Jüdisches Berlin – Jüdische Orte in der Hauptstadt

Jüdisches Berlin – Hier stellen wir euch jüdische Spuren in Berlin vor, zeigen euch aber auch Orte, die für das heutige jüdische Leben in Berlin wichtig sind.

Inhaltsverzeichnis

Jüdisches Berlin – Was bedeutet das genau? Berlin kann auf eine jahrhundertelange jüdische Geschichte zurückblicken. Ab dem Mittelalter lebten verschiedene jüdische Gemeinden in der Stadt. Die Beziehungen zur christlichen Mehrheitsbevölkerung gestalteten sich mal besser, mal schlechter und erlebten in der Shoah ihre dunkelste Stunde. Wir wollen euch heute nicht nur Orte vorstellen, die in Berlin an die jüdische Vergangenheit erinnern (darunter auch Gedenkorte), sondern euch anhand mehrerer Objekte vor allem auch zeigen, wie jüdisches Leben in der Stadt heute aussieht. Zunächst aber wollen wir uns kurz die Geschichte der Juden in Berlin anschauen.

Die Geschichte der Juden in Berlin

Die Anfänge im Mittelalter

Im Raum des heutigen Berlin lebten bereits im Mittelalter Juden. Deren erste urkundliche Erwähnung datiert auf das Jahr 1295 zurück. Im Gegensatz zu anderen Orten in Deutschland genossen sie hier zunächst einige Freiheiten und musste nicht in einem eigenen Viertel leben. Allerdings blieben ihnen viele Berufe verwehrt und sie waren immer von der Gunst der jeweiligen Herrscher abhängig, hatten also einen häufig wechselnden rechtlichen Status.

Es kam gerade im 15. und 16. Jahrhundert immer wieder zu Übergriffen auf die jüdische Bevölkerung, auch Vertreibungen waren an der Tagesordnung. Oft waren es lächerliche Vorwürfe wie Hostienschändung oder der Ritualmord von Kindern, denen sich die Juden von Berlin ausgesetzt sahen.

Vertreibung und Wiederansiedlung

Ende des 16. Jahrhunderts wurden die Juden aus der Stadt gewiesen und konnte sich erst rund 100 Jahre später wieder hier niederlassen. Die Wiederansiedlung erfolgte vor allem durch aus Wien vertriebene Juden. Im Jahr 1700 lebten bereits über 100 Familien in der Stadt.

Die Alte Synagoge aus dem Jahr 1714 in der Heidereutergasse wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört

Mitte des 18. Jahrhunderts befahl der preußische König Friedrich Wilhelm I. allen Berliner Juden, die kein eigenes Haus hatten, ins Scheunenviertel zu ziehen, weshalb sich insbesondere hier eine lebendige Gemeinde entwickelte, deren Bewohner größtenteils arm waren. Wohlhabendere jüdische Bürger ließen sich in der Folge vor allem in der angrenzenden Spandauer Vorstadt nieder. Dies sind auch heute noch die beiden Teile von Berlin, in denen man auf die meisten Spuren der jüdischen Vergangenheit stößt.

Emanzipation und Zuzug

Durch das Preußische Judenedikt erfolgte 1812 die teilweise rechtliche Gleichstellung der Juden in Preußen. Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs die jüdische Gemeinde von Berlin stark an, um 1860 zählte sie bereits 28.000 Mitglieder.

Blütezeit und Holocaust

Es kamen in der Folge immer mehr Juden nach Berlin. Dies war eine Zeit der kulturellen Blüte, die in den folgenden Jahrzehnten auch eine immer stärkere Differenzierung in verschiedene Glaubensströmungen und Geistesschulen nach sich zog. Viele Juden bekleideten wichtige Positionen in Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft und in dieser Zeit entstanden zahlreiche jüdische Kulturinstitutionen. Die Blütephase dauerte bis in die Weimarer Republik an.

Der Kulturbruch, den der Nationalsozialismus mit sich brachte, hatte schon bald fatale Auswirkungen auf die jüdische Gemeinde, die zum Zeitpunkt der Machtergreifung auf 160.000 Mitglieder angewachsen war. Pogrome, Demütigungen, Ausgrenzung und Flucht prägten die folgenden Jahre, ehe die Nazis danach trachteten, die europäischen Juden zu vernichten. In Berlin wurden mehrere Sammellager eingerichtet, von denen aus die Züge in den Tod in den Konzentrationslagern im Osten führten. Es schien, als würde jüdisches Leben in Berlin nie wieder möglich sein.

