Wir haben für unseren Blog schon zahlreiche Städte in Polen besucht und viele von euch waren wahrscheinlich schon einmal in Krakau, Warschau oder Danzig. Aber Lodz? Obwohl es sich um die drittgrößte Stadt Polens handelt, wird sie von Touristen oft links liegen gelassen, galt lange als unsicher, langweilig und schmutzig. In den letzten Jahren hat sich aber sehr viel getan und heute ist Lodz eine der spannendsten Städte Polens. Wir wollen in diesem Artikel mit den Vorurteilen um Lodz aufräumen und zeigen euch hier die spannendsten Lodz Sehenswürdigkeiten.
Das ist Lodz
Lodz (polnisch Łódź, gesprochen Wuhdsch) liegt mitten im Herzen Polens und ist die Hauptstadt der gleichnamigen Woiwodschaft. Noch vor rund 20 Jahren war es nach Warschau die zweitgrößte Stadt des Landes, hatte dann aber mit einem massiven Einwohnerschwund zu kämpfen. Das liegt vor allem am Niedergang der traditionellen Industriezweige wie der Textilindustrie, aber auch an der Nähe zur Hauptstadt Warschau, die boomt wie kaum eine andere in Mittel- oder Osteuropa und junge gut ausgebildete Menschen aus Lodz mit höheren Löhnen lockt.
Weg mit dem grauen Schleier und ab ins Grüne!
Präsentierte sich Lodz vor wenigen Jahren noch relativ grau, tut sich mittlerweile einiges. An jeder Ecke wird gebaut, restauriert und begrünt, sodass man die Stadt kaum wiedererkennen kann. Entgegen der Vorurteile ist Lodz sehr grün. Zu den schönsten Lodz Sehenswürdigkeiten gehören die zahlreichen Parks in der Stadt, 34 sollen es insgesamt sein. Auch kann die Stadt zwei Naturreservate, einen Botanischen Garten und mit dem Las Łagiewnicki (1200 ha Fläche!) einen der größten Stadtwälder Europas ihr Eigen nennen. Wenn ihr bei eurem Rundgang also mal eine Pause einlegen wollt, habt ihr hierzu zahlreiche Gelegenheiten.
Die Geschichte von Lodz
Bevor wir euch aber mit zu den Lodz Sehenswürdigkeiten nehmen, wollen wir euch erstmal kurz die Geschichte der Stadt zeigen, denn ohne diese zu kennen, kann man kaum verstehen, warum Lodz heute so ist, wie es ist.
Die Geschichte von Lodz reicht weit bis ins Mittelalter zurück, 2023 feiert man bereits den 600. Geburtstag. Immer wieder durch Brände und Pestausbrüche gebremst, war Lodz aber lange ein unscheinbarer kleiner Ort.
Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebten in Lodz nicht einmal 500 Personen. Als die Stadt nach dem Wiener Kongress Teil des Königreichs Polen wurde, das in Personalunion mit dem russischen Zarenreich verbunden war, sollte sich das aber schlagartig ändern. Der Zar suchte nach einem Ort für die Schaffung einer Wirtschaftszone zur Textilherstellung. Vor allem Uniformen wurden benötigt. Aufgrund der vielen Flüsse (um die 20) auf dem Stadtgebiet und der Wälder im Umland war Lodz ideal hierfür. Da aber die lokale Bevölkerung von der Landwirtschaft lebte und es an Know-How fehlte, warb man Textilarbeiter aus Sachsen (Chemnitz galt als Textilhauptstadt Deutschlands), Brandenburg und Böhmen an und lockte sie mit zahlreichen Steuer- und Wirtschaftsanreizen.
So wuchs Lodz schnell zum „Polnischen Manchester“ heran und die Bevölkerungszahl explodierte innerhalb weniger Jahrzehnte förmlich. Dominierten anfangs deutsche Siedler, zogen später auch immer mehr Polen in die Stadt, in der sich ab 1840 auch Juden niederlassen durften. Aus dem fernen Sankt Petersburg wurden darüber hinaus viele Russen in die Stadt geschickt, die vor allem in der Verwaltung tätig waren. Man spricht daher von Lodz auch als „Stadt der vier Kulturen“. Die Stadt wuchs und wuchs und überall wurden Wolle und Baumwolle produziert, es entstanden riesige Fabriken, die kleinen Städten in der Stadt glichen.
