Nowa Huta Krakau – Die sozialistische Stadt in der Stadt

Krakau kennen die meisten von euch sicher. Aber wart ihr schon mal in Nowa Huta Krakau? Die sozialistische Planstadt stellen wir euch in diesem Artikel vor.

Inhaltsverzeichnis

Krakau haben wir euch in einem eigenen Artikel mit seinen schönsten Sehenswürdigkeiten ja bereits ausführlich vorgestellt (hier geht es zu unseren praktischen Krakau-Tipps). Heute nehmen wir euch mit in eine etwa 200.000 Einwohner zählende Parallelwelt, die so rein gar nichts mit den prächtigen Bauten im Zentrum zu tun hat. In Nowa Huta (deutsch: Neue Hütte) entstand nach dem Zweiten Weltkrieg eine kommunistische Idealstadt, in der die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Höchste Zeit also, euch Nowa Huta Krakau hier einmal genauer vorzustellen.

Polnischer Propagandafilm über Nowa Huta und die Segnungen der sozialistischen Idealstadt aus dem Jahr 1951. Ganz so idealisiert wie in diesem Beitrag scheint es in den ersten Jahren von Nowa Huta aber keineswegs zugegangen zu sein.

Das ist Nowa Huta in Krakau – Die Geschichte des Stadtteils

Der im Sozialismus oft gepriesene „Neue Mensch“ sollte in Nowa Huta nach dem Zweiten Weltkrieg eine „Neue Heimat“ erhalten. Die Führung des kommunistischen Polens beschloss, hier ein Eisenhüttenkombinat anzusiedeln, in dem Tausende Menschen Arbeit fanden.

Der Standort von Nowa Huta war bewusst gewählt. Zwar wäre ein Platz im von der Schwerindustrie geprägten oberschlesischen Industrierevier sinnvoller gewesen, aber die polnischen Kommunisten wollten einen bewussten Kontrapunkt zum bürgerlichen, intellektuellen Krakau, der Stadt der polnischen Könige, setzen.

Lenin oder Reagan?

Schon 1951 wurde der bis dahin eigenständige Ort Krakau eingemeindet. In nur etwa fünf Jahren entstanden eine ganze Reihe an Gebäuden, die sicher nicht jeden Geschmack treffen, aber ein eindrucksvolles Zeugnis sozialistischer Stadtplanung darstellen. Im katholischen Polen war für den „Neuen Menschen“ bewusst keine Kirche vorgesehen. Ein Vorhaben, das letztlich am Widerstand der Bevölkerung scheiterte, aber später mehr dazu.

Das Zentrum von Nowa Huta war und ist der Lenin-Platz, dessen Name heute – nicht ganz frei von historischer Ironie – den Namen Ronald Reagans trägt. Er ist aufgebaut wie eine Sonne und von ihm gehen halbkreisförmig die „Strahlen“, also die breiten Prachtalleen ab, die mehrere Parzellen bilden und wiederum über symmetrisch angeordnete Seitenstraßen verfügen.

Krakau Nowa Huta Kirche
Um die erste Kirche von Nowa Huta gab es lange Kämpfe.

Kampf um Kreuze und Gotteshäuser

Zwar boten die für damalige Verhältnisse sehr modernen Wohnungen allen nötigen Komfort und die sich meist aus der armen Landbevölkerung rekrutierenden Bewohner nahmen diese auch positiv auf, aber der Mangel an Kirchen sorgte bei ihnen rasch für Unmut. Auch ging es hier in den ersten Jahren durchaus chaotisch zu. Korruption und Kriminalität prägten die ersten Jahre von Nowa Huta. Daher entschlossen sich die Machthaber in der Tauwetterperiode zähneknirschend, einen Wettbewerb auszuschreiben, um einen Kirchenbau zu realisieren. Dazu kam es aber nicht, denn stattdessen wurde eine Schule errichtet, was eine für die Regierung potentiell gefährliche Stimmung heraufbeschwor.