Jüdisches Berlin heute

Nach dem Krieg wanderten viele Juden sowohl im Osten als auch im Westen der Stadt aus und es bildeten sich zwei kleine Gemeinden heraus, die im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands fusionierten. In der Folge wuchs die jüdische Gemeinde von Berlin wieder deutlich, da durch den Zuzug zahlreicher osteuropäischer Migranten immer mehr Juden in die Stadt kamen. In jüngster Vergangenheit hat sich die Stadt in Israel den Ruf einer kreativen, hippen und toleranten Metropole erworben, weshalb nun vermehrt auch junge Israelis das jüdische Leben in Berlin bereichern. Diese Gemeinschaft ist heute so vielschichtig wie nie zuvor und wird dennoch nie wieder die alte Größe vor der Shoah erreichen. Bestürzend ist, dass die meisten Objekte, die wir euch jetzt vorstellen, auch fast 80 Jahre nach dem Holocaust von der Polizei geschützt werden müssen.

Jüdisches Museum

Das größte jüdische Museum Europas entstand 2001 nach einem Entwurf des Star-Architekten Daniel Libeskind. Wobei, so ganz stimmt das eigentlich nicht. Vielmehr ist es eine Verbindung eines von Libeskind geschaffenen, modernen Gebäudes im Zickzack-Look und eines barocken Baus, in dem früher ein Gericht untergebracht war. Zum Komplex gehört auch der sog. Garten des Exils, in dem 49 Betonstelen mit Ölweiden auf die Gründung des Staates Israel und die Stadt Berlin Bezug nehmen.

Das Gebäude in all seinen Facetten zu beschreiben, würde hier den Umfang des Artikels sprengen, aber es ist unbedingt sehenswert und bietet einen würdigen Rahmen für die Ausstellung. Sie wurde letztmals 2020 neu konzipiert und informiert über jüdisches Leben in Deutschland, die jüdische Geschichte Deutschlands, jüdische Bräuche und Traditionen sowie das Zusammenleben von Juden und Nichtjuden in Deutschland.

  • Lindenstraße 9–14, Eintritt frei (Wechselausstellungen kosten extra), hier geht’s zur Website
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Blumenthal-Akademie

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Museums befindet sich der beeindruckende Bau der Blumenthal-Akademie. In dem 2012 eröffneten Zentrum sind unter anderem ein Lesesaal, eine Bibliothek, ein Archiv, ein Kindermuseum und mehrere Veranstaltungsräume untergebracht. Benannt ist die Akademie nach dem Gründer des Jüdischen Museums, W. Michael Blumenthal.

Das Gebäude selbst entstand ebenfalls nach einem Entwurf von Daniel Libeskind und stellt eine ehemalige Großmarkthalle dar, die geschickt für die neuen Erfordernisse einer Bildungseinrichtung umgestaltet wurde. Auf dem Foto nicht so gut zu erkennen: Auf dem Dach des Eingangsbereichs sind die beiden ersten Buchstabend des hebräischen Alphabets, Alef und Bet zu sehen.

  • Lindenstraße 9–14, Eintritt frei, hier geht’s zur Website
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Neue Synagoge

Die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße ist für mich eines der schönsten Gebäude in Berlin und eines der wichtigsten Zentren jüdischen Lebens in der deutschen Hauptstadt. Für den Bau waren Eduard Knoblauch und Friedrich August Stüler, ein Schinkel-Schüler, verantwortlich, der auch das Neue Museum in Berlin schuf (das Teil unsere Liste der spannendsten Sehenswürdigkeiten in Ost-Berlin ist, die wir hier für euch zusammengestellt haben).

Der von der Alhambra inspirierte Bau im orientalischen Stil war gerade unter Juden aus dem Bürgertum nicht unumstritten. Sie waren der Ansicht, durch das exotisch wirkende Äußere könnten die Juden in Berlin noch stärker als Fremde und nicht dem deutschen Volk zugehörigen Menschen angesehen werden.

Die Nazis versuchten, das Gebäude in der Reichspogromnacht zu zerstören. Dem Polizisten Wilhelm Kürtzfeld ist es zu verdanken, dass das von der SA gelegte Feuer gelöscht werden konnte. Und so konnten hier auch in der Folge noch Gottesdienste gefeiert werden, ehe die Wehrmacht das Gebäude zum Zweck der Einrichtung eines Lagers beschlagnahmte.