Wer den besonderen Geist spüren möchte, den Lodz Ende des 19. Jahrhunderts ausmachte, der sollte sich unbedingt das Buch „Das gelobte Land“ (poln. „Ziemia Obiecana“) vom polnischen Literaturnobelpreisträger Władysław Reymont durchlesen, der ein einmaliges Porträt jener Jahre zeichnete und die Geschichte eines polnischen, eines jüdischen und eines deutschen Industriellen beschreibt. Das Buch wurde u.a. auch von Andrzej Wajda verfilmt.
Erster Weltkrieg und Krisenjahre
Ein einschneidendes Ereignis markierten der Erste Weltkrieg und die damit einhergehende deutsche Besatzung. Damals mussten viele Fabriken ihre Maschinen für Rüstungszwecke zur Verfügung stellen, andere wurden schlicht abmontiert und eingeschmolzen. Nach dem Krieg erfolgte dann der Niedergang vieler Fabrikanten und einige mussten fusionieren, um sich über Wasser zu halten.
Zweiter Weltkrieg – Litzmannstadt und das Ghetto
Aber es sollte noch schlimmer kommen. Der Zweite Weltkrieg hatte zwar weniger auf die Bausubstanz, dafür aber vor allem für die jüdische Bevölkerung, die damals rund ein Drittel der mittlerweile auf 700.000 Einwohner angewachsenen Stadt ausmachte, katastrophale Auswirkungen. Die Stadt wurde dem Warthegau angeschlossen und schnell etablierten die Nazis eine Schreckensherrschaft. Schon im November 1939 wurden fast alle der rund 200 Synagogen der Stadt zerstört, lediglich eine blieb erhalten (heute nicht mehr zugänglich). 1940 benannten die Nazis Łódź zu Ehren eines Generals aus dem Ersten Weltkrieg in Litzmannstadt um.
Zwischen Februar und April 1940 wurden die Juden vor die Wahl gestellt, die Stadt zu verlassen oder in das neu geschaffene Ghetto umzuziehen. Es bestand bis August 1944 und war somit das am längsten existierende Ghetto in den von den Nazis besetzten Gebieten. Gleichzeitig war es nach dem Warschauer Ghetto das größte. Auch Juden aus anderen Teilen Europas wurden hierhin deportiert, darunter aus Luxemburg und Trier. Außerdem wohnten hier auch Polen und Roma aus dem Burgenland in einem eigenen Bereich des Ghettos. Insgesamt durchliefen das Ghetto von Litzmannstadt Schätzungen zufolge ca. 200.000 Personen.
Das Ghetto gliederte sich in zwei Teile, die über Brücken mit einander verbunden waren. Die Lebensbedingungen waren schrecklich, Hunger und Typhus waren an der Tagesordnung. Das Ghetto umfasste auch den Jüdischen Friedhof, den wir euch weiter unten vorstellen wollen. Ca. 40.000 Menschen fanden im Ghetto den Tod, die meisten anderen wurden in Vernichtungslager wie Kulmhof gebracht. Mit der Befreiung der Stadt durch die Rote Armee endete die deutsche Terrorherrschaft.
Lodz im Sozialismus
Glücklicherweise wurde die Stadt im Zweiten Weltkrieg kaum zerstört. Da Warschau komplett in Ruinen lag, diente Lodz kurze Zeit als polnische Hauptstadt, es gab sogar Überlegungen, Warschau ganz aufzugeben und die Kapitale dauerhaft hierhin zu verlegen. Von dieser Idee nahm man aber schnell Abstand. Die Textilbetriebe wurden verstaatlicht und Lodz wurde wie schon vor dem Ersten Weltkrieg zum wichtigsten Textilstandort Polens, vor allem wurde für den sowjetischen und einheimischen Markt produziert.
Niedergang und Wiederauferstehung
Mit dem Untergang des Kommunismus brach plötzlich auch der seit Jahrzehnten wichtigste Absatzmarkt für Textilien weg. Es kam zu teils fehlgeschlagenen Privatisierungen, Pleiten und Massenentlassungen. Zeitweise waren ca. 25 Prozent der Einwohner von Lodz arbeitslos. Erst mit der Jahrtausendwende kam langsam wieder Hoffnung auf. Inzwischen ist von der Tristesse der Wendezeit nichts mehr zu spüren. Junge Startups lassen sich in alten Fabrikhallen nieder, es wird überall renoviert und gebaut und Lodz hat sich international einen Namen als Mode- und Kreativstadt gemacht. Wer hier schonmal vor ein paar Jahren war, wird Lodz kaum wiedererkennen, so spannend und vielseitig präsentiert es sich heute.
