Olesko, Pidhirzi und Solotschiw – Das Goldene Hufeisen der Ukraine

Die Schlösser Olesko, Pidhirzi und Solotschiw bilden das Goldenen Hufeisen der Ukraine. Es locken spannende Geschichten und eine einzigartige Landschaft.

Inhaltsverzeichnis

Galizien war über mehrere Jahrhunderte Grenzregion und wurde von vielen Herrscherhäusern besetzt, erobert und verwaltet. Die Region um die Stadt Lemberg lag lange Zeit in den Händen vor allem polnischer Adliger. Bis heute haben sich einige atemberaubende Schlösser erhalten, die ihr ganz einfach auf einer Tagestour ab Lemberg besuchen könnt. Die beliebteste Route ist das sogenannte Goldene Hufeisen, ein Ensemble aus drei malerischen Schlössern, die alle einen unterschiedlichen Charakter haben und doch eng mit dem legendären polnischen König Jan III. Sobieski und seiner Familie verbunden sind. Sie lassen sich perfekt zu einer Tagestour kombinieren. Kommt mit nach Olesko, Pidhirtsi und Zolochiv und entdeckt so die schönsten Schlösser um Lemberg.

Die Region ist von Wäldern, sanften Hügeln und weiten Wiesen geprägt und wurde früher von polnischen Magnaten regiert

Das Goldene Hufeisen

Die Westukraine war lange Teil des polnisch-litauischen Königreichs und wurde später durch die Polnischen Teilungen Österreich einverleibt. Das polnische Erbe in der Region, in der vor allem Polen, Juden und Ukrainer lebten, ist auch heute noch sehr präsent. Zwar leben hier heute nur noch wenige Polen, aber das architektonische Erbe hat alle Zeiten überdauert und gerade das Goldene Hufeisen bietet perfekte Bedingungen, um sich mit der Geschichte der Region zu beschäftigen. Die drei hier angesiedelten Schlösser sagen viel über ihre damaligen Besitzer und ihre Zeit aus und geben euch einen Eindruck von der reichen Geschichte der Region.

Jan III. Sobieski – Ein König, der Geschichte schrieb

Die ländliche Westukraine wurde jahrhundertelang von polnischen Magnatenfamilien kontrolliert. Eine von ihnen war der Sobieski-Clan, aus dem ein Mann hervorging, der das Schicksal Europas entscheidend prägen sollte. Sobieski wurde 1629 als Sohn des Kastellans von Krakau Jakub Sobieski und Sofia-Teofila aus dem Haus Daniłowicz auf Schloss Olesko geboren.

Sobieski-Denkmal im Warschauer Łazienki-Park

Nach seinem Studium in Krakau war er als polnischer Botschafter in der Türkei aktiv und zeigte später in mehreren Schlachten sein Geschick als Militärstratege. So konnte er zum Großhetman der polnischen Krone aufsteigen, was gleichbedeutend mit dem Oberbefehl über die polnischen Streitkräfte war. Nachdem er im Osmanisch-Polnischen Krieg (1672–1676) ein osmanisches Heer geschlagen hatte, wählte man ihn 1674 zum polnisch-litauischen König.

Dieses monumentale Gemälde zeigt die Schlacht am Kahlenberg 1683 und somit Sobieskis größten Sieg

Sobieski ist vor allem aufgrund der Schlacht am Kahlenberg 1683 (auch als Schlacht bei Wien bekannt) bekannt, als er mit einem Entsatzheer als Anführer der Katholischen Liga (bestehend aus polnischen, kaiserlichen, bayerischen, sächsischen, badischen und württembergischen Soldaten) das übermächtige osmanische Heer schlug. So sorgte er vermutlich dafür, dass das Habsburgerreich nicht unterging. Er hatte wieder einmal sein enormes militärisches Können unter Beweis gestellt. In mehreren weiteren Schlachten und Scharmützeln konnte das osmanische Heer immer weiter zurückgedrängt werden und Ungarn geriet unter die Kontrolle Österreichs.

Die folgenden Jahre verliefen für Sobieski weitaus ruhiger. Der sprachaffine König tat sich als Förderer der Kunst hervor und ließ mit dem Palast Wilanów bei Warschau eines der schönsten Barockschlösser Europas errichten. Dort verstarb Sobieski 1696 im Alter von 66 Jahren. Ihm folgte mit August dem Starken, dem Kurfürst von Sachsen, ein nicht weniger schillernder Herrscher auf den polnischen Thron.