Im Krieg stark beschädigt, riss man den größten Teil der Synagoge in den 50er Jahren mit Verweis auf die Einsturzgefahr ein. Kurz vor der Wende wurde eine Stiftung ins Leben gerufen, die sich um den Wiederaufbau der Synagoge kümmerte. Während die repräsentative Gebäudefront wiederhergestellt wurde, ging man im Innern einen anderen Weg. Hier wird heute eine Ausstellung über jüdisches Leben in Berlin gezeigt, als Synagoge fungiert das Gebäude heute nicht mehr.

Leider kam es 2019 zu einem islamistischen Messerangriff auf Sicherheitsmitarbeiter. Ein trauriges Zeichen dafür, dass jüdisches Leben in Deutschland noch immer bedroht ist.

  • Oranienburger Straße 28, hier geht’s zur Website

Haus der Wannseekonferenz

Die Wannseekonferenz markierte einen der dunkelsten Tag der deutschen Geschichte. Hier kamen am 20.1.1942 in einer Villa hochrangige Nazis zusammen, um unter der Führung von Reinhard Heydrich den Holocaust zu koordinieren. Hier wurde die „Endlösung der Judenfrage“ zwar nicht de facto beschlossen, die Konferenz markierte aber einen schwerwiegenden Schritt in Richtung der Vernichtung der europäischen Juden. In der Bildungsstätte, die hier eingerichtet wurde, kann man sich heute über diesen schicksalhaften Moment informieren.

  • Am Großen Wannsee 56–58, Führungen: 3 €, hier geht’s zur Website und hier kann die Ausstellung auch online besucht werden

Friedhof Schönhauser Allee

In der Schönhauser Allee befindet sich ein großer, wenn auch stark verwitterter Friedhof, der im 19. Jahrhundert angelegt wurde. Er bestand nur rund 50 Jahre, ehe die Beisetzungen ab 1880 auf dem Friedhof in Weißensee stattfanden, vereinzelt wurden hier aber auch später noch Menschen bestattet.

Hier liegen mehrere bekannte Berliner Juden begraben, darunter der Komponist Giacomo Mayerbeer und der impressionistische Maler Max Liebermann. Auf einem Spaziergang über den Friedhof lassen sich viele interessante Entdeckungen machen und er bietet einen bunten Mix aus äußerst einfachen Gräbern und aufwendig gestalteten Grabmalen.

  • Schönhauser Allee 23, Spende erbeten, hier geht’s zur Website
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Ehemalige Jüdische Mädchenschule

Zwischen 1927 und 1928 wurde dieses Gebäude in Berlin-Mitte realisiert, in dem sich eine Schule für jüdische Mädchen befand. 1941 wurden hier Juden zusammengetrieben, 1942 erfolgte die endgültige Schließung der Bildungseinrichtung. Zu DDR-Zeiten war hier die Polytechnische Oberschule Bertold Brecht untergebracht, Bekanntheit erlangte das Gebäude als Austragungsort der 4. Biennale im Jahr 2006. Heute haben hier mehrere Galerien ihren Sitz.

  • Auguststraße 11–13
Jüdisches Berlin
Foto: Lars Dörenmeier

Deportationsmahnmal Putlitzbrücke

Im Berliner Ortsteil Moabt überspannt eine Brücke einen alten Güterbahnhof, der eine dunkle Geschichte birgt. Von hier aus wurden ab 1942 insgesamt 32.000 Juden in die Konzentrationslager deportiert, wo die allermeisten von ihnen einen grausamen Tod fanden. Das 1987 von Volkmar Haase geschaffene Denkmal erinnert an einen Grabstein und trägt folgende Inschrift:

„STUFEN DIE KEINE STUFEN MEHR SIND. EINE TREPPE DIE KEINE TREPPE MEHR IST. ABGEBROCHEN. SYMBOL DES WEGES DER KEIN WEG MEHR WAR FUER DIE DIE UEBER RAMPEN GLEISE STUFEN UND TREPPEN DIESEN LETZTEN WEG GEHEN MUSSTEN. VOM BAHNHOF PUTLITZSTRASSE
WURDEN IN DEN JAHREN 1941–1944 ZEHNTAUSENDE JUEDISCHER MITBUERGER BERLINS IN VERNICHTUNGSLAGER DEPORTIERT UND
ERMORDET.“

Traurig ist auch, dass das Mahnmal mehrmals geschändet wurde, 1992 fand sogar ein Sprengstoffanschlag statt, der es so sehr beschädigte, dass es nach einer Restaurierung erst 1993 wieder hier aufgestellt werden konnte.