Das sind die schönsten Lodz Sehenswürdigkeiten
Aber genug der Vorrede, ihr seid bestimmt schon gespannt auf die interessantesten Orte in der Stadt. Hier stellen wir euch unsere persönlichen Highlights der Lodz Sehenswürdigkeiten vor!
Piotrkowska-Straße
An ihr führt wirklich kein Weg vorbei. Die Piotrkowska-Straße (poln. ulica Piotrkowska) ist über vier Kilometer lang und war einst die längste Einkaufsstraße Europas. Sie verläuft vom Plac Wolności (Freiheitsplatz) bis zum Plac Niepodległości (Unabhängigkeitsplatz) und markierte früher den Weg nach Piotrków (dt. Petrikau), dem heutigen Piotrków Trybunalski. Man weiß bei einem Spaziergang über die vielleicht wichtigste aller Lodz Sehenswürdigkeiten zunächst gar nicht, wo man hinschauen soll, so schön präsentiert sich die Piotrkowska. Das liegt vor allem an den unzähligen Palais und herrschaftlichen Bürger- und Geschäftshäusern, die hier ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden. Noch sind nicht alle restauriert, aber die teils wunderbar mit Platanen begrünte Straße hat wieder den alten Glanz aus der Zeit um die Jahrhundertwende zurückerhalten.
In die Gebäude auf der Piotrkowska-Straße sind heute unzählige Lokale, Pubs (es sollen rund 100 sein!) und Cafés eingezogen. Als Einkaufsstraße mit Luxusmarken wie noch um 1900 dient sie heute aber eher nicht mehr, im Sozialismus gab es hier vor allem einfache Läden und heute dominieren italienische Modemarken.
Neben den vielen wunderschönen Gebäuden ist die Straße auch wegen des vom polnischen Schauspieler und Regisseur Jan Machulski initiierten „Walk of Fame“ (Aleja Gwiazd, dt. Sternenallee) bekannt, der auf der einen Seite berühmte polnische Schauspieler und auf der anderen Regisseure, Kameraleute und andere Filmschaffende ehrt – Lodz war und ist eine Filmstadt, wie ihr später noch sehen werdet.
Auch gedenken insgesamt sechs Denkmäler berühmter Töchter und Söhne der Stadt, darunter Artur Rubinstein, der hier am Flügel eines seiner Werke zum Besten gibt.
Ihr solltet aber unbedingt auch mal in die vielen schönen Seitenstraßen schauen. Zwei haben uns besonders gefallen, die ul. Romualda Traugutta und die ul. Stanisława Moniuszki mit ihren vielen klassizistischen Gebäuden. Letztere gehörte einst dem Fabrikanten Ludwig Meyer, der hier ein Gebäudeensemble für die Ewigkeit schuf. Er ließ an der Piotrkowska-Straße 72 auch das Grand Hotel errichten, das älteste noch existierende Hotel der Stadt. Mittlerweile hat sich ein Investor gefunden und das Gebäude wird renoviert, sodass ihr hier schon bald wieder übernachten könnt.
Im Off Piotrkowska hingegen (Hausnummer 138) findet ihr ein kleines Kreativareal mit zahlreichen Modeboutiquen und coolen Restaurants vor. Hier gibt es auch zwei große Streetart-Gemälde.
Ein echter Hingucker ist auch die Rosenpassage (Pasaż Róży). Sie wurde 2013/2014 von Joana Rajkowska geschaffen, wer mal in Warschau war, kennt bestimmt ihr bekanntestes Werk, die riesige Palme im Stadtzentrum. Ihre Tochter Róża (dt. „Rose“) litt an Augenkrebs, der geheilt werden konnte. Hiervon inspiriert, schuf Rajkowska eine ganze Straße aus kleinen Spiegeln, die den Übergang von der Blindheit zum Sehen versinnbildlichen sollen und zu den coolsten Fotomotiven der Stadt gehört.
Manufaktura
Keine andere der Lodz Sehenswürdigkeiten steht so sinnbildlich für den unglaublichen Wandel, den die Stadt in den letzten zwei Jahrzehnten durchgemacht hat. Die Manufaktura war früher ein 27 ha großes Fabrikareal, auf dem der jüdische Unternehmer Izrael Poznański die Grundlage für sein riesiges Baumwollimperium schuf und eine der damals größten Fabriken der Welt entstehen ließ. Es wurde eine von Backstein dominierte Anlage errichtet, in der Tausende Menschen gleichzeitig arbeiteten. Poznański hatte eigene Baumwollplantagen in Asien und Russland und konnte so fast den gesamten Produktionsprozess kontrollieren. Nach seinem Tod im Jahr 1900 erfolgte allerdings schnell der Niedergang seines Unternehmens.