Deutscher Fernsehbeitrag aus dem Jahr 1982 über Proteste gegen die Regierung und die Eskalation durch die polnischen Sicherheitsbehörden

Die folgenden Jahre waren geprägt vom Kampf um die Aufstellung eines Kreuzes, an dem auch Karol Wojtyła seinen Anteil hatte, seines Zeichens Erzbischof von Krakau und späterer Papst Johannes Paul II. Es kam zu blutigen Zusammenstößen. Letztlich musste die Regierung nachgeben und den Bau einer Kirche erlauben, der spektakulären „Arche des Herrn“.

Nowa Huta Tristesse
Viele Gebäude in Nowa Huta wirken bis heute verfallen.

Kurze Boomphase und triste jüngere Vergangenheit

Waren die 70er-Jahre noch von einem Boom der Stahlindustrie geprägt (so wie das Land insgesamt in dieser Zeit eine relative Blüte erlebte, die allerdings auch einer hohen Auslandsverschuldung zu verdanken war), erfolgte parallel zum Aufstieg der Solidarność-Bewegung eine wirtschaftlicher Niedergang Nowa Hutas, der bis in die 90er Jahre anhielt. Mittlerweile hat sich die Stadt in der Stadt aber konsolidiert. Zwar genießt Nowa Huta immer noch einen vergleichsweise schlechten Ruf bei den Krakauern, Statistiken zufolge ist dies aber der sicherste Stadtteil der gesamten Stadt. Da viele Gebäude mittlerweile unter Denkmalschutz stehen, kommt ihr heute bei einem Spaziergang in den Genuss einer Stadt, wie sie in ganz Polen einzigartig ist.

nowa huta krakau
Eines der Eckhäuser am alten Leninplatz

Ronald-Reagan-Platz

Beginnen wir unseren Spaziergang am Lenin-Platz, der heute den Namen Ronald Reagans trägt und oft auch Zentralplatz genannt wird. Ihr erreicht ihn vom Krakauer Zentrum bequem mit der Straßenbahn 4, 10 oder 22, die über die Johannes-Paul-II-.Allee fährt und früher den Namen Straße des Sechsjahresplans trug. Der Platz bildet das Zentrum der „Sonne“ Nowa Hutas, auf den im Winkel von 45° fünf Sonnenstrahlen zulaufen, die breiten Alleen, die Nowa Huta parzellieren.

A, B, C und D

Bei der Benennung dieser Parzellen hat man sich offenbar keine allzu große Mühe gegeben, denn sie tragen schlicht die Namen der ersten vier Buchstaben des Alphabets. Aber man kann hieran sehr gut erkennen, woran es bei Nowa Huta vor allem ging: Eine Verbindung von Funktionalität, Kontrolle und Propaganda. Der breite Platz war nämlich nicht nur ein Aufmarschgebiet für Paraden, sondern ließ sich auch bestens bewachen.

Berühmte Architekten

Mit der Planung dieses so wichtigen Platzes wurde Tadeusz Ptaszycki beauftragt. Der aus Sankt Petersburg stammende Architekt hatte sich bereits in Breslau an mehreren Projekten beteiligt und den Aufbau der völlig zerstörten Stadt angeschoben, was ihn zur idealen Wahl für die Gestaltung von Nowa Huta machte. Er war auch an mehreren Projekten in anderen Städten beteiligt. Seine Karriere nahm ein jähes Ende, als man ihm kompromittierende Dokumente unterschob und ihn so in den späten 60er-Jahren aus allen Ämtern entfernte.

Mit der Gestaltung der Häuser wurden Marta und Janusz Ingarden betraut. Keine 30 Jahre war der aus Thorn stammende Ingarden damals alt und drückte Nowa Huta zusammen mit seiner Frau in der Folge wie kein anderer seinen architektonischen Stempel auf. Das Ehepaar ist auch deshalb so interessant, weil es in den 60er-Jahren die Zeichen der Zeit erkannte und nun modernistische Gebäude schuf, die ihr heute ebenfalls noch in Nowa Huta und Krakau findet.