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Quelle: wikimedia commons, Urheber: Mutter Erde

Jüdisches Altersheim Berkaer Straße

Alexander Beer war in der Zwischenkriegszeit einer der bedeutendsten jüdischen Architekten Berlins und schuf mehrere Gebäude, von denen drei bis heute erhalten sind. Eines von ihnen war das zwischen 1929 und 1931 entstandene Altersheim in der Berkaer Straße. Der Backsteinbau mit Putzbändern ist eines der wunderbaren Beispiele für Gebäude der Moderne in Berlin (wegweisend für diese Stilrichtung war u.a. die Stadt Chemnitz, deren Moderne-Bauten wir euch hier vorstellen). 1941 lösten die Nazis das Altenheim auf und deportierten die letzten noch lebenden Bewohner in Vernichtungslager. Auch Beer erlebte das Kriegsende nicht mehr und wurde 1944 im KZ Theresienstadt ermordet. Später diente der Bau britischen Streitkräften als Unterkunft, später als Krankenhaus. Heute gibt es in Charlottenburg wieder ein jüdisches Altersheim.

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Friedhof Heerstraße

Der Friedhof Heerstraße unweit des Olympiastadions ist vor allem als Prominentenfriedhof bekannt (unter anderem wurde hier „Loriot“ beigesetzt). Jenseits der Heerstraße gibt es seit den 50er Jahren aber auch eine moderne jüdische Grablege, die noch immer von der jüdischen Gemeinde Berlins genutzt wird. Er wurde in den folgenden Jahrzehnten mehrmals erweitert und war leider immer wieder Ziel von Anschlägen. Hier sind unter anderem Hans Rosenthal, der berühmte Fernsehmoderator, und Heinz Galinski beigesetzt, ehemaliger Vorsitzender des Zentralrats der Juden. Viele der Grabsteine deuten auf die ukrainische und russische Herkunft der Toten hin und zeigen so auch den Wandel, den die jüdische Gemeinde Berlins durch den Zuzug von Kontingentflüchtlingen und Spätaussiedlern seit der Wende erfahren hat.

  • Heerstraße 141
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Jüdisches Gymnasium Moses Mendelssohn

Das „JGMM“ in Mitte kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Der jüdische Philosoph und Aufklärer Moses Mendelssohn aus Dessau organisierte hier bereits im 18. Jahrhundert einen jüdischen Schulbetrieb. 1906 bezog die Schule schließlich das eigens für den Schulbetrieb errichtete Gebäude in der Großen Hamburger Straße. Zu Beginn der Nazi-Diktatur gingen hier 1000 Kinder zur Schule, ehe das Gebäude während des Krieges geräumt werden musste und hier Juden zusammengetrieben wurden. Zu DDR-Zeiten diente der Bau als Berufsschule, ehe nach der Wende hier wieder ein jüdischer Schulbetrieb möglich war.

Heute gehen hier Juden wie Nichtjuden zur Schule und die Einrichtung der Jüdischen Gemeinde ist eine staatlich anerkannte Privatschule. Von hier ist es nur ein kurzer Fußweg zum St. Hedwigs-Krankenhaus.

  • Große Hamburger Straße 27, hier geht’s zur Website
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Friedhof Große Hamburger Straße

Die Geschichte des Friedhofs in Berlin-Mitte reicht bis in das ausgehende 17. Jahrhundert zurück. Hier fanden mehrere Tausend Juden ihre letzte Ruhestätte (die genauen Zahlen sind umstritten). Auch dieser Friedhof wurde von den Nazis verwüstet, einige Grabsteine konnten aber erhalten werden, da sie in der Mauer eingelassen waren. Auf dem Gelände wurde 1786 auch Moses Mendelssohn beigesetzt, an den heute der einzige Grabstein auf dem Friedhof erinnert. Gegen Ende des Krieges wurden hier auch Nichtjuden beigesetzt, da es in der Stadt einfach zu viele Tote gab.

