Die meisten Touristen zieht es zunächst nicht nach Krakau Kazimierz, sondern an den wunderschönen Hauptmarkt mit seinen prächtigen Tuchhallen und der Marienkirche. Auch der Wawel, die alte Burg der polnischen Könige, zieht Massen von Neugierigen an. Das dritte „Highlight“ von Krakau ist aber ohne Zweifel das urige jüdische Viertel Krakau – Kazimierz, das südlich der Altstadt liegt. In diesem Artikel wollen wir euch die ehemals eigenständige jüdische Stadt einmal genauer vorstellen. Wenn ihr euch für Krakau im Allgemeinen interessiert, dann klickt einfach hier. Und hier gelangt ihr zu unseren praktischen Reisetipps für eine Krakau-Reise.
Das ist Kazimierz, das jüdische Viertel von Krakau
Kazimierz ist heute ein kleiner Stadtteil von Krakau, der sich südöstlich an das historische Zentrum anschließt und im Süden von der Weichsel eingerahmt wird, dem wichtigsten Fluss des Landes. Hier haben zahlreiche historische Gebäude die Wirren der Zeit überdauert, sodass der Stadtteil heute wie ein einziges Freilichtmuseum wirkt. Nachdem die Nazis das jahrhundertealte jüdische Erbe an den meisten Orten in den von ihnen besetzten Gebieten zerstört hatten, mutet es fast schon wie ein Wunder an, dass sich hier so viele Spuren der jüdischen Vergangenheit erhalten haben und wir hier heute einige der bedeutendsten Orte der reichen jüdischen Geschichte in Osteuropa bewundern können.
Geschichte von Kazimierz
Quellen legen nahe, dass bereits im 11. Jahrhundert Juden in der Stadt Krakau lebten. Ende des 11. Jahrhunderts kam es in Prag zu mehreren Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung, die daraufhin die Stadt verließen. Viele zogen in das Königreich Polen, das gegenüber den Juden eine vergleichsweise tolerante Politik an den Tag legte.
Aus jener Zeit existieren nur wenige schriftliche Zeugnisse über das jüdische Leben in der Stadt, als gesichert gilt aber, dass im 14. Jahrhundert einige jüdische Familien in der sogenannten Judenstraße (Ulica Żydowska) im Vicus Judeorum (Jüdisches Viertel) außerhalb der Stadtmauern sowie am nordöstlichen Rand Krakaus lebten. Auch soll es damals bereits drei Synagogen gegeben haben.
Die Entstehung von Kazimierz
1494 kam es zu einem großen Brand in der Stadt, dem auch zahlreiche von Juden bewohnte oder anderweitig genutzte Gebäude zum Opfer fielen. Der Brand traf insbesondere die jüdischen Häuser sehr stark. Da aber auch einige von Christen bewohnten Häuser zu Schaden kamen, wurden kurzerhand die Juden für den Brand verantwortlich gemacht. Dies führet dazu, dass sich immer mehr Juden jenseits der Stadtmauer im heutigen Kazimierz niederließen. Ihnen schlossen sich immer mehr Juden aus dem heutigen Tschechien und Deutschland an.
Viele kamen eigens aus dem Grund nach Krakau, um den Worten der berühmten jüdischen Gelehrten Jakob Pollak und Moses Isserles zu lauschen, die zwei der prägendsten Figuren jener Zeit waren. Kazimierz erlebte auch aus diesem Grund in der Renaissance und in der Vormoderne eine Blütezeit. So wurde hier beispielsweise 1521 das erste hebräischsprachige Buch in Polen gedruckt.
Unruhige Zeiten
Mitte des 17. Jahrhunderts lebten bereits rund 4000 Menschen in Kazimierz, eine für jene Zeit beeindruckende Zahl. Die folgenden Jahrzehnte waren für die Juden in Kazimierz mit großen Schwierigkeiten verbunden, Seuchen, ein Stadtbrand und die sogenannte Schwedische Sintflut behinderten ein weiteres Wachstum des Viertels.