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Typisches Merkmal der Renaissance: Die Kassettendecke, hier über einem Durchgang

Die Gestaltung der Gebäude

Wenn ihr auf dem alten Lenin-Platz steht, denkt ihr vielleicht als erstes: Oh man, ganz schön grau hier. Und tatsächlich dominieren dunkle Braun- und Grautöne das Bild. Monumental und einschüchternd sollten die Bauten des Sozialistischen Realismus sein. Dennoch sind sie nicht ohne Finesse gestaltet und greifen wie auch andernorts oft lokale Bautraditionen auf. Das alte Krakau wird vor allem von seinen Renaissance-Bauten geprägt, und genau darauf griff man auch hier zurück. Kassettendecken, Aufbauten auf den Häusern, die an die berühmten Tuchhallen auf dem Marktplatz erinnern und viele weitere Details schaffen ein etwas graues, aber immer noch beeindruckendes und harmonisch wirkendes Gesamtbild.

Shopping in einmaligem Ambiente

Die Gebäude am Platz – und viele weitere im Viertel – wurden so gestaltet, dass sich unten Läden, Cafés und Handwerksbetriebe und in den oberen Stockwerken die Wohnräume für die Arbeiter befanden. Das war nicht nur praktisch, sondern entsprach auch lokalen Traditionen, denn bereits die Händler am Marktplatz im Krakauer Zentrum lebten und arbeiteten so im Mittelalter. Mein Tipp: Geht mal in den Laden Cepelix im Eckhaus rechts. Hier könnt ihr nicht nur die Originaleinrichtung mit ihren Holztresen und Leuchtern bewundern, sondern könnte auch handwerklich hergestellte Kunst und Souvenirs von Nowa Huta kaufen.

Światowid-Kino

Wenn ihr mitten auf dem Platz steht und euch nach rechts dreht, könnt ihr dem Verlauf der Straßenbahn stadtauswärts folgen und kommt so nach etwa 300 Metern zu einem Lidl und danach zum Światowid-Kino. Im Sozialismus war es den Machthabern immer wichtig, die Bildung und Kultur der Arbeiter zu fördern (natürlich nur so lang, wie dies im Interesse des Regimes geschah). Dazu gehörte auch ein Kino, das bald Kultstatus erlangte und von Andrzej Uniejewski entworfen wurde. Auch hier finden sich Anklänge an die Antike. Es verfügte über nur zwei Säle, einer mit einer schicken Empore, der andere mit einer Kassettendecke. Wie viele Gebäude in Nowa Huta ist auch das Kino unterbunkert, um der Bevölkerung bei einem Angriff durch westliche Bomber Schutz bieten zu können.

Nowa Huta Museum

Nachdem das Schicksal des Kinos lange auf der Kippe stand, war hier ab 2013 das Museum der Geschichte der Volksrepublik Polen untergebracht, das 2019 mit dem Historischen Museum der Stadt Krakau vereinigt wurde. Seitdem befindet sich hier das Museum Nowa Huta. Hier könnt ihr euch über die bewegte Geschichte von Nowa Huta informieren und erfahrt viele interessante Details aus dem Leben der Menschen vor Ort und über die Polnische Volksrepublik. Im Haus befindet sich übrigens auch der Szpeje Shop in dem ein lokaler Händler Antiquitäten aus der Zeit der VR Polen und aus den sozialistischen Nachbarländern verkauft.

Kino Swit Nowa Huta
Das Kino Swit ist heute ein Supermarkt.

Kino Sfinks Nowa Huta Krakau
Das Kino Sfinks hingegen dient heute als Kulturzentrum.

Weitere Kinos in Nowa Huta

Auch die anderen beiden bekannten Kinos von Nowa Huta wurden mittlerweile umfunktioniert. Das frühere Kino Swit, das wie das Światowid-Kino aussieht, beherbergt heute einen Supermarkt. Das frühere Kino Sfinks, welches nahe des Volkstheaters liegt, ist heute in Kulturzentrum in dem Bühnenshows und anderes stattfinden.

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Rosenallee

Aber genug umgesehen, jetzt wird erstmal ein bisschen gelaufen. Und zwar entlang der Rosenallee, der zentralen Straße Nowa Hutas. Ihren schönen Namen verdankt die Allee den Kübeln mit Rosen zu beiden Seiten der Flaniermeile.

nowa huta krakau

Die Straße ist rund 1,5 km lang und wird von Bauten aus der ersten Bauphase Nowa Hutas geprägt, die etwa 1955 abgeschlossen war. Schon nach wenigen Metern wird die Straße von der Allee der Freundschaft gekreuzt, an der eigentlich mal das Rathaus von Nowa Huta stehen sollte. Da die Gemeinde aber noch während der Arbeiten an der Straße Krakau eingemeindet wurde, verwarf man diese Idee wieder.