Vor dem Friedhof befindet sich ein Denkmal des aus Hagen stammenden Bildhauers Will Lammert mit dem Titel „Jüdischer Opfer des Faschismus“, das hier 1985 aufgestellt wurde. Es zeigt 13 Personen mit versteinerten Gesichtsausdrücken und war eigentlich für die Gedenkstätte Ravensbrück vorgesehen gewesen.

  • Große Hamburger Straße 26, Spende erbeten, hier geht’s zur Website
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St.-Hedwigs-Krankenhaus

Ein katholisches Krankenhaus hat es auch in unsere Liste „Jüdisches Berlin“ geschafft. Es wurde Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet und ist eines der größten Krankenhäuser der Hauptstadt. Warum wir es hier listen? Zwischen 1942 und 1945 halfen der katholische Arzt Erhard Lux und die Sozialarbeiterin Marianne Hapig zusammen mit mehreren Ordensschwestern hier Juden, die von der Deportation bedroht waren. Getarnt als angeblich katholische Patienten fanden hier die Bewohner einer in einem jüdischen Altenheim in der Nachbarschaft eingerichteten Sammelstelle Zuflucht. Die tief gläubige Hapig half auch Widerstandsgruppen und Regimegegnern, nach ihr ist heute in Berlin auch ein Weg in Rudow benannt.

  • Große Hamburger Straße 5–11, hier geht’s zur Website
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Museum der Otto Weidt Blindenwerkstadt

Dass Oskar Schindler während des Zweiten Weltkriegs in Krakau zahlreichen Juden das Leben rettete, weiß spätestens seit dem Film „Schindlers Liste“ die ganze Welt. Es gab aber viele Menschen, die Verfolgten Schutz boten. Otto Weidt war einer von ihnen. In seiner Fabrik für Besen und Bürsten beschäftigte er hauptsächlich blinde und gehörlose Juden und richtete hier in seiner Werkstatt auch ein Versteck für seine Angestellten in einem Hinterzimmer ein. In der Werkstatt und dem Versteck, das sich größtenteils original erhalten hat, könnt ihr euch heute über Weidt und seine Arbeit informieren.

Die Passage in der Rosenthaler Straße, in der sich die Werkstatt und auch das Anne Frank Zentrum befinden, ist übrigens sehr fotogen und über und über mit Streetart versehen.

  • Rosenthaler Straße 39, Eintritt frei, hier geht’s zur Website
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Anne Frank Zentrum

Das Schicksal von Anne Frank und ihre Tagebücher kennen die meisten von euch. Hier in der Passage befindet sich ein kleines Zentrum, das über Anne Frank, ihr Leben und ihr Schicksal, aber auch über die Zeit des Nationalsozialismus informiert. Dabei werden zahlreiche persönliche Dokumente und Fotos gezeigt. Auch durch die interaktive Aufmachung ist das Zentrum gerade für Kinder sehr interessant und bietet einen guten Einstieg, um Heranwachsende an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte ranzuführen.

  • Rosenthaler Straße 39, Eintritt: 6 €, hier geht’s zur Website
Ost-Berlin Sehenswürdigkeiten Holocaust Mahnmal
Foto: Peter Althaus

Holocaust Mahnmal

Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas erinnert seit dem Jahr 2005 an die im Holocaust von den Deutschen umgebrachten Juden. Bis 1989 hatte das Areal als Teil der Berliner Mauer gedient. Da aber ein zentrales Mahnmal an die Shoah erinnern sollte, wurde die Fläche unweit des Brandenburger Tors dafür ausgewählt. Insgesamt stehen hier nun 2711 Betonstelen, die unterschiedlich hoch sind. Beim Durchlaufen bekommt man das Gefühl, in ein Labyrinth zu gehen und von den kalten Betonstelen fast erdrückt zu werden. Das Denkmal ist eines der beeindruckendsten Mahnmale und seine Komposition wirklich einmalig. Der Besuch dieses Ortes ist kostenlos möglich und es gibt zudem eine Ausstellung unter dem Mahnmal.

  • Cora-Berliner-Straße 1
Kinder aus dem Jüdischen Waisenhaus während des Purimfests (unbekannter Autor)

Jüdisches Waisenhaus

Im Bezirk Pankow errichtete Alexander Beer 1912/1913 ein Gebäude im Stil des Neobarock, das fortan als Jüdisches Waisenhaus genutzt wurde. Seine Wurzeln gehen auf eine ältere Einrichtung zurück, in der Kinder und Jugendliche lebten, die Ende des 19. Jahrhunderts aus Brody in der Nähe von Lemberg nach Berlin geholt worden waren. Zuvor war es zu antijüdischen Pogromen im Zarenreich gekommen und engagierte Berliner Juden halfen den elternlosen Kindern auf diese Weise.

