennzeichnet. Mitglieder des Hauses waren entweder homosexuell, heirateten unter Stand, führten Affären oder mussten ihre Stiefmütter heiraten.

Blick in einen der Tunnel des „Projekts Riese“

Schloss Fürstenstein und die Nazis

1938 starb mit Hans Heinrich XV. der letzte Schlossbesitzer aus dem Geschlecht der Hochbergs. Andere Familienmitglieder wurden in alle Winde verstreut, schlossen sich im Zweiten Weltkrieg der polnischen Exilarmee oder der britischen Luftwaffe an oder wurden von der Gestapo ermordet. Schritt für Schritt konfiszierten die Nazis das Schloss. Die offene Ablehnung, die die Hochbergs den Nazis entgegenbrachten und verwandtschaftliche Beziehungen zu Winston Churchill sorgten schließlich dafür, dass die illustre, in England geborene Fürsten Daisy von Pless von den Nazis aus dem Schloss vertrieben und in eine Villa umgesiedelt wurde, wo sie 1943 starb. Die Nazis begannen nun, die Einrichtung des Schlosses „sicherzustellen“, was nichts anderes als die Beschlagnahmung wertvoller Kulturgüter bedeutete.

Sie entschlossen sich in der Folge, im Rahmen des „Projekt Riese“ ein System aus Stollen anzulegen, das vermutlich als Rückzugsort für die NS-Elite dienen sollte, wenn die Wolfsschanze in Masuren eingenommen worden wäre. Unter entsetzlichen Bedingungen mussten italienische Kriegsgefangene und Insassen des KZ Groß Rosen hier und im gesamtem Eulengebirge Tunnel ausheben, Schloss Fürstenstein freilich sollte Hitler als repräsentative Residenz dienen. Die Stollen sorgte übrigens vor einigen Jahren international für Schlagzeilen, als man hier einen Zug vermutete, der je nach Meldung entweder voller Gold war oder das Bernsteinzimmer enthielt. Zahlreiche Schatzsucher zog es daraufhin in die Stollen, gefunden wurde aber nichts.

Schloss Fürstenstein nach dem Krieg

Was die Nazis aus dem Schloss nicht schon weggeschafft hatten, wurde nach dem Krieg von sowjetischen Soldaten geplündert, die das Schloss besetzten. In den folgenden Jahrzehnten wurde Schloss Fürstenstein von verschiedenen Institutionen als Verwaltungssitz genutzt. Seit der Wende befindet es sich im Besitz der Stadt Wałbrzych. Heute könnt ihr Schloss Fürstenstein besichtigen. Die Anlage wurde aufwendig restauriert und umfasst neben dem eigentlichen Schloss auch die wunderschönen Terrassen und mehrere Wirtschaftsgebäude. Auf dem weitläufigen Areal finden sich heute mehrere Galerien und Lokale und viele Räume wurden instandgesetzt und mit historischem Mobiliar versehen.

Was könnt ihr hier sehen?

Im folgenden Abschnitt wollen wir euch die schönsten Orte auf und neben dem Schloss vorstellen.

Quelle: I, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Maximiliansaal

Der Maximiliansaal ist das absolute Highlight von Schloss Fürstenstein. Der zweistöckige Saal ist ein barockes Meisterwerk und man weiß angesichts des italienischen Marmors, der prächtigen Spiegel und dem vielen Gold gar nicht, wohin man zuerst schauen soll. Im zweiten Stock befinden sich drei kleine Balkone, auf denen früher das Hoforchester auftrat. Heute kann man hier sogar heiraten, für die Miete muss man pro Dreiviertelstunde allerdings ganze 1500 Złoty hinlegen. 2014 kam es übrigens zu einem Dachbrand, der sich genau über dem wertvollen Saal ereignete. Dem beherzten Eingreifen der Feuerwehr war es zu verdanken, dass das Feuer zwar rund 500m² Dachfläche zerstörte, der Maximiliansaal aber unversehrt blieb.