Zur Zeit des Sozialismus wurde der Betrieb dann verstaatlicht, seit 2006 befindet sich hier ein modernes Freizeitareal, das eine ähnliche Funktion erfüllt wie Marktplätze in anderen polnischen Städten. Es gibt unzählige Restaurants, Cafés, Kinosäle und Geschäfte zu entdecken, dazu noch mehrere Museen. Im Sommer wird hier außerdem ein kleiner Strand aufgeschüttet, an dem ihr entspannen könnt.
Muzeum Fabryki
In einem Gebäude der Manufaktura ist heute das Fabrikmuseum zu Hause. Hier könnt ihr euch über die Geschichte der Anlage informieren. Die Ausstellung ist nicht besonders groß, aber gut gemacht. Richtig cool fanden wir, dass die alten mechanischen Webstühle noch immer in Betrieb gesetzt werden können und unter ohrenbetäubendem Lärm das Webschiffchen hin- und hergeschossen werden kann. Außerdem erfahrt ihr hier, wie genau eigentlich Baumwolle hergestellt wird und wie vielseitig dieses Material eingesetzt werden kann. Im selben Gebäude, ein Stockwerk tiefer, könnt ihr übrigens an einer Zipline einmal über das ganze Fabrikareal rasen. Nur was für Schwindelfreie, aber ein einmaliges Erlebnis.
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Die Filiale des Kunstmuseums in der Manufaktura solltet ihr euch nicht entgehen lassen, wenn ihr euch für moderne Kunst interessiert. Hier sind einige der bekanntesten polnischen Vertreter des 20. und 21. Jahrhunderts zu sehen. In den nach Themen geordneten Ausstellungen bekommt ihr so einen guten Einblick in die Entwicklung der polnischen Kunst in den letzten Jahrzehnten, wobei nicht nur Gemälde, sondern auch Installationen, Skulpturen und Videos zu sehen sind. Aber auch ausländische Künstler sind hier mit Werken vertreten, beispielsweise gibt es gleich mehrere Arbeiten von Joseph Beuys zu bestaunen. Wechselnde Ausstellungen im Erdgeschoss bringen euch andere Künstler näher.
Poznański-Palais und Museum der Stadt Lodz
Direkt neben der Manufaktura steht ein prachtvolles Palais, an dem man sich kaum sattsehen kann. Es gehörte Izrael Poznański, einem der „Baumwollkönige“ von Lodz. Angeblich hatte ihn der Architekt beim Bau des Gebäudes gefragt, welchen Stil er bevorzugen würde, woraufhin Poznański antwortete: „alle, schließlich kann ich es mir leisten“. Das wunderschöne eklektizistische Gebäude war über einen Trakt direkt mit der Fabrik verbunden, sodass Poznański zur Arbeit konnte, ohne das Haus zu verlassen.
Das Palais ist der vielleicht schönste Bau in ganz Lodz (siehe Titelbild) und beheimatet heute das Stadtmuseum. Hier erhaltet ihr viele Infos zu dem jüdischen Textilfabrikanten Poznański, es gibt Wechselausstellungen zu sehen, vor allem aber sind die repräsentativen Räumlichkeiten der Familie Poznański interessant. Mann kommt sich ein bisschen vor wie in einem Königsschloss, in dem der Fabrikant Hof hielt, sogar einen Spiegelsaal gibt es. Kein Wunder, dass hier bereits zahlreiche Filme gedreht wurden.
Interessant sind auch die Räume, die berühmten Bürgern der Stadt gewidmet sind. Zu ihnen gehört der weltbekannte Pianist Artur Rubinstein, der einst in der Piotrkowska-Straße lebte und dessen Witwe der Stadt die hier gezeigten Gegenstände vermachte. Der Leiter des Aufstands im Warschauer Ghetto, Marek Edelmann, der nach dem Krieg in Lodz lebte, wird ebenfalls gewürdigt. In den beiden Untergeschossen hingegen erfahrt ihr viel über das Alltagsleben in der „Stadt der vier Kulturen“ und den Wandel, den Lodz im Lauf der Zeit durchlebt hat.