In der Zwischenzeit war es Juden zeitweise wieder erlaub worden, sich in Krakau niederzulassen. Daher entwickelte sich auch dort, insbesondere im Stadtteil Kleparz, eine bedeutende jüdische Gemeinde. Als diesen allerdings Mitte des 18. Jahrhunderts ein Handelsverbot auferlegt wurde, zogen viele von ihnen in das immer noch selbstständig verwaltete Kazimierz. Diese Entwicklung verstärkte sich noch, als 1761 ein Mob über 50 Geschäfte in Krakau zerstörte.
Unter österreichischer Herrschaft
Im Zuge der Polnischen Teilungen gerieten Krakau und Kazimierz unter österreichische Kontrolle. Ab 1801 war es Juden verboten, sich außerhalb von Kazimierz niederzulassen, das bereits ein Jahr zuvor eingemeindet worden war. Die folgenden Jahrzehnte waren für Krakau mit wechselnden politischen Zugehörigkeiten verbunden. Mitte des 19. Jahrhunderts bildeten sich dann auch in Krakau mehrere jüdische Konfessionen heraus, die auch in einen baulichen Wettstreit traten. In jener Zeit sind einige der schönsten Synagogen in ganz Polen entstanden.
Kazimierz wächst und wächst
Binnen 50 Jahren verdoppelte sich die Bevölkerung von Kazimierz auf 30.000, wobei es Juden nun auch wieder gestattet war, sich in anderen Teilen der Stadt niederzulassen. Es zogen zu Beginn des 20. Jahrhunderts nun auch immer mehr Juden aus Russland und dem russisch verwalteten Teil Polens nach Krakau, weil sie ihren Glauben hier freier ausüben konnten und Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung deutlich seltener waren. Diese Tendenz setzte sich auch während der kurzen Zeit der polnischen Unabhängigkeit fort, die für Kazimierz zwar keinen wirtschaftlichen Aufschwung brachte, dafür aber eine nie wiederkehrende kulturelle Blüte.
Beginn der deutschen Besatzung
Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs betrug die Zahl der Juden in Krakau schätzungsweise etwa 60.000, also rund ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Zum damaligen Zeitpunkt gab es in der Stadt etwa 130 Synagogen und Bethäuser. Der Zweite Weltkrieg und die deutsche Besatzung hatten auch für die Krakauer Juden verheerende Folgen. Krakau war Hauptstadt des neu geschaffenen Generalgouvernements Polen, an dessen Spitze Hans Frank das Gouvernement von der Wawelburg aus verwaltete.
Podgórze und Płaszów – Orte des Schreckens
Unmittelbar nach Beginn der deutschen Besatzung fingen die Nazis an, die Juden systematisch auszugrenzen und zu entrechten. In Podgórze, einem bis dahin eher von wohlhabenderen Juden bewohnten Stadtteil, wurde ein eigenes Ghetto eingerichtet. Ziel war es, aus Krakau eine „judenfreie“ Stadt zu machen. Durch Flucht vieler Juden aus anderen Teilen der von den deutschen Gebieten wuchs die Zahl der Menschen in Kazimierz und Podgórze immer weiter an.
Ende 1942 wurde die Einrichtung eines Arbeitslagers im Stadtteil Płaszów auf der anderen Weichselseite beschlossen. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die SS bereits die „Lösung der Judenfrage“ von der deutschen Zivilverwaltung übernommen, was die Situation der Krakauer Juden nochmals verschlechterte. Płaszów wurde von Amon Göth geleitet, dem grausamen SS-Untersturmführer, den viele von euch vielleicht noch aus dem Film „Schindlers Liste“ kennen, als er morgens zum „Frühsport“ mit dem Gewehr wahllos auf Ghettobewohner schießt. Besonders grausam war auch der Umstand, dass das Lager teilweise über zwei jüdischen Friedhöfen errichtet wurde, deren Gräber man so schändete.
Deportation und Ermordung
Im März 1943 wurde das Krakauer Ghetto dann aufgelöst und seine noch lebenden Bewohner wurden nach Bełżec, Auschwitz und Płaszów deportiert. Viele von ihnen wurden dann weiter in den Distrikt Lublin überführt, wo sie in den Vernichtungslagern Sobibór, Treblinka und Bełżec ermordet wurden.