Olesko Zolochiv Pidhirtsi
Malerische Lage: Das Schloss Olesko befindet sich auf einem Hügel, von dem ihr eine tolle Sicht auf das Umland genießt

Burg Olesko

Auf einem Hügel erhebt sich an der Grenze von Galizien zu Wolhynien eine wuchtige Burg, deren Anfänge in das 13. und 14. Jahrhundert zurückreichen. Hier erblickte Jan III. Sobieski einst das Licht der Welt. Der König von Polen-Litauen vergaß nie seine Wurzeln und kaufte die Burg, später gelangte sie in den Besitz der Familie Rzewuski, die ihr noch im 17. Jahrhundert ihr heutiges Aussehen verlieh. Im 19. Jahrhundert verfiel das Schloss zunehmend. Nachdem die Burg während der Sowjetzeit erst fast komplett verfiel, wurde die Ruine in den 1970er Jahren durch engagierte Einheimische wiederhergestellt. Die meisten ausgestellten Exponate stammen daher aus anderen Schlössern und Burgen Galiziens und wurden lediglich hier zusammengeführt.

Olesko Zolochiv Pidhirtsi
Der Innenhof des Schlosses wird von seinem hölzernen Wehrgang geprägt

Anhand flämischer Wandteppiche, Möbel und Gemälde könnt ihr euch hier einen Eindruck vom Leben einer polnischen Magnatenfamilie aus dem 17. Jahrhundert verschaffen. Außerdem sind zahlreiche Ikonen zu bestaunen, darunter eine besonders wertvolle Arbeit aus dem 16. Jahrhundert, die auf schaurige Weise das Jüngste Gericht darstellt.

Bekannt ist das Schloss auch durch ein riesiges Schlachtengemälde, das Sobieskis Erfolg bei der Schlacht um Wien zeigt. Auch den Untergrund kann man besichtigen, anschließend bieten sich ein Spaziergang und eine Einkehr im urigen Schlossrestaurant Hrydnyzja an.

Olesko Zolochiv Pidhirtsi
Nicht im allerbesten Zustand, aber gerade deshalb so charmant: Das Schloss Pidhirzi

Schloss Pidhirzi

Früher war Pidhirzi als „Galizisches Versailles“ bekannt. Auch derzeit zählt das oft als Filmkulisse dienende Schloss und auch unter dem Namen Schloss Sanguszko bekannte Gebäude zu einem der malerischsten Orte der Region. Eingebettet in eine große Parklandschaft, wurde es im 17. Jahrhundert von italienischen und französischen Baumeistern auf dem Fundament einer alten Bastion errichtet. Als Bauherr fungierte der Oberbefehlshaber der polnisch-litauischen Armee, Stanisław Koniecpolski, seine Familie vermachte das Anwesen später der Familie Sobieski. Vom einstigen Glanz der Anlage ist heute allerdings nicht mehr viel übrig, Kriege und Plünderungen hinterließen starke Spuren an dem Schloss. Aber gerade das verwunschen wirkende, verfallende Äußere macht den besonderen Reiz dieser Anlage aus.

Zu Sowjetzeiten diente Pidhirzi als Tuberkulose-Spital, heute kann man sich im Innern anhand historischer Fotos einen Eindruck vom einstigen Glanz der Anlage verschaffen. Auch Kopien bekannter Gemälde sind hier ausgestellt. Aufgrund des schlechten konservatorischen Zustands befindet sich das Schloss auf der Liste der 100 am meisten gefährdeten Kulturgüter der Welt des World Monuments Funds (WMF).

Quelle: Oleksandr Malyon, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Die Umgebung des Schlosses Pidhirzi

Wenn ihr der Allee folgt, die vom Schloss ins gleichnamige Dorf führt, kommt ihr zu einer wundervollen, griechisch-katholischen Kirche aus dem 18. Jahrhundert, deren Stil dem Petersdom in Rom nachempfunden ist. Sie ist auch als Schlosskapelle Sunna bekannt und trug einst den Namen Josephskirche und ist heute unter anderem Nikolaus Czarnecki geweiht. Er wurde von den sowjetischen Behörden verfolgt und inhaftiert und 2001 von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Wie ihr auf dem Bild sehen könnt, befindet sich leider auch die ihm geweihte Kirche in einem schlechten konservatorischen Zustand. Das Gotteshaus diente einst als Schlosskapelle, später dann als Pfarrkirche der Gemeinde. Im Innern beeindrucken vor allem die barocken Schnitzereien und goldenen Verzierungen.

Olesko Zolochiv Pidhirtsi

Aber auch den Park des Schlosses solltet ihr euch anschauen. Vieles ist überwuchert, aber an einigen Stellen sind spannende Entdeckungen möglich. So findet sich hier unter anderem ein sowjetisches Ehrenmal, das an die Eroberung des Ortes im Zweiten Weltkrieg erinnert.