Weißer und Grüner Salon

Der Weiße Salon ist im Gegensatz zu den vielen barocken Räumen im Rokoko-Stil gehalten. Ursprünglich trug er den Namen Roter Salon, allerdings gab man ihm im Rahmen einer Rekonstruierung seine heutige weiße Farbe. Es gibt neben dem Weißen Salon noch einen weiteren Aufenthaltsraum. Er trägt den Namen Grüner Salon, obwohl auch er fast vollständig in Weiß gehalten ist. Hier dominieren herrliche barocke Stuckarbeiten die Szenerie, außerdem sind hier einige Porträts der Familie von Hochberg ausgestellt.

Spielsalon

Hinter dem Namen Spielsalon verbirgt sich genau das, was man angesichts des Namens erwarten würde. Das kleine Zimmer verfügt unter anderem über ein Klavier und einen Tisch. Man kann sich gut vorstellen, wie die hohen Herrschaften früher hier zusammenkamen, um gemeinsam zu musizieren oder eine Partie Schach zu spielen.

Schloss Fürstenstein

Schwarzer Hof

Der wundervolle Innenhof von Schloss Fürstenstein ist eine Oase der Ruhe und ideal für ein kleines Päuschen. Von einem der Tische könnt ihr den interessanten Stilmix aus mittelalterlichen Mauern und einer Wand im Stil der Neorenaissance mit vielen Reliefs bewundern.

Chinesischer Salon

Der Name Chinesischer Salon geht auf die Tapisserien zurück. Solche Salons waren früher bei Adligen sehr beliebt und sollten eine gewisse Exotik nach Europa bringen. An den Wänden seht ihr neben allerlei Verzierungen und floralen Motiven auch mehrere Pfauen. Besonders schön sind auch der venezianische Leuchter und die zarten Stuckarbeiten an der Decke. Früher diente der Saal, der auch mehrere Marmorobjekte umfasst, der Familie Hochberg als Teestube.

Schloss Fürstenstein Terrassen

Die Terrassen

Insgesamt 13 Gärten wurden im Lauf der Zeit terrassenförmig rund um das Schloss angelegt. Sie haben unterschiedliche geometrische Formen, mal sind es Hufeisen, mal Kreuze und mal ovale Heckenanlagen, die von Brunnen und Blumenbeeten unterbrochen werden. Hier könnt ihr herrliche entspannen und euch von der Besichtigung des Schlosses erholen.

Schloss Fürstenstein

Der Schlosspark

Schon Ende des 19. Jahrhunderts ließen die Schlossherren unterhalb von Schloss Fürstenstein eine rund 125 ha große Parklandschaft anlegen. Hier könnt ihr im Schatten einiger historischer Linden und anderer Bäume stundenlang spazieren und die Natur genießen. Der interessanteste Ort im Schlosspark ist das Mausoleum der Familie Hochberg. Es ist in einem alten Gartenpavillon untergebracht und diente der Familie Hochberg ab 1905 als Grablege.

Das Palmenhaus

Rund 2 Kilometer vom Schloss entfernt steht im Stadtteil Liebichau (Lubiechów) das Palmenhaus. Es verfügt über eine 15 Meter hohe Kuppel und wurde im Jugendstil errichtet. Hans Heinrich XV. ließ es kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs für seine Frau errichten, jene Daisy, die während des Zweiten Weltkriegs verstarb. Neben den Umbauten am Schloss war das Palmenhaus ein weiterer Grund für den Ruin der Familie, denn es verschlang die stolze Summe von 7 Mio. Goldmark. Im Palmenhaus von Schloss Fürstenstein werden auf fast 2000 m² knapp 250 verschiedene Pflanzenarten aus verschiedenen Klimazonen präsentiert. Neben Dattelbäumen gibt es hier auch Bambusse, Kakteen, Agaven und Polens einzige Bonsai-Ausstellung zu bewundern.