Und obwohl der Stadtteil Kazimierz nur wenig zerstört wurde, überlebten nur 3000 Krakauer Juden den Krieg. Kazimierz und Krakau waren für immer ihrer jüdischen Seele beraubt worden. Die wenigen noch in der Stadt lebenden bzw. zurückgekehrten Juden verließen nach dem Pogrom von Kielce 1946, der Gründung des Staates Israel und einer antijüdischen Kampagne 1968 das Land. Vor der Wende lebten gerade einmal noch 250 Juden in Krakau. Nichtsdestotrotz stellen sie auch heute noch die größte Gemeinde des Landes.
Kazimierz heute
Nichts kann die Vernichtung der Krakauer Juden im Zweiten Weltkrieg je wieder gut machen und die Gemeinde wird nie wieder zu ihrer alten Blüte zurückfinden. Dennoch hat sich in den letzten Jahren viel getan. Die Restaurierung des historischen Viertels hat genau wie in der gesamten Stadt zumindest in baulicher Hinsicht viel vom alten Glanz von Kazimierz wieder aufleben lassen. Israelische und amerikanische, aber auch polnische und deutsche Initiativen unterstützen den Aufschwung kräftig, es gibt mehrere Lokale mit jüdischer Küche und immer mehr Besucher strömen nach Kazimierz.
Viel zu verdanken hat dies auch der Bekanntheit der Geschichte der Krakauer Juden im Holocaust der Darstellung im Film Schindlers Liste. Seitdem hat ein regelrechter Boom eingesetzt, durch den viele Besucher nach Kazimierz kommen, um das Jüdische Krakau zu sehen.
Die interessantesten Orte in Kazimierz
Kazimierz hat sich bis heute seinen ganz eigenen Charakter bewahren können und verfügt über eine ganze Reihe an Sehenswürdigkeiten, die mit der jüdischen Geschichte dieses Viertels in Verbindung stehen. Das sind die schönsten von ihnen:
Breite Straße
Die Breite Straße (poln. Ulica Szeroka) bildete ab dem 15. Jahrhundert den Mittelpunkt des jüdischen Viertels und ist auch heute noch der wichtigste Anziehungspunkt im Viertel. Hier reiht sich ein Café an das nächste und ihr habt hier die Chance, leckere jüdisch-polnische Gerichte zu probieren, könnt gemütlich auf einer der Terrassen sitzen und die Szenerie mit ihren vielen historischen Gebäuden auf euch wirken zu lassen. Den südlichen Abschluss der Breiten Straße bildet die Alte Synagoge, während sich am nordwestlichen Ende die Remuh-Synagoge erhebt und die Popper-Synagoge den östlichen Abschluss bildet. Am nördlichen Ende der Breiten Straße, die vielmehr einem Marktplatz gleicht, befindet sich zudem ein Holocaust-Mahnmal.
Remuh-Synagoge
Ein wohlhabender Bürger von Kazimierz hatte im 16. Jahrhundert die Idee, sein hölzernes Wohnhaus in eine Synagoge umzugestalten, in der dann sein Sohn lehren sollte. Diese brannte schon wenig später ab und wurde durch einen länglichen Renaissance-Neubau ersetzt. Die Synagoge, die einzige, in der auch heute noch regelmäßig Gottesdienste stattfinden, diente der orthodoxen Gemeinde als Betstätte. Die prächtigen Deckenmalereien im Innern sind ein echter Hingucker. Die Synagoge wurde zwar von den Nazis geplündert, anschließend aber nicht zerstört, sondern als Lagerhalle genutzt, weshalb sie wie durch ein Wunder den Krieg überstand und in den 50er und 60er Jahren restauriert werden konnte.
Remuh-Friedhof
Unmittelbar hinter der Synagoge befindet sich die bis zum Jahr 1800 wichtigste Grablege der jüdischen Gemeinde. Hier fand auch Rabbi Moses Isserles seine letzte Ruhestätte, der Sohn des Initiators der Synagoge und Namensgeber der Synagoge (Remuh ist ein Akronym von Rabbi Moses Isserles). Er veröffentlichte die Gesetzessammlung Schulchan Aruch, die für aschkenasische Juden von hoher Bedeutung ist. Kein Wunder also, dass sein Grab noch immer von Gläubigen aus aller Herren Länder besucht wird.