Dem Waisenhaus war eine Schule angeschlossen. Da im Zuge der „Rassentrennung“ Juden ab 1935 der Besuch öffentlicher Schulen verboten war, wuchs die Schule des Waisenhauses stark an. Einige Kinder konnten im Rahmen der Kindertransporte (siehe auch das Denkmal „Züge ins Leben – Züge in den Tod“) gerettet werden, die meisten aber wurden in die KZs im Osten deportiert und fanden dort ihren Tod.

Heute dient das Waisenhaus u.a. als Kultur- und Begegnungsstätte. Hier finden verschiedene Veranstaltungen statt, die meist den interkulturellen Dialog fördern sollen.

  • Berliner Straße 120, hier geht’s zur Website
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Sitz des Zentralrats der Juden in Deutschland

Das Gebäude in der Tucholkystraße ist kein Gebäude, dass ich wegen seiner Geschichte oder seiner besonderen Bauweise hier mit aufnehme, sondern wegen seiner Funktion. Früher befand sich hier, im sogenannten Leo-Baeck-Haus, die Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums. Es war also ein Gebäude mit langer jüdischer Tradition, das nach dem Krieg auf unterschiedliche Weise genutzt und schließlich in den 90er Jahren dem Zentralrat der Juden in Deutschland übertragen wurde.

Der Zentralrat der Juden ist der größte Dachverband der jüdischen Gemeinden in Deutschland und vertritt die Interessen von rund 100.000 Juden in Deutschland. Ihm kommt dabei eine Schlüsselrolle zu und seit seiner Gründung 1950 ist er ein wichtiges Sprachrohr der Juden in Deutschland und dessen zentraler Ansprechpartner der Politik.

  • Tucholskystraße 9, hier geht’s zur Website des Zentralrats der Juden

Synagoge Rykestraße

Vielen denken, die Neue Synagoge sei die größte Synagoge der Stadt. Mit 1200 Plätzen wird sie aber von Synagoge in der Rykestraße übertroffen, die somit die größte Synagoge Deutschlands ist. Mitten im heute angesagten Prenzlauer Berg wurde sie bereits 1904 fertiggestellt und diente vor allem osteuropäischen Zuwanderern als Gotteshaus. Auch aufgrund dieser neoromanischen Synagoge entwickelte sich der Stadtteil schnell zu einem bedeutenden jüdischen Zentrum. Da sich die Synagoge mitten in einem dicht bebauten Gebiet befindet, wurde sie während der Reichspogromnacht nicht so stark zerstört wie freistehende Gotteshäuser, im Krieg wurde sie als Pferdestall missbraucht.

Als einzige nicht zerstörte Synagoge im Osten der Stadt nahm sie in der Nachkriegszeit schnell eine Schlüsselrolle für die jüdische Gemeinde in Berlin ein und zählte zeitweise 3000 Mitglieder. Nach mehreren Emigrationswellen gehörten ihr zur Wendezeit aber nur noch rund 200 Gläubige an. 2007 aufwendig restauriert, erstrahlt sie heute wieder in altem Glanz und wie zu ihrer Eröffnung beten hier auch heute hauptsächlich Juden mit osteuropäischen Wurzeln.

  • Rykestraße 53, hier geht’s zur Website
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Synagoge am Fraenkelufer

Während des Ersten Weltkriegs entstand in Kreuzberg eine neoklassizistische Synagoge, die der lokalen orthodoxen Gemeinde als Gotteshaus diente. Um die Synagoge entstand ein kleiner Komplex, der wie die Betstätte selbst von Alexander Beer entworfen wurde, der auch das Waisenhaus und das Altenheim gestaltete. Mit 200 Plätzen war sie eine der größten Synagogen Berlins, leider wurde sie während der Novemberpogrome in Brand gesteckt. Als Glücksfall erwies sich, dass in unmittelbarer Nachbarschaft eine öffentliche Schule stand und die Feuerwehr die Flammen in Schach hielt.