Schloss Fürstenstein Alte Burg

Fürstensteiner Grund mit Alter Burg

Die nähere Umgebung des Schlosses ist vom Waldenburger Bergland geprägt, das gemeinsam mit dem Falkengebirge und dem Eulengebirge den westlichen Bereich der Mittelsudeten bildet. Einen Eindruck von der teils unberührten Natur könnt ihr euch bei einem kleinen Spaziergang verschaffen. Unterhalb des Schlosses verläuft nämlich der Fürstensteiner Grund, eine vier Kilometer lange Schlucht. Während auf der einen Seite Schloss Falkenstein thront, liegt die „Ruine“ der Alten Burg aus dem 18. Jahrhundert auf der gegenüberliegenden Seite der Schlucht, die von Hellebach durchflossen wird.

Auf dem sogenannten Hochberg-Pfad könnt ihr so durch eine der schönsten Schluchten der Sudeten wandern. Der gut gesicherte Hochbergweg ermöglicht euch unterwegs eine tolle Sicht auf das Schloss. Folgt einfach der Beschriftung Ścieżka Hochbergów, um den Weg zu finden. Unterwegs stoßt ihr auch auf die Reste eines NS-Arbeitslagers.

Euer Besuch des Schlosses

Das Schloss ist täglich von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Gelegentlich werden freitags und samstags auch nächtliche Führungen angeboten. Ihr könnt auf speziellen Touren außerdem den Untergrund des Schlosses erkunden. Infos zu den Touren, Preisen und Zeiten erhaltet ihr auf der Website des Schlosses. Hier* könnt ihr eine Tour buchen, die in Breslau startet, fünf Stunden dauert und eine englisch- oder deutschsprachige Führung durch das Schloss mit einschließt.

Übernachtung vor Ort

Ihr wollt direkt am Fuß des Schlosses übernachten? Kein Problem. Es gibt in der unmittelbaren Übernachtung mehrere Hotels, die nur 100 bis 200 Meter vom Schloss entfernt liegen.

  • Hotel Książ*. Das Hotel Książ ist in drei ehemaligen Nebengebäuden des Schloss untergebracht. Früher stiegen hier gekrönte Häupter und Politiker bei ihrem Besuch der Schlossbesitzer ab, darunter Friedrich der Große, Kaiser Wilhelm I., Winston Churchill und Zar Nikolaus I. Angesichts dieses herrschaftlichen Ambientes sind die Preise mehr als moderat.
  • Hotel przy Oślej Bramie*. Das „Hotel am Eselstor“ verwöhnt seine Gäste rund 200 Meter vom Schloss entfernt mit einem rustikal-gemütlichen Ambiente. Früher dienten die Gebäude als Postamt, Polizeiposten mit Arrestzelle und Wäscherei, sodass ihr auch hier in einer einmaligen historischen Umgebung übernachten könnt.

Buchtipps

Diese Monografie stellt das Schloss vor und geht dabei insbesondere auf architekturgeschichtliche Aspekte ein.

Ihr wollt nicht nur Schloss Fürstenstein, sondern gleich alle schlesischen Schlösser kennenlernen? Dann hilft euch dieses dicke Buch weiter, in dem 150 Objekte gelistet sind.

Wenn ihr Schlesien und Polens Süden erkunden wollt, dann habt ihr mit diesem Band aus dem Reise Know-How Verlag einen kompetenten Begleiter, der nicht nur die wichtigsten Sehenswürdigkeiten vorstellt, sondern auch viele praktische Tipps gib.

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Markus Bingel hat lange in Polen, der Ukraine und Russland studiert und gearbeitet. Als Reisebuchautor zieht es ihn mehrmals im Jahr in die Länder des „Wild East“ – und noch immer ist er jedes Mal fasziniert von dieser Region. Als Co-Gründer des Blogs möchte er euch gerne die unbekannten, spannenden und immer wieder überraschenden Seiten Osteuropas vorstellen.

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