Popper-Synagoge
Die barocke Popper-Synagoge wird oft auch als kleine Synagoge bezeichnet und verdankt ihren Namen dem jüdischen Kaufmann Wolf Popper, der ihren Bau finanzierte. Sie war früher diejenige Synagoge von Kazimierz mit der prächtigsten Innenausstattung. Leider ging auch diese durch die Zerstörungswut der deutschen Besatzer unwiederbringlich verloren. Durch ihre große Bedeutung für die jüdische Gemeinde wurde sie, nachdem ihr ein Bombeneinschlag gegen Ende des Kriegs weiter zugesetzt hatte, wieder aufgebaut. Heute dient sie als Kulturzentrum.
Alte Synagoge
Die Alte Synagoge geht auf eine gotische Synagoge zurück, die dem großen Brand von 1557 zum Opfer fiel. Diese war von Prager Juden in Auftrag gegeben worden, die vor einem Pogrom nach Krakau Kazimierz geflohen waren. Sie ist die älteste noch existierende Synagoge und wurde 1550 errichtet. Der italienische Baumeister Mateo Gucci wandelte die alte Bausubstanz in einen Renaissancebau um. Hier verlief früher die Grenze von Kazimierz, weshalb man die Synagoge kurzerhand in die Stadtbefestigung integrierte. Teile der alten Stadtmauer haben sich erhalten, wie ihr auf dem Foto links sehen könnt. Der senffarbene Bau davor diente früher den weiblichen Gemeindemitgliedern als Betstätte. Hier ist heute die jüdische Abteilung des historischen Museums der Stadt Krakau untergebracht.
Hohe Synagoge
Auch die Hohe Synagoge wurde im Renaissance-Stil errichtet. Ihren Namen verdankt sie dem ungewöhnlichen Umstand, dass der Männerbetsaal sich im Obergeschoss des Gebäudes befindet. Leider wurde sie von den Deutschen stark zerstört. Die Strebewerke an der Südseite sind ein typisches Merkmal der Krakauer Renaissance und finden sich auch an vielen Gebäuden im Zentrum. Für die Frauen der Gemeinde wurde im 17. Jahrhundert ein Anbau errichtet, zu dem sich im 19. Jahrhundert ein weiterer Anbau gesellte, der mit seiner rosafarbenen Fassade nicht so recht zum Gesamtbild der Synagoge passen will. In den 60er und 70er Jahren unternahm man Versuche, das Gebäude zu restaurieren, aber heute befindet es sich leider in keinem guten Zustand.
Izaak-Synagoge
Mitte des 17. Jahrhunderts lies Izaak Jakubowicz in der ulica Kupa ein barockes Gotteshaus errichten, das mit einer schmucklosen Fassade aufwartet, die allerdings durch ihre seitlichen Treppenaufgänge architektonisch dennoch reizvoll ist. Das einfache Äußere täuscht darüber hinweg, dass es sich bei der Izaak-Synagoge früher um eine der am reichsten ausgestatteten Synagogen in Polen handelte.
Nachdem Teile dieser Innenausstattung bereist im Zuge der Schwedischen Sintflut verloren gingen, zerstörten die Deutschen im Krieg weitere Teile der Innenausstattung. Zuvor wollten sie bereits des Rabbiner Maximilian Redlich zwingen, öffentlich die Thorarollen der Gemeinde zu verbrennen. Als dieser sich weigerte, erschossen sie ihn.
Kowea Itim le-Torah Synagoge in Krakow
Auch die Kowea Itim le-Torah Synagoge in Krakow war einst ein Gebetshaus für die Juden in Kazimierz. Sie ist bis heute vor allem durch die beiden Davidsterne und die hebräischen Inschriften an der Hauswand markant geblieben. Sie wurde 1810 gebaut und gehörte der Kowea-Itim-le-Torah-Bruderschaft. Sie wurde 1912 bis 1913 renoviert und im Zweiten Weltkriegs durch die Nazis zerstört. Bisher ist die Synagoge nicht wiederhergerichtet worden und dient als Wohnhaus.