Gottesdienste fanden fortan nur noch in der kleinen Jugendsynagoge statt, die ihr auf dem Bild seht. Als erste Synagoge nach dem Krieg wurde die Synagoge am Fraenkelufer pünktlich zu Rosh ha-Schana 1945 wiedereröffnet. Derzeit gibt es Pläne der Stadtverwaltung, die alte, viel größere Synagoge wieder aufzubauen, was ein für Berlin bislang einmaliger Vorgang wäre.

  • Fraenkelufer 10–12, hier geht’s zur Website
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Denkmal in der Rosenstraße

Früher befand sich in der Rosenstraße mitten im Zentrum die Alte Synagoge von Berlin. Ende Februar 1943 deportierten die Nazis 8000 jüdische Bürger aus der Stadt, darunter viele männliche Juden aus sog. „Mischehen“. Diese wurden zunächst in der Rosenstraße im Gebäude der Jüdischen Sozialverwaltung zusammengetrieben. 600 mutige Frauen demonstrierten daraufhin eine Woche lang vor dem Gebäude für die Freilassung ihrer Angehörigen. Und sie hatten tatsächlich Erfolg! Anfang März wurden alle Gefangenen entlassen. 1995 wurde in Erinnerung an diese ungewöhnliche Episode dieses Denkmal von Ingeborg Hunzinger enthüllt, die laut den NS-Rassegesetzten ebenfalls ein „Mischling“ war und in Berlin zahlreiche Werke schuf.

  • Rosenstraße
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Denkmal „Der verlassene Raum“

Als ich das Denkmal im Februar 2021 aufsuchte, saßen gerade zwei Jugendliche auf dem Tisch und tranken gemütlich einen Kaffee. Damit teilt das Denkmal das Schicksal vieler Erinnerungsorte, die von vielen leider nicht als solche angesehen werden. Der Berliner Bildhauer Karl Biedermann schuf hier in der Spandauer Vorstadt ein eindrückliches Werk, das viel Raum für Interpretationen lässt. Für mich wirkt es so, als wäre hier eine Familie mitten aus dem Leben gerissen und gewaltsam verschleppt worden. Der Ort ist nicht zufällig gewählt, denn in der Gegend lebten seit dem 18. Jahrhundert viele Juden und bereits 1923, also 10 Jahre vor der Machtergreifung der Nazis, fand hier ein Pogrom statt, das bereits eine dunkle Ankündigung dessen war, was noch kommen würde.

  • Koppenplatz
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Stolpersteine

Die Stolpersteine entstanden auf Initiative des Berliner Künstlers Gunter Demnig im Jahr 1992. Die kleinen Messingtafeln gibt es in ganz Europa und befinden sich meist vor den letzten Wohnhäusern derjenigen Menschen, die von den Nazis ermordet, deportiert oder vertrieben wurden. Mittlerweile sind es in Deutschland schon über 75.000 Stück, wobei nicht nur an jüdische Bewohner, sondern auch an Mitglieder anderer verfolgter Gruppen erinnert wird. Demnigs Hauptanliegen ist es, den Menschen ihren Namen und damit ein Stück ihrer Würde zurückzugeben, die in den Konzentrationslagern auf eine Häftlingsnummer reduziert worden sind. In Berlin finden sich bereits fast 9000 von ihnen, deren genaue Lage ihr hier anhand der Symbole mit den blauen Häuschen nachvollziehen könnt.

Jüdischer Friedhof in Weißensee

1880 wurde in Weißensee im heutigen Bezirk Pankow ein von Hugo Licht entworfener Friedhof im Stil der Neorenaissance angelegt. Dies war nötig geworden, da der Friedhof in der Schönhauser Allee nicht mehr genügend Platz für die Verstorbenen bot. Mit einer Fläche von über 40 Hektar ist er heute der größte jüdische Friedhof in ganz Europa. Der von einer Ziegelsteinmauer mit prächtigem Eingangsportal begrenzte Friedhof verfügt über mehrere Orte, die an den Holocaust erinnern, darunter Gedenksteine, aber auch ein Urnenfeld mit der Asche von in Konzentrationslagern ermordeten Juden.

Vom tragischen Schicksal der jüdischen Gemeinden zeugen auch die 1907 Juden, die hier bestattet wurden, weil sie während der Nazi-Diktatur Selbstmord begingen. Warum der Friedhof nicht wie so viele andere von den Nazis geschändet wurde, ist Historikern bis heute ein Rätsel. Der Friedhof ist auch wegen der prachtvollen Gräber und Mausoleen unbedingt einen Besuch wert.