EC 1
Die Gegend um den Bahnhof Łódź Fabryczna hat sich in den letzten Jahren radikal verändert. In einem ehemaligen Kohlekraftwerk entstand hier das EC 1, die Łódź City of Culture. Das riesige Kraftwerk wurde 1907 in Betrieb genommen und versorgte die Stadt bis 2001 zuverlässig mit Energie. Ein Teil des gigantischen Komplexes ist im Jugendstil gestaltet, hier finden immer wieder Veranstaltungen statt, es wurde hier aber auch ein spektakuläres Musikvideo gedreht, das 2021 zu einem der größten Hits in Polen wurde und Lodz aus der Luftperspektive zeigt.
Der Komplex wird laufend erweitert. In einem Teil, der aus den 1920er-Jahren stammt, ist heute beispielsweise das Centrum Nauki i Techniki untergebracht. Direkt daneben entsteht derzeit das Narodowe Centrum Kultury Filmowej, das Nationale Zentrum der Filmkultur.
Centrum Nauki i Techniki
Das Wissenschafts- und Technikzentrum, das 2019 vom polnischen Tourismusamt zum Tourismusprojekt des Jahres ausgezeichnet wurde, nutzt die alten Kraftwerksräume geradezu optimal. Auf fünf Ebenen können sich hier Alt und Jung an zahlreichen Mitmachstationen austoben, alles über das Thema Energiegewinnung erfahren und sogar einen der alten, rund 30 m hohen Kohleöfen begehen und sich die 20 Tonnen schweren Turbinen anschauen. Besonders cool: Mit dem Aufzug könnt ihr auf den Kühlturm fahren und habt von dort eine spektakuläre Sicht auf die ganze Stadt.
Centralne Muzeum Włókiennictwa
Eine der ersten und gleichzeitig schönsten Produktionsstätten in Lodz hat in den 1820er-Jahren der sächsische Industrielle Ludwig Geyer bauen lassen. Aufgrund ihres weißen Putzes (die meisten anderen Fabriken sind aus Backstein), bekam sie schnell den Namen „Weiße Fabrik“ (poln. Biała Fabryka), den sie auch heute noch trägt. Auf dem ehemaligen Fabrikgelände sind heute zwei Ausstellungen zu sehen, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Miasto – Moda – Maszyna
Stadt – Mode – Maschine heißt die dreiteilige Schau im Hauptgebäude der weißen Fabrik. Im ersten Teil sind historische, teils noch funktionsfähige Webstühle zu sehen und alles wirkt noch so, als seien die Arbeiter nur mal eben zur Mittagspause rausgegangen. Ein Stockwerk darüber könnt ihr sehen, wie eng die Geschichte der Stadt mit der Textilindustrie verknüpft war. Anhand alter Fotos, Postkarten und Landkarten erfahrt ihr hier vieles über das industrielle Lodz. Ein Teil der Ausstellung ist aber auch den Arbeiterstreiks von 1981 und dem Niedergang der Industrie nach der Wende gewidmet.
Besonders gut gefallen hat uns der Mode-Teil. Hier werdet ihr mit auf eine kleine Zeitreise genommen und könnt sehen, wie sich die Geschmäcker und die in Lodz produzierten Textilien im Lauf der Zeit verändert haben – inklusive passender Musikuntermalung.
Łódzki Park Kultury Miejskiej
Direkt neben der Weißen Fabrik befindet sich das zweite Museum des Komplexes, der Park der Städtischen Kultur. Und der hat uns besonders gut gefallen. Nach all den spannenden Industriebauten kommt man sich hier nämlich ein bisschen vor wie in einem skandinavischen Dorf. Die hier stehenden Holzhäuser befanden sich früher an anderen Orten in der Stadt und wurden zusammen mit einem Sommerpalais und einer Holzkirche hierhin versetzt. In den Gebäuden werden die Wohnverhältnisse in Lodzer Wohnungen im Lauf des 20. Jahrhunderts gezeigt, wobei immer eine einfachere und eine luxuriösere Lebensweise gegenübergestellt werden.
Das Ganze ist so realistisch aufgemacht, dass man sich wirklich in jene Jahre zurückversetzt fühlt. Die Kirche im Kulturpark war früher evangelisch und stand in Nowo Solna (dt. Neu Salzfeld) bei Lodz und besteht innen fast vollständig aus Holz. Noch immer finden hier (mittlerweile katholische) Gottesdienste statt. Die prächtige Villa daneben stand einst im heute eingemeindeten Ruda, einer beliebten Sommerfrischer reicher Lodzer Fabrikanten.