Mangel an Statuen und Geld

Ein Stück nördlich stand ab 1973 eine riesige Lenin-Statue, die das Schicksal so vieler Lenin-Statuen im Land teilte und nach der Wende abgetragen wurde. In diesem Bereich könnt ihr bereits erkennen, dass die Gebäude etwas weniger stark ausgeschmückt sind als die am Reagan- bzw. Leninplatz. Das liegt daran, dass die Straße Stück für Stück Richtung Norden bebaut wurde. Aus Geldmangel entschied man sich aber im Lauf der 50er-Jahre dafür, an der Ausschmückung zu sparen.

Teatr Ludowy Nowa Huta
Das Teatr Ludowy wurde ebenfalls von den Architekten Ingarden erbaut.

Volkstheater

Nordwestlich der Rosenallee steht das Volkstheater. Eine der wichtigsten Kultureinrichtungen des Stadtteils wurde zwischen 1950 und 1953 errichtet, das Volkstheater (Teatr Ludowy). Für das Gebäude waren mehrere Architekten verantwortlich, darunter wieder das Ehepaar Ingarden. Das rechteckige Gebäude verfügt über drei flache Turmaufsätze und zwei Rotunden mit einer spitzen Nadel links und rechts dem Eingang. Hier wurden mehrere antike Elemente aufgegriffen, was man außen an den Säulen und Pilastern und im Innern an der Form eines Amphitheaters erkennen kann. Für uns einer der spannendsten Bauten in ganz Nowa Huta!

Lenin-Kombinat Nowa Huta
Heute ist das frühere Lenin-Kombinat nach Tadeusz Sendzimir benannt.

Lenin-Kombinat

Nun geht es zurück zum Leninplatz. Bei all den interessanten Gebäuden kann man schnell vergessen, weshalb der Stadtteil eigentlich gebaut wurde. Im Lenin-Kombinat fanden viele der Bewohner des Stadtteils Arbeit. In Spitzenzeiten waren es 40.000 Menschen, die hier ihren Dienst taten! Sechs Millionen Tonnen Stahl wurden hier jedes Jahr produziert, die Anlage ist um ein Vielfaches größer als die Krakauer Altstadt. Zu einem ikonischen Wahrzeichen Nowa Hutas ist der metallene Schriftzug am Anfang des Geländes geworden, das früher den Namen Lenins trug. Heute ist die Stahlhütte nach Tadeusz Sendzimir benannt, einem aus Lemberg stammenden polnischen Ingenieur. Mit über 120 angemeldeten Patenten war er einer der bedeutendsten Metallurgen des 20. Jahrhunderts.

Verwaltungszentrum S/Z

Neben dem Sendzimir-Schriftzug fallen vor allem zwei riesige Gebäude ins Auge. Sie stehen zu beiden Seiten des Eingangs zum Werksgelände und sind baugleich. Mit ihren vier Ecktürmchen sehen sie ein bisschen aus wie alte Burgen. Auch hierfür waren Marta und Janusz Ingarden verantwortlich, die sich zusätzlich Janusz Ballenstedt ins Boot holten. Mit den Attiken und den Kuppeln unter den Türmen, die an Michelangelos Arbeiten erinnern sollen, zählen auch sie zu den spannendsten Gebäude in Nowa Huta Krakau. Für Verwaltungsgebäude verfügen sie über viele weitere liebevoll gestaltete Details wie Kassettendecken und geschwungene hölzerne Wendeltreppen.

Abkehr vom Sozialistischen Klassizismus

Die Tauwetterperiode hatte ab Mitte der 1950er-Jahre auch massive Auswirkungen auf die Gestaltung von Nowa Huta. So entstanden nun vornehmlich Gebäude im Stil des Modernismus, die stark vom Westen beeinflusst waren und viele spannenden Gebäude hervorbrachten.

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Schwedischer Block

Der sogenannte Schwedische Block war ein Gemeinschaftsprojekt von Marta und Janusz Ingarden. An dem Gebäude kann man gut sehen, wie die Ingardens den Sprung in die Moderne vollzogen und wie diese Stilikone zwischen 1956 und 1959 realisiert wurde.