Neuer Jüdischer Friedhof
Nachdem der Alte Jüdische Friedhof an der Remuh-Synagoge im Jahr 1800 geschlossen wurde, diente der Neue Jüdische Friedhof als zentrale Begräbnisstätte der jüdischen Gemeinde. Er befindet sich östlich des alten Zentrums von Krakau Kazimierz und nimmt eine stattliche Fläche von knapp 5 ha ein. Rund 10.000 Juden fanden hier ihre letzte Ruhestätte. Leider wurde der Friedhof von den Nazis geschändet und die Grabsteine wurden unter anderem für Bau der Straße zum KZ Płaszów eingesetzt. Ein riesiges Denkmal aus zerbrochenen Grabsteinen erinnert noch heute an dieses Verbrechen. Zwar versuchte eine amerikanische Organisation, den Friedhof wiederzuerrichten, aber er wirkt heute verwildert und viele Steine sind schief.
Tempel-Synagoge
Als letzte der wunderschönen Synagogen von Kazimierz entstand Mitte des 19. Jahrhunderts die Tempel-Synagoge. Sie wurde im Stil der Neorenaissance errichtet und verfügt über viele orientalisch anmutende Elemente. Inspiriert wurde das Gebäude vom Leopoldstädter Tempel in Wien, der in der Reichspogromnacht zerstört wurde. Die reich geschmückte Krakauer Synagoge wurde in den 90er-Jahren aufwendig saniert, sodass die farbenfrohen Glasfenster das goldstrahlende Innere heute wieder bestens zur Geltung bringen. Dass das Gotteshaus den Krieg relativ unbeschadet überstanden hat, liegt daran, dass die Deutschen es während der Besatzung als Pferdestall nutzten.
Kupa-Synagoge
Die Kupasynagoge ist ebenfalls bis heute erhalten geblieben und wird bis heute als Synagoge genutzt. Sie wurde im 17. Jahrhundert von 1643-1648 im Stil des Barock erbaut. Die Kehila, die jüdische Gemeinde zahlte für ihre Errichtung. Die Synagoge wurde in den 1920er Jahren u.a. mit Gemälden von Jerusalem und Hebron geschmückt. An den Wänden winden sich auch Darstellungen biblischer Geschichten.
Jüdisches Museum Galizien
Das Jüdische Museum Galizien ist die wichtigste Anlaufstelle für alle, die sich für die Geschichte der Region interessieren. Galizien, heute aufgeteilt zwischen Polen und der Ukraine, war einst Teil Österreich-Ungarns und Heimat von Millionen von Juden. Über ihre Geschichte könnt ihr euch hier informieren. Herzstück der Ausstellung sind dabei die Aufnahmen von Chris Schwarz, eines britischen Fotografen, dem es auf beeindruckende Weise gelang, das jüdische Galizien in seinen Bildern wiederaufleben zu lassen. Daneben werden immer wieder Sonderausstellungen gezeigt, es finden Treffen mit Zeitzeugen statt und Führungen durch Kazimierz werden organisiert.
Jüdische Orte außerhalb von Kazimierz
In Krakau und der näheren Umgebung gibt es noch zahlreiche weitere Orte, die mit der jüdischen Geschichte der Stadt in Verbindung stehen und von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs und der Shoah zeugen. Hier stellen wir euch einige von ihnen vor.
Schindler-Fabrik
Die Geschichte um Oskar Schindler, den deutschen Fabrikanten, der dank seines mutigen Einsatzes während des Krieges vielen Juden das Leben rettete, kennt spätestens seit dem Oscar-gekrönten Meisterwerk von Steven Spielberg fast jeder. Die Emaille-Fabrik von Oskar Schindler steht noch immer hier südöstlich der Altstadt. Hier ist ein tolles Museum untergebracht, in dem man sich über den Schindler und seine Mitarbeiter, aber auch über die jüdische Vergangenheit des Viertels informieren kann.
Gedenkstätte Płaszów
Leider konnte Oskar Schindler im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung nur sehr wenigen Menschen das Leben retten. Viele Juden wurden in das Konzentrationslager Płaszów deportiert, das sich in einem Vorort südöstlich des Zentrums befindet. Hier führte der aus dem Film Schindlers Liste bekannte Lagerkommandant Amon Göth eine Schreckensherrschaft, Tausende Menschen kamen auf qualvolle Weise zu Tode. Ein riesiges Betondenkmal, das Menschen mit gesenktem Blick zeigt, erinnert heute an diesen Ort, der leider nicht sehr gepflegt ist und noch immer auf eine echte Gedenkstätte wartet. Wir finden dennoch, dass dieser Ort mehr Aufmerksamkeit bedarf!