Ksieży Młyn
Einige der Fabriken in Lodz sind riesig. Ksieży Młyn, das den schönen deutschen Namen Pfaffendorf trägt, stellt aber noch einmal alles in den Schatten. Der aus der Eifel stammende Fabrikant Karl Scheibler ließ hier ab 1870 eine Stadt in der Stadt entstehen, in der es alles gab, was die Arbeiter zum Leben brauchten. Als Vorbild diente das englische Manchester. Es gab hier ein eigenes Kraftwerk, Schulen, Kultureinrichtungen, Krankenhäuser, unzählige Wohngebäude für die Arbeiter und natürlich eine riesige Fabrik.
Das Konzept war so genial, dass es auf der Weltausstellung in Paris 1878 mit der Goldmedaille ausgezeichnet wurde. Heute könnt ihr durch das riesige Areal spazieren, auf dem es mehrere Lokale und Parks gibt und wo immer wieder auch Veranstaltungen wie kleine Verkaufsmärkte stattfinden. Auf einem Teil der Anlage ist heute auch die berühmte Filmhochschule von Lodz untergebracht.
Muzeum Kinematografii
Das polnische Kino hat international einen ausgezeichneten Ruf und bestimmt habt ihr auch schonmal Namen wie Roman Polański, Andrzej Wajda, Agnieszka Holland oder Krzysztof Kieślowski gehört. Sie alle haben an der berühmten Filmhochschule von Lodz studiert. Was könnte also näherliegen, als ausgerechnet hier ein Kinematographiemuseum einzurichten? Von allen Lodz Sehenswürdigkeiten hat uns diese mit am besten gefallen. Denn sie ist nicht einfach in einem modernen Museumsgebäude untergebracht, sondern in der prunkvollen Villa im Stil der Neorenaissance der Familie Scheibler in Księży Młyn.
Und die ist nicht zufällig gewählt, diente sie doch bereits mehrfach als Drehort für nationale und internationale Spitzenproduktionen. Die Ausstellung entführt euch zunächst in die Welt der Vorläufer des Kinos und der Filmherstellung bis zum Zweiten Weltkrieg. Hier seht ihr ein Kinematoskop, eine Laterna Magica und ein Fotoplastikon der Firma Fuhrmann aus Berlin, das noch immer funktioniert und eines von nur noch sechs Exemplaren auf der Welt ist. Cool ist auch der Apparat Oko, eine polnische Erfindung, die gleichzeitig Kamera und Projektor ist und wie eine Schreibmaschine aufgebaut ist.
Anschließend geht es durch die repräsentativen Räumlichkeiten des Palais mit ihren kunstvollen Deckenmalereien, Kaminen, Stuckverzierungen und Holzintarsien. Man kann kaum glauben, dass hier kein „richtiger“ König gelebt hat, sondern „nur“ der Baumwollkönig Scheibler und seine Familie. Wenn ihr den Film „Ziemia Obiecana“ („Das gelobte Land“) von Andrzej Wajda gesehen habt, werden euch die Räumlichkeiten bestimmt bekannt vorkommen.
Der dritte und letzte Teil des Museums ist dem polnischen Kino nach 1945 gewidmet und zeigt, wie Lodz sich zu einem international bekannten Filmmekka entwickelt hat. Hier erfahrt ihr vieles über Filmstudios wie die Wytwórnia Filmów Fabularnych oder die Wytwórnia Filmów OPUS, könnt Kostüme, Drehbücher und andere Gegenstände bekannter polnischer Produktionen bestaunen und Filmplakate durchblättern, die sich in Polen früh zu einer eigenen Kunstform entwickelt haben. Und wer schon immer mal ein Foto mit einer Original-Oscar-Statue machen wollte, kann das hier auch. Die wurde dem Museum vom Produzenten des Films „Ida“ geschenkt, der 2015 sensationell den Oscar als bester fremdsprachiger Film gewann.
Monopolis
Zahlreiche Woll- und Baumwollfabriken wurden in Lodz zu Freizeit- und Büroarealen umgestaltet. Dass hier aber nicht nur Textilien, sondern auch Luxus-Wodka produziert wurde, davon könnt ihr euch im Monopolis überzeugen. Eine kleine, kostenlos zugängliche Ausstellung informiert über die Geschichte der ehemaligen Wodkafabrik, außerdem gibt es hier einige Restaurants wie das Arteria (siehe unten), eine Kunstgalerie, eine Konzertbühne und vieles mehr zu entdecken. Ein Ort, der typisch ist für Lodz – jung, hipp und sich immer wieder neu erfindend.