Mit über 200 Metern Länge ist der Schwedische Block das längste Gebäude in Nowa Huta. Aber woher hat das Gebäude seinen merkwürdigen Namen? Beim Bau wurde Beton verwendet, der unter schwedischer Lizenz hergestellt wurde. Neben all dem Beton ist der Wohnblock aber vor allem wegen seiner vielen Fenster und Balkone ein echter Hingucker. Unten im Erdgeschoss befinden sich mehrere Geschäfte und Werkstätten. Diese bauliche Einheit von Wohnen und Arbeiten wurde beispielgebend für ganz Polen und dominierte die sozialistischen Plattenbauten der folgenden Jahrzehnte.

Französischer Block

In der Nähe des Schwedischen Blocks entstand zur selben Zeit eine weitere große Wohneinheit. Das 74 Meter lange Gebäude ist der erste vollständig in Fabriken gefertigte Bau Krakaus und weist wie der Schwedische Block eine Verbindung von Wohn- und Wirtschaftsbereichen auf. Auch heute noch ist der Französische Block sehr beliebt. Außerdem scheint er deutlich besser gealtert zu sein als der Schwedische Block, bei dem die unterschiedliche Farbgebung der Fassade insgesamt heute etwas „unrund“ wirkt. Der Französische Block hingegen hat den Sprung in die Gegenwart nach einer umfassenden Sanierung erfolgreich gemeistert und steht zeitgenössischen Wohneinheiten in nichts nach.

Kioske von Nowa Huta

Eines der schönsten Fotomotive in den Ostblockstaaten sind immer die Kioske. Die kleinen Nahversorgungszentren dienen oft bis heute noch als Verkaufsstände für Zeitungen und Tabak. Mitunter sind sie jedoch auch schon umgewandelt, dienen neuen Zwecken oder stehen leer. Ihr Zweck hängt auch in Nowa Huta von ihrer Lage und den Bedürfnissen der Kunden ab. Sie gehören aber auch zur Geschichte von Nowa Huta, sind sie doch meist genau so alt wie das ganze Viertel.

Arche des Herrn Nowa Huta
Die Arche des Herrn erinnert an Le Corbusiers Notre-Dame-du-Haut de Ronchamp.

Arche des Herrn

Es gibt keine Kirche in Polen, für deren Errichtung die Bevölkerung so sehr kämpfen musste wie für die Arche des Herrn in Nowa Huta. Die kommunistischen Machthaber wollten um jeden Preis vermeiden, dass in ihrer sozialistischen Idealstadt ein Gotteshaus errichtet wird. Bis dahin mussten die Gläubigen im Geheimen beten oder eine der Dorfkirchen im Umland besuchen. Dennoch gelang es einigen Mutigen, zunächst ein Kreuz aufzustellen, um das blutige Kämpfe entbrannten. Letztlich musste sich die kommunistische Regierung aber dem Willen der Bevölkerung beugen und 1969 legte der damalige Erzbischof Karol Wojtyła den Grundstein.

Krakau Polen

Der von Wojciech Pietrzyk in den folgenden Jahren realisierte Bau orientiert sich an Le Corbusiers Notre-Dame-du-Haut de Ronchamp und wird von einem hohen Mast geprägt, in dessen Mitte eine goldene Krone angebracht wurde. Das gesamte Gebäude ist voller christlicher Symbolik, beispielhaft sei hier nur die Christusfigur genannt, die sich mit aller Kraft vom Kreuz zu lösen versucht – ein klares Zeichen dafür, dass das Volk versuchen wollte, sich vom Kommunismus zu lösen.

Panzer Nowa Huta
Der IS-2-Panzer vor dem Museum der bewaffneten Tat ist auch ein Wahrzeichen von Nowa Huta.

Museum der bewaffneten Tat

Die Wurzeln des „Museums der bewaffneten Tat“ (Muzeum Czynu Zbrojowegu) in Nowa Huta reichen bis in die 1960er-Jahre zurück, als eine Ausstellung mit dem Titel „Die Arbeiter der Lenin-Hütte im Kampf um Volkspolen“ gezeigt wurde. Gezeigt wurden Exponate mehrerer (auch nicht sozialistischer) Aufstände. Im Laufe der Zeit wuchs die Sammlung auf mehrere 1000 Ausstellungsstücke an. Vor dem Museum steht ein nicht zu übersehender sowjetischer IS-2-Panzer, der unter anderem an der Eroberung von Berlin und Görlitz im Zweiten Weltkrieg beteiligt war.