Rotes Haus – Villa von Lagerkommandant Amon Göth
Zu den Orten in Płaszów gehört auch das sogenannte Rote Haus (Ulica Heltmana 22). Es war die Villa von Amon Göth. Hier fanden auch einige Begebenheiten statt, die durch den Film Schindlers Liste weltbekannt geworden sind. Allerdings zählt dazu nicht die Szene, in der Amon Göth mit einem Gewehr vom Balkon der Villa auf die Lagerinsassen schießt. Das war nicht möglich, denn zwischen der Villa und dem Lager gab es keinen Sichtkontakt. Die Straße, die heute Ulica Heltmana heißt, wurde damals auch SS-Straße genannt, da hier auch weitere Offiziershäuser standen. Das Gebäude wurde an einen Privatinvestor verkauft. Es gibt keinerlei Hinweise auf den früheren Bewohner.
Graues Haus – Folterhaus der SS
Auf dem Gelände des Arbeitslagers Płaszów lag vor der deutschen Besatzung ein jüdischer Friedhof. Der Friedhof wurde durch die SS zerstört und das Gebäude wurde zu einem Verwaltungsgebäude umfunktioniert. Hier hatte Amon Göth sein Büro. Und tatsächlich schoss Göth vom Balkon auf Lagerinsassen. Anders als im Film Schindlers Liste dargestellt, tat er dies aber von seinem Büro im Grauen Haus. Auch die anderen brutalen Offiziere hatten hier ihre Stuben. Im Gebäude gab es zudem Zellen für Isolationshaft, in denen die Gefangenen lange stehen mussten. Nur wenige sollen diese Tortur überlebt haben. Das Haus soll in ein Museum umgewandelt werden.
Platz der Ghettohelden
Der Platz der Ghettohelden liegt mitten im ehemaligen Ghetto von Krakau Kazimierz. Hier wurden die Bewohner zusammengetrieben, ehe man sie in verschiedene Konzentrationslager deportierte. Vor dem Krieg war dies ein blühender Ort mit zahlreichen Handwerksläden, Wohnhäusern und Straßenbahnanschluss. Eines der interessantesten Objekte am Platz ist die klassizistische Adler-Apotheke. Sie wurde von Tadeusz Pankiewicz geleitet, dem einzigen legal hier lebenden nicht-jüdischen Bewohner des Ghettos. Sie entwickelte sich zu einem Ort der Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten, an dem Notleidende und Widerstandskämpfer zusammenkamen. Auf dem Platz fallen aber vor allem die vielen Stühle aus Gusseisen und Bronze auf. Sie sind leer und erinnern seit 2005 an die Bewohner des Viertels, die nie wieder hierhin zurückkehren konnten.
Liban-Steinbruch
Diesen Ort kennen nur die wenigsten Touristen, die nach Krakau kommen. Dabei ist der Liban-Steinbruch einer der schönsten stillen Rückzugsorte der polnischen Stadt. Leider hat er aber auch eine traurige Vergangenheit. Gegründet wurde der Steinbruch 1873 von der Firma Liban und Ehrenpreis, die von zwei Juden gegründet wurde. Während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg wurde der Steinbruch als Zwangsarbeitslager für 800 Polen genutzt. Mindestens 21 Insassen wurden hier ermordet.
Diese Umgebung war dann auch der Grund, warum Steven Spielberg hier die Szenen des Films Schindlers Liste drehen konnte, die im Arbeitslager Płaszów spielen. Die Filmcrew baute dafür hier eigens das Arbeitslager nach – samt Barracken und Stacheldrahtzaun. Sogar die Hauptstraße mit jüdischen Grabsteinen wurde nachgebaut – aber keine Sorge, es sind nur Nachbildungen. Auf dem Gelände gibt es auch noch die Reste einer kleinen Industrieanlage aus den kommunistischen Jahren Polens zu sehen. Heute ist das Gelände des Steinbruchs aber vor allem überwuchert. Es gibt Teiche und viele Tierarten nutzen den Steinbruch als kleines Naturreservat mitten in Krakau. Ein Besuch lohnt sich, seid aber bitte vorsichtig, denn Stacheldraht, Glasscherben und anderer Schutt liegen überall herum.