Zoo und Orientarium
Ok, einen Zoo gibt es vielleicht auch bei euch zu Hause. Warum solltet ihr also gerade im Urlaub in einen Tierpark gehen? Ganz einfach, weil das 2022 eröffnete Orientariun den Zoo zum modernsten seiner Art in Europa macht. Auf rund 16 Hektar leben hier über 2000 Tiere, die sich auf knapp 700 Arten verteilen.
Im Zoo könnt ihr Elefanten beim Baden zusehen, ihr spaziert durch einen Tunnel unter einem Aquarium mit Haien, Affen toben durch eine nachgebaute Tempelruine, Giraffen kommen bis auf wenige Meter an euch heran, Tiger stolzieren um ein Flugzeugwrack – und, und, und. Ihr könnt hier gut und gerne einen ganzen Tag verbringen, ohne dass euch langweilig wird. Das gilt insbesondere dann, wenn ihr mit Kindern unterwegs seid. Besonders schön: Der Zoo kümmert sich um den Erhalt bedrohter Arten und alle Tiere haben viel Platz.
Liebling der Kinder und Star des Zoos ist übrigens Aleksander. Der über 40-jährige Elefant hat früher in Münster gelebt, sich dort leider einen Stoßzahn abgebrochen und fungiert heute als Mentor für junge „Einzelkind“-Elefanten.
Jüdischer Friedhof
Mit einer Fläche von 44 Hektar ist der Jüdische Friedhof Lodz einer der größten jüdischen Grabanlagen in ganz Europa. Bis zu 200.000 Menschen (die genaue Zahl kennt man nicht) fanden hier ihre letzte Ruhestätte. Direkt am Eingang befindet sich die große Aussegnungshalle, danach geht es direkt auf das Areal mit seinen vielen, teils wild überwucherten Grabsteinen mit ihren hebräischen, polnischen und deutschen Inschriften. Einige Gräber wie das von Izrael Poznański und seiner Frau gleichen kleinen Tempeln. Hier wurden beispielsweise über 2 Mio. Mosaiksteinchen verarbeitet. Noch immer finden auf dem Friedhof Beerdigungen statt, auch wenn die jüdische Gemeinde Lodz heute nur noch rund 100 Mitglieder zählt.
Eindrucksvoll und gleichzeitig erschreckend ist das sogenannte Ghettofeld, auf dem die über 40.000 Juden beigesetzt wurden, die hier während der Nazi-Herrschaft umkamen. Wenn ihr entlang der Mauer lauft, fallen euch bestimmt die Gruben auf. Diese wurden von den letzten Überlebenden des Ghettos ausgehoben, die sich wortwörtlich ihr eigenes Grab schaufeln mussten, dann aber glücklicherweise fliehen konnten. Das Ghettofeld soll bis 2024, dem Jahrestag der Auflösung des Ghettos, umgestaltet und mit einer Gedenkstätte versehen werden.
Wichtig: Männer müssen bei ihrem Besuch unbedingt eine Kopfbedeckung tragen, außerdem ist das Areal freitagnachmittags und samstags wegen des Sabbats geschlossen.
Streetart in Lodz
Ihr werdet es beim einem Spaziergang durch Lodz schnell merken: Überall findet ihr hier Streetart. Seit Jahren strömen bekannte polnische und internationale Künstler in die Stadt und verschönern diese mit ihren Arbeiten. An die 200 Werke sind so mittlerweile zusammengekommen. In der Tourist-Info (siehe unten) erhaltet ihr eine kostenlose Karte, die euch zu den Kunstwerken führt. Und über diese Website bekommt ihr weiterführende Infos zu den Bildern und ihren Künstlern.
Ausgehen in Lodz
Das Besichtigen der vielen Lodz Sehenswürdigkeiten kann ganz schön anstrengend sein und Hunger und Durst machen. Daher kommen hier unsere Tipps zum Essen, Trinken und Ausgehen.
Restaurants und Cafés
- Arteria, ul. Dr. Stefana Kopcińskiego 62a. Schickes Restaurant mit modern interpretierter polnischer Küche im Monopolis. Ihr müsst hier zwar etwas tiefer in die Tasche greifen, aber das Essen ist wirklich Klasse. Spezialität des Hauses ist die Ente.