Denkmal für die Solidarność
Das Denkmal für die Solidarność erinnert an die Gründung des Streikkomitees in Nowa Huta.

Denkmal für die Solidarność

Für die polnischen Genossen muss es ein Schock gewesen sein, dass in der Stadt der „neuen Menschen“ und in der Leninhütte noch dazu 1988 ein Streikkomitee der Solidarność gegründet wurde. Stellte sich doch so heraus, dass selbst die Musterbürger, die von den Kommunisten besonders gefördert wurden, sich vom kommunistischen System abgewandt hatten. Um der Gewerkschaft und ihren Errungenschaften zu gedenken, wurde deshalb 1999 vor dem Walzwerk von Nowa Huta ein Denkmal für die Solidarność errichtet. 2005 wurde es auf den Plac Centralny verlegt, wo es auch heute noch steht.

Kulturzentrum Nowa Huta
Die Leuchter im Kulturzentrum Nowa Huta sind schöne modernistische Ikonen.

Kulturzentrum Nowa Huta

Ein schöner Kontrast zu den sonst grauen Gebäuden im Stil des Realismus ist das Kulturzentrum Nowa Huta. Das Gebäude aus dem Modernismus wurde 1983 nach Plänen des Architekten Zbigniew Pawelski vollendet und sollte die zentrale Kulturhalle von Nowa Huta werden. Heute haben hier mehrere Kulturensembles ihren Sitz. Seit 2016 beherbergt das Kulturzentrum zudem eine Galerie mit 250 Werken von Zdzisław Beksiński, den manche den polnischen HR Giger nennen. Das ist jedoch eine etwas zu grobe Beschreibung für das Werk dieses Meisters.

Hutnik Krakow 1. FC Magdeburg
Graffiti für die Fanfreundschaft zwischen Hutnik Krakow und dem 1. FC Magdeburg.

Fußballverein Hutnik Krakau Nowa Huta

Den meisten Fußballfans sagen vermutlich die beiden Teams Wisła und Cracovia etwas. Nur wenige kennen jedoch den Namen des dritten Krakauer Teams Hutnik Krakow. Früher hieß das Team auch einfach Hutnik Nowa Huta. Leider spielt der Verein nur in der dritten polnischen Liga und trifft deswegen nur selten auf die anderen großen Vereine. Das ist jedoch ein Schicksal, das der Klub mit dem 1. FC Magdeburg teilt. Mit dem unterhalten die Fans der Mannschaft sogar eine Fanfreundschaft. Deshalb gibt es an der ein oder anderen Mauer in Nowa Huta auch eine Hommage an den einzigen Europapokalsieger aus der ehemaligen DDR.

Essen und Trinken in Nowa Huta

Essen und trinken könnt ihr in Krakau überall sehr gut. Und auch wenn es selbst in Nowa Huta gute Restaurants gibt, wollen wir euch aber vor allem Orte vorstellen, die an die Geschichte des Stadtviertels angelehnt sind.

Bar Mleczny Centralny

Zu einem Besuch in Nowa Huta gehört ein polnisches Essen in der Bar Mleczny Centralny einfach dazu. Hier essen alle Bevölkerungsschichten und es gibt leckeres Essen der polnischen Küche zu günstigen Preisen. Was eine Milchbar genau ist, erfahrt ihr in diesem Artikel. Die Bar Mleczny Centralny ist dabei auch noch ein besonders schönes und nostalgisches Exemplar, wo kein Schnickschnack verwendet wird und als Salzstreuer einfach ein Konservenglas mit Löchern im Deckel verwendet wird. Herrlich!
Adresse: Osiedle Centrum C 1, Kraków