Praktische Tipps Krakau Kazimierz
Essen und Trinken
Ihr seid hungrig geworden und wollt Klassiker der jüdisch-polnischen Küche genießen? Kein Problem, in Kazimierz habt ihr dazu die Gelegenheit!
- Ariel, ul. Szeroka 17 (Breite Straße). In wunderschönem Ambiente kommen hier Hummus, Karpfen nach sephardischer Art, Kofta-Lamm-Medaillons und viele weitere Klassiker der jüdischen Küche auf den Tisch.
- Dawno temu na Kazimierzu, ul. Szeroka 1 (Breite Straße). „Es war einmal in Kazimierz“ lautet die Übersetzung des Lokalnamens. Von außen könnte man das Restaurant glatt für einen alten jüdischen Handwerksbetrieb halten, zumindest wirken die Schilder so. Drinnen gibt es leckere polnische und jüdische Gerichte, außerdem finden hier manchmal Klezmer-Konzerte statt.
Übernachten
- Hotel Rubinstein*. Schickes Boutiquehotel im Herzen von Kazimierz, das seinen Namen Helena Rubinstein verdankt, der legendären Kosmetikunternehmerin, die einst in dem schmucken Bau aus dem 15. Jahrhundert lebte.
- Klezmer Hois. Niedliches kleines Hotel im Gebäude eines alten jüdischen Badhauses mit angeschlossenem Restaurant, in dem Klassiker der jüdisch-galizischen Küche serviert werden.
Touren
Auf dieser Tour* könnt ihr euch durch Kazimierz führen lassen und erfahrt dabei viel über die Geschichte dieses besonderen Ortes. Und wenn ihr hier* klickt, könnt ihr eine Führung buchen, die euch zu den Orten bringt, die mit Oskar Schindler und dem Holocaust in Verbindung stehen. Die Tour führt auch ins ehemalige KZ Płaszów.
Buchtipps Jüdisches Viertel Krakau
Vor ein paar Jahren habe ich zusammen mit Heike Maria Johenning, die ebenfalls für unseren Blog schreibt, einen Architekturführer zu Krakau verfasst. Dieser ist bei dom Publishers erschienen und stellt euch auf fast 300 Seiten die schönsten Gebäude in Polens heimlicher Hauptstadt vor, wobei natürlich auch Krakau Kazimierz nicht zu kurz kommt.
- Markus Bingel (Autor)
Unser Kollege Martin Brand hat außerdem zusammen mit Robert Kalimullin den CityTrip Krakau geschrieben, einen klassischen Reiseführer, der im Reise Know-How Verlag erschienen ist. Neben Beschreibungen der schönsten Gebäude in der Stadt enthält er auch mehrere Spaziergänge sowie viele praktische Tipps wie Restaurantbeschreibungen und Hotelempfehlungen.
Die umfassendste deutschsprachige Darstellung zum Thema Holocaust im Distrikt Krakau.
Persönliche Dokumente von Oskar Schindler geben Einblicke in dessen Leben und die Zeit der deutschen Besatzung von Krakau.
Dieser Band stellt die berüchtigsten Orte der Shoah in Polen vor und listet dabei natürlich auf das Krakauer Ghetto und Plaszow.
Eindrucksvolles Psychogramm des Massenmörders Amon Göth und ein wichtiger Beitrag zum Verständnis seiner Schreckensherrschaft in Krakau.
- Sachslehner, Johannes (Autor)
Sehr empfehlen können wir euch auch das Virtuelle Schtetl. Ich habe vor ein paar Jahren ebenfalls an dem Projekt mitgewirkt, das sich der Erhaltung des jüdischen Erbes in Polen widmet und unter anderem auch zahlreiche Orte der jüdischen Geschichte listet.
Wunderbar zusammengefasst !!! Habe mir die meisten Plätze schon selbst angesehen……toll widergegeben !!!
Vielen Dank für das Kompliment, André! 🙂