- Lodziarnia Cukiernia Wasiakowie, ul. Traugutta 2. Das kleine Café, das sogar im Gault & Millau gelistet ist, verwöhnt seine Gäste mit himmlischen Torten, hausgemachtem Eis und auf den Punkt zubereiteten Kaffeespezialitäten.
- Klub Spadkobierców, ul. Piotrkowska 77. Willkommen im 19. Jahrhundert! In der ehemaligen Goldfeder-Residenz ist die Zeit ein Stück weit stehengeblieben. Ganz günstig ist das Essen hier nicht, dafür aber hervorragend zubereitet und durch das einmalige Ambiente eines behutsam restaurierten Stadtpalais wird der Abend garantiert zum Erlebnis.
- Restauracja Bułgarska 69, ul. Piotrkowska 69. Mitten auf der Prachtstraße Piotrkowska befindet sich ein Lokal, das laut Aussage einer Kellnerin das einzige bulgarische Lokal des Landes ist. Die Speisekarte ist riesig und umfasst viele Klassiker der bulgarischen Küche, außerdem gibt’s Bier aus Bulgarien und einen tollen Blick auf das bunte Treiben auf der Flaniermeile.
Kneipen und Bars
- El Cubano, ul. Traugutta 3/11. Ihr steht auf Latin Music? Im El Cubano könnt ihr freitags und samstags bei leckeren Rum-Cocktails das Tanzbein schwingen.
- Klubopiwiarnia, ul. Prezydenta Gabriela Narutowicza 7/9. Hier gibt es leckeres hausgebrautes Bier unter dem Namen Warkot, tolles Pubfood und immer wieder coole Events und Konzerte. Als wir da waren, wurde zum Beispiel gerade das Thriller-Video von Michael Jackson nachgespielt.
- Rademenes, ul. Piotrkowska 63. Etwas muss man schon suchen, um die Kneipe in einem Hinterhof zu finden (nach dem Schild mit der Katze Ausschau halten). Dort befindet sich einer der ungewöhnlichsten Pubs der Stadt. Der herzliche Betreiber rettet nämlich immer mal wieder Straßenkatzen, die dann in der Kneipe wohnen. Er selbst hat früher in Tschechien gelebt, daher gibt es hier neben polnischen Craftbieren auch viele Biere aus Böhmen.
Übernachten in Lodz
- Puro Łódź, ul. Ogrodowa 16. Wie cool ist das denn? Das Puro direkt neben der Manufaktura ist nicht nur eines der schicksten Hotels der Stadt, sondern hat sogar ein eigenes Kino, das Gäste immer freitags und samstags um 19 Uhr kostenlos nutzen können. Neben schick gestylten Zimmern gibt es hier auch ein Restaurant, eine Bar mit super Cocktails und eine Terrasse, von der aus ihr die beste Sicht auf das Poznański-Palais habt.
Spannende Stadtführungen
- ŁódźiAnka. Anna Jóźwiak stammt aus Lodz und kennt die Stadt wie ihre Westentasche. Sie zeigt euch gerne auf Deutsch die schönsten Lodz Sehenswürdigkeiten und stellt euch ihre Heimatstadt vor.
Tipps und Infos
Super hilfsbereit und freundlich sind die Mitarbeiter in der Tourist-Info, die sich direkt in der Piotrkowska-Straße 28 befindet. Hier erfahrt ihr nicht nur alles über die Lodz Sehenswürdigkeiten, sondern erhaltet auch viele weitere praktische Lodz Tipps und könnt euch mit schönen Souvenirs eindecken. Wenn ihr die Stadt erkunden wollt, dann empfehlen wir euch übrigens das Touristenticket „Bilet Turystyczny“. Es kostet nur 16 Złoty, ist drei Tage gültig und ihr könnt damit alle Straßenbahnen und Busse in der Stadt nutzen.
Wir möchten uns an dieser Stelle herzlich für die Unterstützung durch das Polnische Fremdenverkehrsamt in Berlin und die Łódzka Organizacja Turystyczna bedanken. Ein besonderer Dank gebührt Anastasiia und Ania für ihre vielen Tipps und abwechslungsreichen Streifzüge durch die Stadt.
Wie hat euch der Artikel gefallen? Lasst uns gerne einen Kommentar da. Kennt ihr noch weitere Lodz Sehenswürdigkeiten? Dann lasst es uns gerne wissen, damit wir sie beim nächsten Mal besuchen können.