Restaurant Stylowa

Auch das Restaurant Stylowa versprüht noch den Charme der Volksrepublik Polen, soweit man das so nennen kann. Die Inneneinrichtung sieht so, als ob hier immer noch die Brigadefeiern der Hüttenwerker stattfinden. Erbaut wurde das Gebäude 1953 bis 1955. Das Stylowa war neben dem heute nicht mehr existierenden Arkadia das eleganteste Restaurant in Nowa Huta. Besonders die Kronleuchter aus der Zeit des sozialistischen Realismus und ein Miniatur-Lenin erinnern an die Geschichte des Ortes. Lenin stand schließlich auch nur wenige Meter vom Restaurant entfernt. Hier lässt es sich prima anstoßen und über die Nowa Huta diskutieren. Allerdings war es zu Zeiten der Volksrepublik kein Ort, wo man Wodka trank. Serviert wurden hier bulgarische Weine und Cognac.
Adresse: Osiedle Centrum C 3, Kraków

Nowa Huta Trabant Tour
Für unsere Tour durch Nowa Huta wurden wir von einem Trabant abgeholt. Der ist allgemein etwas bequemer als die polnischen Fiats.

Nowa Huta Touren

Eine der besten Möglichkeiten in kurzer Zeit authentische Informationen über Nowa Huta zu erfahren, ist es, eine Tour durch Nowa Huta mitzumachen. Wir haben aus Recherchezwecken auch eine mitgemacht und fanden sie sehr unterhaltsam. Der erste Anbieter, der Touren durch das kommunistische Krakau und nach Nowa Huta angeboten hat, war Crazy Tours Krakow. Sie bieten diese Touren auch heute noch an.

Nowa Huta Trabant Tour
Unser Guide Asia hat uns persönlich chauffiert.

Wir wurden dafür standesgemäß von unserem Guide mit einem Trabant abgeholt und herum chauffiert. Unterwegs gab es viele nützliche Anekdoten. Die Touren könnt ihr ganz einfach online buchen. Es gibt 2 Touren vom Anbieter:

  • 2.5 Stunden Tour* durch Nowa Huta mit einem Stadtführer und Abholung von der Unterkunft mit dem Trabi
  • 4 Stunden Premium Tour* durch Nowa Huta und das kommunistische Krakau mit Stadtführer und Abholung im Trabi ab eurer Unterkunft

Wir haben die längere Tour gemacht und können sie nur empfehlen. Freundliche und unterhaltsame Guides, die euch viel erzählen können und auch noch gute Tipps für die Abendgestaltung hatten.

Buchtipps Nowa Huta Krakau

Wenn ihr euch für die Krakauer Architektur interessiert, kann ich euch den Architekturführer Krakau* empfehlen, den ich vor wenigen Jahren für dom Publishers geschrieben habe. Hier beschreibe ich zusammen mit Heike Maria Johenning und mehreren renommierten Gastautoren Gebäude aus der 11 Jahrhunderten, darunter natürlich auch viele in Nowa Huta Krakau.

Unser Kollege Martin Brand hat außerdem zusammen mit Robert Kalimullin den CityTrip Krakau geschrieben, einen klassischen Reiseführer, der im Reise Know-How Verlag erschienen ist. Neben Beschreibungen der schönsten Gebäude in der Stadt enthält er auch mehrere Spaziergänge sowie viele praktische Tipps wie Restaurantbeschreibungen und Hotelempfehlungen.

Wie hat euch unser Ausflug nach Nowa Huta Krakau gefallen? Lasst es uns gerne wissen und schreibt uns hier einen Kommentar. Wir freuen uns immer auch über Anregungen zu neuen Themen! Folgt uns gerne auch auf Facebook und bleibt so immer über neue Beiträge auf dem Laufenden.

*  – dieser Link ist ein Partnerlink. Wenn Ihr hierüber etwas kauft oder bestellt, bekommen wir eine kleine Provision. Euch kostet das keinen Cent extra und wir können weiter neue Beiträge für euch schreiben. Danke für eure Unterstützung!

Markus Bingel hat lange in Polen, der Ukraine und Russland studiert und gearbeitet. Als Reisebuchautor zieht es ihn mehrmals im Jahr in die Länder des „Wild East“ – und noch immer ist er jedes Mal fasziniert von dieser Region. Als Co-Gründer des Blogs möchte er euch gerne die unbekannten, spannenden und immer wieder überraschenden Seiten Osteuropas vorstellen.

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