Olesko Zolochiv Pidhirtsi

Schloss Solotschiw

Während die Schlösser Olesko und Pidhirzi von weiten Grünanlagen umgeben sind, ist das Schloss Solotschiw in die gleichnamige Ortschaft eingebettet. Auf einem von vier Bastionen umgebenen Hügel erhebt sich eine malerische Anlage, die aus zwei Palais besteht. Die ebenfalls der Familie Sobieski und später der einflussreichen Magnatenfamilie Radziwiłł gehörende Anlage birgt allerdings eine dunkle Vergangenheit. Noch vor dem Ersten Weltkrieg wurde das Areal als Gefängnis genutzt. Als die Rote Armee 1939 die Kontrolle über die Region übernahm, richtete der NKWD hier ein Gefängnis für politische Gefangene ein, die beim Anrücken der Wehrmacht 1941 ermordet wurden. Die deutschen Besatzer wandelten diese Anlage in ein Konzentrationslager ein, Tausende Juden wurden hier getötet.

Von der schrecklichen Vergangenheit dieses Ortes werdet ihr hier aber kaum noch etwas. Im Großen Palais werden u.a. archäologische Funde aus der Region, kuriose „Jagdtrophäen“ und Möbel aus der Frühen Neuzeit präsentiert. Besonders schön ist aber der prächtige Europäische Saal. Allerdings wird auch die Geschichte als NKWD-Gefängnis thematisiert, wobei die Zeit der deutschen Besatzung ausgeklammert bleibt. Wundervoll ist hingegen das monumentale Schlachtengemälde. Das 8,30 m hohe Bild zeigt einen bedeutenden Sieg Jan III. Sobieskis gegen die Osmanen in der heutigen Slowakei und erinnert sehr an das Gemälde im Schloss Olesko. Im Untergrund des Palais werden unter anderem archäologische Funde aus Lemberg präsentiert.

Olesko Zolochiv Pidhirtsi
Idyllisch: Das Japanische Palais befindet sich jenseits eines kleinen, aber sehr gepflegten Parks

Nicht verpassen solltet ihr auch das wundervolle Japanischen Palais. Hier könnt ihr eine Ausstellung nah- und fernöstlicher Kunst bewundern.

Olesko Zolochiv Pidhirtsi
Keine Angst, diese Kanone funktioniert nicht mehr. Ihr findet sie, wenn ihr die Bastion nach oben klettert.

Anschließend solltet ihr auf jeden Fall noch auf die ehemaligen Bastionen steigen. Von dort habt ihr nämlich die beste Sicht auf die Anlage.

Touren durch das Goldene Hufeisen

Die Schlösser können bequem im Rahmen eines Tagesausflugs erkundet werden. Wir empfehlen euch den Anbieter Lviv Buddy, der unserem Co-Autor Peter gehört und wo er auch selbst häufig Touren selbst führt. Er bringt euch von Lemberg aus zuverlässig zu den drei Schlössern und erfahrene Führer leiten euch durch die drei Anlagen. Die Abholung am Hotel ist inklusive, außerdem könnt ihr ein Premiumpaket buchen, das auch ein Mittagessen umfasst. Lviv Buddy bietet übrigens auch spannende Stadttouren und Spaziergänge durch das jüdische Lemberg an.

Buchtipps

Ihr wollt noch mehr über die Schlösser wissen? Dann bestellt schon jetzt den CityTrip Lemberg* vor, einen Reiseführer von mir, der bald im Reise Know-How Verlag erscheinen wird. Dort stelle ich natürlich auch die Stadt Lemberg ausführlich vor, gebe praktische Tipps, beschreibe die schönsten Spaziergänge durch die Stadt und verrate euch, welche Touren und Ausflüge sich lohnen.

Diese flott geschriebene, englischsprachige Biographie stellt Jan III. Sobieski vor und geht insbesondere auch auf die Schlacht um Wien ein, die einen Wendepunkt in der europäischen Geschichte markierte.

Wenn ihr euch für die Ukraine insgesamt interessiert und auch andere Regionen bereisen möchtet, kann ich euch den Reiseführer Ukraine ans Herz legen. Peter Koller beschreibt hier das Land in all seinen Facetten und stellt nicht nur die schönsten Orte vor, sondern geht auch auf die Geschichte und Kultur dieses faszinierenden Landes ein.

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Markus Bingel hat lange in Polen, der Ukraine und Russland studiert und gearbeitet. Als Reisebuchautor zieht es ihn mehrmals im Jahr in die Länder des „Wild East“ – und noch immer ist er jedes Mal fasziniert von dieser Region. Als Co-Gründer des Blogs möchte er euch gerne die unbekannten, spannenden und immer wieder überraschenden Seiten Osteuropas vorstellen.

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