  • Herbert-Baum-Straße 45, Spende erbeten
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Jüdische Volkshochschule

Im Jahr 1919 wurde in Berlin die Freie Jüdische Volkshochschule ins Leben gegründet. Nach der Schließung durch die Nazis wurde sie erst 1962 neu eröffnet und ist heute einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Berlin. Besonders schön: Die Jüdische Volkshochschule versteht sich als Ort des Dialoges, an dem auch Nichtjuden zusammenkommen, um sich über das Judentum zu informieren. Hier werden aber nicht nur Vorurteile abgebaut, sondern Juden können hier ihr Wissen über ihre Geschichte und Traditionen vertiefen. Ansonsten funktioniert die Jüdische Volkshochschule wie andere VHS auch. Neben Sprachkursen (Jiddisch und Hebräisch) werden auch kulturelle Aspekte jüdischen Lebens in einzelnen Seminaren abgehalten.

  • Fasanenstraße 79–80, hier geht’s zur Website
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Denkmal „Züge ins Leben – Züge in den Tod“

Am Bahnhof Friedrichstraße befindet sich ein beeindruckendes Denkmal, das von Frank Meisler geschaffen wurde. Der Standort wurde nicht zufällig gewählt, denn von hier aus starteten die Züge in die Freiheit bzw. in den Tod. Unmittelbar vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gestattete die britische Regierung jüdischen Kindern die Einreise nach Großbritannien. An sie wird hier ebenso erinnert wie an die Kinder, die vom Bahnhof Friedrichstraße in den Tod geschickt wurden und nicht das Glück hatten, von Großbritannien oder anderen Staaten aufgenommen zu werden. Der Künstler selbst konnte durch die Aktion gerettet werden und schuf auch an anderen Orten ähnliche Denkmäler, darunter in seiner Heimatstadt Danzig, in Hamburg und in London.

  • Georgenstraße 14 (am Bahnhof Friedrichstraße die Treppe nach unten gehen, dort ausgeschildert)

Buchtipps

Die Geschichte der Juden in Berlin und Jüdisches Berlin im Allgemeinen sind seit Jahren gut erforscht und es gibt zahlreiche Bücher zu dem Thema. Drei von ihnen möchten wir euch hier ganz besonders ans Herz legen.

Das Taschenbuch ist zwar bereits vor über zehn Jahren erschienen, ist aber ein zeitloser Klassiker. Auf den Spuren von Heinrich Heine, Walter Benjamin, Kurt Tucholsky und vielen anderen bedeutenden Geistesgrößen wagt die Autorin hier literarische Streifzüge durch Berlin und lässt so den alten Glanz der jüdischen Gemeinden wieder aufleben.

Auch dieses Buch begibt sich auf Spurensuche. Ein Gebäude in der Auguststraße dient hierbei als Aufhänger und als Ort, an dem sich viele jüdische Schicksale verbanden. Ein gut recherchierter und eindrucksvoller Beitrag!

In dem kompakten Buch führ Bill Rebiger zu jüdischen Orten der Gegenwart, stellt aber auch Friedhöfe, alte Synagogen und Orte vor, die mit der Shoah in Verbindung stehen.

Website-Tipp

Wir wollen euch das Projekt Jewish Places wärmstens ans Herz legen. Hier sind nicht nur alle jüdischen Sehenswürdigkeiten gelistet, sondern auch Stolpersteine, Spaziergänge und vieles mehr zu den Spuren jüdischen Lebens in ganz Deutschland.

Ihr habt noch nicht genug von Berlin? Hier geht es zu unserem Artikel über die spannendsten DDR-Bauten in Ostberlin. Und wenn ihr hier klickt, kommt ihr zu unserem Artikel über die Karl-Marx-Allee. Fans des Jugendstil sollten sich auf jeden Fall diesen Beitrag nicht entgehen lassen.

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Markus Bingel hat lange in Polen, der Ukraine und Russland studiert und gearbeitet. Als Reisebuchautor zieht es ihn mehrmals im Jahr in die Länder des „Wild East“ – und noch immer ist er jedes Mal fasziniert von dieser Region. Als Co-Gründer des Blogs möchte er euch gerne die unbekannten, spannenden und immer wieder überraschenden Seiten Osteuropas vorstellen.

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